Lehrer Hanks pädagogische Ratschläge an die Jugend

Antracis der Rote

Forumsbakterium
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Das Problem scheint wirklich zu sein, das mit zunehmendem Superreichtum die Prioritäten von vielen Menschen ins banale Abgleiten! Hab mal nen Bericht über einen (ehemals persischen) Amerikaner gesehen, der alleine ne Fluglinie aufgebaut hat und es so zum Trilljardär und-was-weiß-ich nicht-alles-noch gebracht hat!Ist ja durchaus ne Leistung, steckt sicher ne Menge Arbeit dahinter!
Um seine Geschäfte möglichst effektiv gestalten zu können (wie er sagte), hat er sich dann kurzerhand ne alte 737 von der Lufthansa gekauft (da gehen wohl normal 200 Passagiere rein) und hat sich für sich alleine ausbauen lassen!
Endpreis schlappe 80 Millionen! Der Kaufpreis für den Flieger waren übrigens nur 20 Millionen. Der Rest ging für die Innenausbauten drauf! Alles mußte nämlich aus edelsten Antiquitäten sein, und da so ein Sekretär von Anno 1850 nun mal zu schwer ist und außerdem zu brennbar, hat er sich alles haarklein aus Hightechmaterialien nachbauen lassen! So kostete halt der "pseudoantike Schreibtisch" nich 150 Makk wie Modell "Flöroö" von IKEA sonder mal ne halbe Million, weil aus irgendwelchen Kohlefaserzeuch hergestellt, was nun auch unbedint aussehen mußte wie Holz von vor 2 Jahrhunderten!
Ich hab dann abgeschaltet, als sie die Kücheneinrichtung gezeigt haben...alle Griffe und Zierflächen aus reinem Gold.
Denn hier hört der Spaß auf.
Da gehts nicht mehr um Luxus im Sinne des persöhnlichen Wohlfühlens, da schienen schwerwiegende Minderwertigkeitskomplexe endlich nach Jahrzenten der Missachtung sich Manifestieren zu können!
Wie gesacht: Warum sollte nicht einer ne Jacht haben..oder ein wunderschönes Haus in der Toskana! Das so einer dort im Schatten ner alten Pinie Thomas Mann liest, kann man wirklich nicht ausschließen!
Aber ne goldne Mikrowelle ? :D:D
 

Danako

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@Chinasky
Ja, genau, "Die Verwandlung" wars. Da war glaube ich meine 3. oder 4. Kafka Geschichte, geniales Machwerk...

@Ysgrathate wie auch immer (Mensch, warum immer so komplizierte Namen)

Klar geht es in Frank Herberts Reihe um Religion, wie sie entsteht, wie man sie vernichtet, was sie ist, etc. sehr lehrreich.
Wobei das erste Buch mit Abstand das beste ist, mit fortlaufender Geschichte wird es immer verworrenener.
Wobei der Schluss IMHO noch einigermassen gut gewählt war, er musste schliesslich aufhören, solange es noch ging.
(In Band 3 und 4 lernt man aber sehr viel über Verschwörungen, sehr lehreich ;) )
 

Giadello

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Wiz:
Fast - was die Filme angeht. Wobei ich “Schindlers Liste” nicht als Perle bezeichnen würde. Allein des Bildes wegen. Eine Perle findet man mehr oder weniger rein zufällig beim Austernschlürfen - wobei das Muschellutschen bei mir eher die Form einer (Programm-) Zeitschriftslektüre hat als Dauerglotzen. Einen Film wie das “süße” Jenseits” oder “Warriors” sieht man nicht mal so, rein zufällig, weil die Kiste an ist. Das Jenseits könnte man vom Titel für etwas zwischen Pilcher und Fantasy halten, während “Warriors” eher das äußere Format einer weiteren Reportage über den Balkan hatte. “Schindlers Liste” hingegen lief zwar ohne Werbung - aber gerade damit hat Pro7 ja geworben. “Seht, wie viel Anstand wir besitzen”. Außerdem: hättest Du als Marketingchef eines Unternehmens einen 30.000-40.000-Spot schalten wollen - Waschmittelwerbung, während der KZ-Chef ein Übungsschießen auf lebende Ziele veranstaltet? Bis diese Grenze überschritten wird, dauert es hoffentlich noch ein paar Jahre.
Also: “Schindler” war ein guter Film -- aber mehr in Form eines Goldbarrens, den man sehr schlecht übersehen kann. Auch die momentanen Kinoschlager werden, einmal in der TV-Wiederholungsschleife, nicht automatisch zu “Perlen”. “The Sixth Sense” bleistiftweise, oder die “Matrix” haben einen so hohen Bekanntheitsgrad, daß sie automatisch Quote machen werden.
 

Aira

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Ey, habt ihr alle schlechtes Wetter, oder sitzt ihr mit nem Laptop aufm Balkon?;)
Hoffnungslos ausgebremst...trotzdem möchte ich noch ein, zwei meiner Gedanken auf die Bahn schicken und fange kurzerhand beim Urschleim an.:D

Sprache(n) lernen...yep, der Meister derselbigen hat weitgehenst recht. Es ist durchaus sinnvoll und horizonterweiternd zumindest eine Wahl zwischen Mutter und Fremd zu haben. Nicht nur zum Anbandeln oder Erwehren geschlechtlicher Ausschweifungen, auch beruflich wird es einem immer wieder nützlich sein. Allerdings würde ich als praktikablen Erfahrungsort nicht unbedingt die Schule an 1. Stelle setzen. Zumindest nicht so lange, wie der Unterricht derart gestaltet wird, wie ich es erlebt habe und es heute zum großen Teil immer noch stattfindet. Aus zweierlei Gründen:
Zum einen ist es meiner Ansicht nach vieeel zu spät mit Fremdsprachen allgemein erst im 5. Schuljahr zu beginnen (obwohl das zur allerniedrigsten Grundlage gerade noch so ausreicht). Die 2. Sprache kommt auch nur am Gym erzwungernermaßen dann im 7. dazu. (Also zumindest in den Ländern die noch eine ORI haben). Da braucht es nicht groß zu wundern, daß recht wenig Leutz später eine gute Fremdsprachenkenntnis haben. Je jünger man ist um so besser lernt man...in der 7. ist man in der Regel jedoch schon um die 13 und damit meist in einer Phase in der ALLES interessant wird, außer Schule und gute Ratschläge.;)
Bis man dann wieder einigermaßen zu Bewußtsein gekommen ist, hat man den Anschluß an Vokabeln und tiefere Grammatik oft schon weit hinter sich gelassen. Wohl dem, der erst mit 16 in die Pupertät kommt...er/sie wird dann derjenige mit den besseren Abiturnoten sein.
Da finde ich solch angestrebte Projekte, daß zumindest Englisch ab der 2. Klasse unterrichtet werden soll, eine wesentliche, Bildungspolitische Einsicht und durchweg zu befürworten. Als Projektunterricht gibbet das ja schon an etlichen Schulen. Die 2. Fremdsprache sollte demnach in der 5. folgen. Ich denke, so wären ganz gute Erfolge zu erwarten...auch wenn jetzt schon wieder etliche Elterverbände schreien, ihre Kinder würden überfordert werden. Dabei denke ich eher unser Notensystem und didaktisch unvermögende Lehrer sind eher als Übel auszumachen, doch das ist wieder ein anderes Thema.

Also mein Tipp an alle bildungswilligen Jungspunte...Leutz verreist! Erweitert euren Horizont in dem ihr euch aufmacht die Welt zu erobern. Kauft euch Tramper-Tickets, jobbt als Au-Pair, laßt euch von kirchlichen Stellen als "Entwicklungsbeihilfen" nach Argentinien oder sonst wo hinverfrachten...doch nutzt die Zeit, in der ihr noch über genügend davon verfügt. Studieren, Lehre machen...wie auch immer...damit könnt ihr auch 1-2 Jahre später beginnen. Auslandsaufenthalte werden euch auch bei Bewerbungen immer einen Bonus garantieren.
Wer erst mal eingebunden ist in Beruf oder Studium und eigen finanziertes Leben;) findet kaum noch die Möglichkeit "wirklich" zu verreisen. 3-4 Wochen Urlaub sind eine mickrige Ausbeute und ziemlich ungeeignet andere Länder und Kulturen tiefergehend zu erleben.

Dann ist es natürlich auch nicht schlecht etwas Lesestoff im Gepäck zu haben...und auch da sprach der Meister wohl.
Anspruchsvollere Literatur muß nicht gleich schwerer Stoff sein. Gute Bücher beißen nicht.:D
Allerdings kann es passieren, daß man nach der Lektüre solcher "Droge" auf ein mal recht viel Zeit mit (Nach)Denken verbringt...und Zeit wird bekanntlich mit zunehmenden Alter immer knapper und schnelläufiger.
Unter den ganzen Literaten-Tipps fehlt mir jedoch einer ganz besonders: Hermann Hesse
Oder, zählt dieser nicht zur großen Literatur?
Nun, für mich auf jeden Fall. "Narziß und Goldmund" z.B. ist eins meiner absoluten Lieblingsbücher. Hm, nun ja, ich steh auch auf "alte, deutsche Sprach" a la Goethe und Hoffmann.;)
Doch es gibt durchaus auch gute, lebende Autoren.

*Milan Kundera (harter Stoff, der sich leicht in die Gehirnwindungen frißt)
z.B. "Die Unsterblichkeit"

*Elfriede Jelinek (sie würde ich jedoch nur abgehärteten Gemütern empfehlen. Zum einen von der Thematik schwer verdaulich und auch nicht gerade eingängig geschrieben)
z.B. "Die Liebhaberinnen", "Die Klavierspielerin", "Lust"

*Harry Mulisch (ein großer Meister des langatmigen Erzählens und kurzweiligen Lesens, dabei durchweg anspruchsvoll)
z.B. "Die Entdeckung des Himmels"


Yaps...noch kurz zum Medium Fernsehen. Ich oute mich als beständige "Nichtguckerin", ja, momentan habe ich grade mal auch wieder keins...was mir immer wieder recht unverständige Blicke meiner Mitmenschen einbringt. "Wie, du hast gar keinen?"
Es gab jedoch auch Zeiten in denen ich endlos und wahllos geglotzt habe..."suchtgefährdet", yep. Und nach mehrstündigem TV-Konsum hatte ich oft genug das Gefühl mich erbrechen zu müssen oder dem nächstbesten meine Faust auf die Nase zu setzen, weil ich a) entweder an der Flut von greuligen Informationen weltschmerzerkrankte oder b) mich von einem Strudel aus Stumpfsinn hinabgezerrt wähnte.
I.M. hat es allerdings auch noch einen pädagogischen Hintergrund warum ich kein TV haben will...zumindest in diesem Bereich halte ich meine Vorbildfunktion willig ein.
Ich kann nicht gucken, ohne das mein Knirps zwangsläufig mitkonsumiert (es sei den mitten in der Nacht und da hänge ich lieber vor dem PC:D). Seinem zarten Alter von 2 Jahren möchte ich diesen Wahnsinn aber nicht auftischen und ihm auch nicht vorleben, daß es eine so einfach verfügbare Ablenkung gibt. Ganz abgesehen davon, daß man anstellen kann, was man will...gute Kinderfilme sind äußerst rar gesäät. Und wenn...kan man fast sicher sein, daß irgendein Trailer für den Spätfilm dazwischen geschoben wird, in dem natürlich die "spannendsten Szenen" gezeigt werden.
Trailer für Filme, welche dann ab 23 Uhr mit dem Hinweis "nicht für Jugendliche" geeignet laufen. *rofl*
Was das soll, werde ich wirklich nie begreifen.
Im KiKA passiert so was zwar nicht, dafür gibt es da massenhaft Kunsomterror-Spots, die auch nicht weniger verblödend sind. Und ehrlich, ich finde es furchtbar wenn auf dem Weg zum Kindergarten die Jingles der verschiedenen Waschmittel und Kaffee-Sorten geträllert werden.
Irgendwann ereilt mich eh der Wahnsinn in Form von Pokemon und Ninja-Turtles...doch bis dahin halte ich eisern an der Hoffnung fest, daß Valentin nebst "Pikachu" (oder wie auch immer) auch noch andere Interessen haben wird.
Bis dahin gibt es die gute, alte "Pipi" oder "Puppenkiste" auf Video. Tja, ich bin halt eine Rabenmutter.:D

Für das Thema ungerechte Honorierung von Leistung und sinnloses Verprassen des "erhlich oder unehrenhaft" erworbenen Reichtums bin ich nun zu müde und stimme darum meinen Vorschreibern einfach zu. Das Wesentliche wurde schon ausgeführt.

Gute Nacht.

Soma
 

Estefan

Away from Keyboard
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@Chinasky,

irgendwie stört mich die Verwendung des Wortes "heute" und "heutzutage" in deinen Postings doch sehr. Ich glaube nicht, dass es jemals viel bessere Zeiten, zumindest hierzulande, als "heute" gegeben hätte. Heute muss hier wohl kaum einer aus Armut auswandern, sich in Kriegen verheizen lassen oder des Hungers sterben.
Stimmt schon, die Reichen sind viel reicher als früher, aber die Armen eben auch, und die haben heute einen Lebensstandard, von dem der Mittelstand der schlechten alten Zeit nur hätte träumen können.
Dass Ruhm und/oder Reichtum oft ungerecht verteilt und unmoralisch (oder gar nicht) verdient ist, ist auch nix Neues.
Friedensvermittler, Erfinder und Wohltäter der Menschheit konnten ihre Erfolge schon immer schlecht verkaufen, ausser sie hatten großes Glück, würde ich mal sagen. Heute stehen die Chancen für Wohltäter zwar immer noch schlecht, aber besser als früher allemal...
Und was die Dummen an der Macht angeht: Ich denke, die Intelligenten haben bisher für weit mehr Blutvergießen in der Geschichte gesorgt, als die Dummen. Von daher ist George W. Bush vielleicht gar nicht so schlecht - so einer kommt erst gar nicht auf die Idee, aus beispielsweise ideologischen Gründen Kriege anzuzetteln oder Leute umbringen zu lassen...

Hmmmh... Wenn du meinst, dass es irgendwann besser war als "heute", welche Zeit meinst du dann?<BR>
[Editiert von Estefan am 26-08-2001 um 09:11]
 

David

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<i>Hmmmh... Wenn du meinst, dass es irgendwann besser war als "heute", beziehst du dich dann vielleicht auf eine ferne Zukunft? </i>

Teilst du vielleicht meine Vorstellung,das die Zeit "im Kreis" laufen könnte(siehe den alten Einstein-Thread) oder wie soll ich das jetzt verstehen?
*verwirrt und müde guck*

Zum Thema Fernsehen:
Der Jugensender schlechthin -MTV (1)- verursacht in meinem Gehirn immer wenn ich mal so weit hinten in meiner Programmliste lande schwere Ausnahmefehler: So eine dämliche Moderation hab ich echt noch nie erlebt,und warum zwischendurch immer komische Animationen,unterlegt von seltsamen Tönen laufen ist wohl auch auf den Versuch zurückzuführen mit unterschwelligen Botschaften die Welt zu übernehmen..
MTV2 ist ja ganz gut,wenn man nur mal abschalten und Musik hören will,da kommt nämlich noch welche.
Auf MTV dagegen läuft zu 1/3 Werbung,zu 1/3 dämliches Geschwätz und vielleicht zu einem Drittel Musik.

Und sowas wird von vielen Jugendlichen tagtäglich konsumiert,das ist die direkte Fortsetzung der Teletubbies.
 

Wiz

Alter Schwede
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David:
Hui, wenn du (zu Recht) so über MTV schimpfst, möchte ich dich nicht erleben, wie du VIVA kommentierst... :D

Giadello:
Doch, doch - ich könnt's mir glatt vorstellen, wie die Herrschaften von Pro 7 gerade bei der Szene, wo der einbeinige Jude erschossen wird, einen Werbespot für Hansaplast einblenden würden... zweifelsohne. :(
 

Estefan

Away from Keyboard
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@David

ich editier das ma... war gestern abend nicht so nüchtern..
 

Chinasky

Dirty old man
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@Estefan: Ich trauere keinen besseren alten Zeiten nach, da hast Du mich mißverstanden. Ich konstatierte lediglich, daß es momentan schlicht nicht „in“ oder „chic“ ist, auf die ungerechte Verteilung von Reichtum hinzuweisen. Das war mal anders, erinnere Dich beispielsweise der späten sechziger, frühen siebziger und dann auch noch frühen achtziger Jahre, wo allüberall im Lande die Dritte-Welt-Läden aus dem Boden schossen und schon die Schüler in der Pause aus Solidarität den politisch korrekten, bitteren Nicaragua-Kaffee tranken... Ich kann mich gut an diese Zeit erinnern, in welcher ich aufwuchs. „Kapitalist“ war damals ein Schimpfwort, es war modern und hip, die „Kapitalistenschweine“ zu hassen. Keiner aus meiner Klasse damals hätte sich getraut, als Berufswunsch „Unternehmer und Millionär“ anzugeben.
Heute ist das etwas anders, so wie es schon mal in den fünfziger Jahren anders war, oder beispielsweise in den Gründerjahren (also um 1870 herum). Es gibt halt auch in der „Moral“ so eine Art Kunjunkturzyklen.
Die Menschen an sich waren in den siebziger Jahren nicht besser als in den späten achtziger Jahren oder heute. Aber das gesamtgesellschaftliche Bewußtsein (zumindest das Bewußtsein jener Leute, die in der öffentlichen Debatte den Ton angaben) war ein anderes. Ich will gar nicht mal behaupten, es sei ein besseres gewesen, denn damals wie heute zeichneten sich die Menschen vor allem durch die conditio sine qua non des Menschseins aus: die Angwohnheit, sich zu irren. Nach dem Mauerfall, nach dem Untergang der alten Sowjetunion, seit welchem der American way of life die Meinungsführerschaft weltweit übernommen hat, kam es ersteinmal mehr und mehr außer Mode, Ungerechtigkeiten zu be- und anzuklagen. Die Idee, daß der Allgemeinheit am besten gedient sei, wenn jeder sich erstmal auf seinen Vorteil bedacht ist (Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht...), wurde zunehmend populär und ist es bis heute. Die dahinterstehende Idee ist die der Markrtwirtschaftler mit ihrem Slogan: Reichtum für alle. Du weist darauf hin, daß es den Armen heute immerhin besser gehe als noch vor ein paar Jahrzehnten, und was die Armen in Deutschland angeht, so hast Du schlicht und einfach recht. Allerdings leben wir ja angeblich in einer globalen Gesellschaft und sind sozusagen alle Nachbarn, und so muß halt der Multimillardär neben das Straßenkind in Kalkutta gehalten werden. Mir will es so vorkommen, als gehe es diesem Straßenkind nicht eben viel besser als es den Straßenkindern schon immer ging, während die Superreichen immer neue Absurditäten des Prass-Wahns schaffen. Nur stört sich momentan in unserer deutschen Wohlstandsgesellschaft kaum wer.
Heute wünschen sich viele, es ebenso zu schaffen wie Bill Gates beispielsweise. In den siebziger Jahren hätten wir für kein Glück (Geld?! ;)) in der Welt so werden wollen wie Bill Gates. Denn wenn ich beispielsweise geäußert hätte, ich würde gern Milliardär sein und meine eigene Turnhalle und ein Haus mit mehr als zehn Gästeklos haben und... – dann hätten die Mädels aus meiner Klasse mich schlicht für ein gieriges, gewissenloses Arschloch gehalten. Und das wollte ich natürlich nicht.
Heute fände man es wahrscheinlich amüsant, wenn ich derartige Träume äußern würde...

Aber das ist wie gesagt eher auf eine moralische Mode zurückzuführen. Denn auch damals gab’s genügend Leute, die nur auf ihren persönlichen Vorteil bedacht waren und auch heute gibt es genügend Leute, die angesichts der gewaltigen Reichtumsunterschiede weltweit das kalte Kotzen kriegen. Und die Debatten die angesichts der Weltwirtschaftgipfel-Ausschreitungen immer mehr ins öffentliche Blickfeld geraten, zeigen für mich in die Richtung, daß die Zeit, in welcher man sich ungeniert zur Profitmaximierung, zum Shareholder-value bekennen durfte, sich ihrem Ende zuneigt.
Letztlich geht es nur um die Gewichtung: Heute wird Kochs „Wisconsin“-Modell ausführlichst debattiert, Schröders „Drückeberger“-Aussprüche beherrschen die Schlagzeilen. Der Wind wird sich wieder drehen und man wird wieder sich fragen, ob goldene Schrankknäufe und der Zweit-Swimmingpool für die vierjährige Tochter notwendig seien oder nicht doch eben ein Schlag ins Gesicht der wirklich Armen.
Was die guten vergangenen und schlechten heutigen Zeiten (oder umgekehrt) angeht: Ich glaube, der Mensch einerseits sorgt dafür, daß die Zeiten immer so schlecht sind, wie es organisatorisch und technisch machbar ist – und umgekehrt versucht, dies nach dem neuesten organisatorisch-technischen Stand zu ändern. Die Behauptung, heute sei alles etwas besser als früher, halte ich für ebenso verkehrt wie die gegenteilige Behauptung. Die moderne Technik, die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und Organisation haben uns in jüngster Vergangenheit den Faschismus und den Stalinismus gebracht, und momentan bringen sie uns eine systematische Zerstörung der Umwelt, eine Verelendung ganzer Kontinente und die Realisierung absurdester Überwachungs- und Militärprojekte (siehe die Rüstungspläne des lieben Herrn Bush, von dem hier jemand sich erhofft, er werde aufgrund seiner Dummheit keinen Krieg anzetteln – was sich für mich so anhört, als sei es eine intellektuelle Großtat, Kriege anzuzetteln und nicht im Gegenteil die größte Dummheit, zu der Menschen fähig sind). Nein, ich glaube nicht an den Fortschritt hin zu einer besseren Welt, aber immerhin daran, daß mit dem Leidensdruck auch die Anstrengungen, das Schlimmste zu verhindern, wachsen werden.
 

Jenny

Partymäuschen
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Ihr ollen Unken...

Viel TV guck ich auch nicht, aber gäbe es nur die Öffentlich Rechtlichen würde ich wohl gar nicht gucken. ;)
Sicher gibt es dort interessante Reprotagen, die ich auch gerne sehe, aber für Filme halten die Privaten, besonders Pro7 her.
Bei Nachrichten halt ich mich an RTL. :D
Und MTV und Viva dudeln nebenher. (Kennt wer die Daten von MTV2? Den hab ich noch nicht programmiert)

Jenny, bekennende Privatfernsehguckerin
 

Paladin

Your average writer
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@David
In diesem Fall empfehle ich dir VIVA2. Der Sender ist in etwa der beste Sender, wenn du Musik jenseits vom süß-klebrigen Geschmack der Teeniecharts hören willst und gleichzeitig sowohl interessante als auch gut gestaltete Formate sehen willst.
"Zelluloid" schlägt Cinema TV mit seiner ausgestopften Silikonpuppe, die sich "Moderatorin" nennt, um Längen.
 

Chinasky

Dirty old man
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@all: Zum Thema Fernsehen fällt mir ein Erlebnis ein, daß ich vor ein paar Wochen schon hatte und mir, um’s nicht zu vergessen, aufschrieb. Es hatte mit einer mir befreundeten Familie zu tun und deswegen habe ich dieses Erlebnis mit der Überschrift versehen:


Der Untergang des Hauses Seidler
Da war dieses Flimmern. Nicht über die gesamte Fläche, nur unmerklich, an den Seiten ein bißchen. Trotzdem verschluckte sich Mama Seidler an ihrem Diätleberwurstbrötchen vor Schreck ganz kräftig, als bei der Tagesschau plötzlich die Bildränder sich anlösten wie ein Stück Zucker, das man vorsichtig und nicht zu weit in die Kaffeetasse tunkt.
- „Huch!“, hustete sie, „Was ist das? Kann man das nicht wegkriegen, Wolfram?“
So direkt war die Frage für Papa nicht beantwortbar, er bewahrte aber zuerst einmal kühlen Kopf: „Das ham wir gleich!“
Ganz souveränes Familienoberhaupt, drückte er sich gewichtig ächzend aus dem guten alten Ohrensessel und schlurfte gemächlich zum Apparat, um den Fehler zu beheben. Nach einigem Fummeln hatte er die nötige Kuhle für den Fingernagel gefunden, um die kleine Klappe zu öffenen. Und da waren sie, die Drehknöpfe. Sechzehn an der Zahl, für jeden Empfangskanal einer. Mit einem Zweipfennigstück oder langen Fingernagel konnte man die Kanäle fein justieren. Das schickte Papa Seidler sich auch an zu tun. Aber die Nachrichtensprecherin verwirbelte sich nur noch mehr zu einem kunterbunten Schneehaufen, rieselte nach links und rechts, war mal zwei- mal dreigetreilt, besaß bald einen lila Schatten, bald ein gelbgepunktetes Spiegelbild. Einmal sagte sie: „Komm Baby, zier dich nicht so!“ oder gab ein Eidechsenzischen von sich. Besser als mit den Zuckerrändern war die Tagesschau nicht reinzukriegen.
- „Is nix zu machen.“, stellte Papa fest, „Morgen geh ich mal hoch auf den Boden, um nach der Antenne zu sehen.“ Ein klein wenig besorgt klang seine Stimme. Probehalber griff er sich die Fernbedienung und flippte durch alle Programme. Aber siehe, die anderen liefen einwandfrei. Nur Erstes und Drittes litten unter dem rätselhaften Verflüchtigungssyndrom.
- „Vielleicht liegt’s ja auch an der Sendeanstalt. Weil bei denen der Funkturm nicht in Ordnung ist.“, schlug Boris, der ältere und verständige Sohn vor. Damit mochte er recht haben. Die ganze Familie Seidler atmete auf.
- „Ja, und was ist mit meinem Thriller heute abend?“, wollte Sonja wissen, „Der mit Brad Pitt! So kann ich den doch unmöglich auf Video aufnehmen mit diesen Zuckerrändern, und dabei hatte ich es meiner Freundin Renate versprochen!“
- „Ach wo, es laufen immer wieder Thriller im Fernsehen!“, tröstete Mama. Ein schwacher Trost.
Am folgenden Morgen allerdings bekam Mama Seidler selbst einen leichten Schock, als sie vom RTL-Frühstücksfernsehen auf das Erste umschaltete: Es war nahezu gänzlich verschwunden, anstelle der Spielfilmwiederholung tauchten nur bruchstückhafte Schemen auf und ein Stimmenchaos machte das rein akkustische Verfolgen der Handlung auch unmöglich. Böses ahnend drückte sie auf den Kopf für das zweite Programm. Und richtig: Auch hier begannen sich die Ränder aufzulösen, Richard Chamberlain flirtete in einem milchigen Strahlenkranz, der vielleicht dem Film angemessen, aber sicher vom Regisseur nicht beabsichtigt war. Ängstlich harrte Mama der Heimkehr Papas von der Arbeit. Hier waren Technikkentnisse, mithin ein Mann gefordert.
Papa hatte wiederum mich mitgebracht, nachdem wir uns während der Schicht ausführlich über die rätselhaften Macken seines Fernsehers ausgetauscht hatten. Von mir hatte er erfahren müssen, daß bei mir zuhause das Erste am vorigen Abend erstklassig funktioniert hatte.
Nun sollte ich unten am Apparat bleiben und aufpassen, wie das Bild sich vehalten werde, während Papa oben im Dachboden an der Antenne rummanipulierte. Wir verständigten uns rufend, durch das ganze Haus, fortissimo.
- „Jetzt besser?!“
- „Nein, es rauscht wie gehabt!“
- „Und jetzt!“
- „Was - und jetzt!? Kein Bild!“
- „Wird’s so besser?!“
- „Waas?!“
- „Ob es so besser wird?“
- „Neihein!!“
- „Und so?!“
- „Auch nicht!!“
- „Scheiße, verdammte!“

Papa kaute ratlos auf den Fingernägeln. Wir standen vor dem Fernseher, dem nun nach dem Ersten und Dritten wohl demnächst auf das Zweite amputiert werden würde. Wir flüsterten, wie in Gegenwart eines kranken Kindes.
- „Ob es an dem Apparat liegt?“ – Papa sah mich flehentlich an.
- „Schon möglich. Vielleicht aber auch an dem Haus, diesem Wolkenkratzer, den sie nebenan bauen.“
- „Ja, das könnte schon sein, nicht?“
- „Hhm, möglich. Wie laufen die anderen Apparate denn?“
- „Ach ja, richtig, die anderen. Laß uns nachschauen!“
Wir gingen ins Kinderzimmer der vierjährigen Elke.
- „Tut mir leid“, entschuldigte Papa sich, „Wir müssen deine Teletubbies kurz unterbrechen.“ Er ging zu Elkes rosafarbenen Fernseher und schaltete um auf das Erste. Elke bekam einen Schreikrampf. Das Erste rauschte gleichmäßig und unbekümmert vor sich hin.
- „Das ist bedenklich!“, gab Papa zu bedenken. Ich stimmte zu und regte an, wieder auf die Teletubbies umzuschalten. Papa tat’s und Elke verstummte prompt.
Die gleichen Mängel auch beim Küchenfernseher, bei Boris und Sonja auf den Zimmern.
- „Lieg wohl doch an der Antenne“, urteilte ich fachkundig und schlug vor, einen Fachmann vom Reparaturdienst zu bestellen. Der jedoch konnte auch nicht sagen, woran die Programmausfälle lagen. Meine Idee mit dem Hochhaus verwarf er. Nein, nein, das Gebäude liege viel zu weit entfernt und stehe übrigens als Rohbau schon seit zwei Monaten, da hätten sich die Bildstörungen doch schon viel früher einstellen müssen.
Er wechselte die Antenne aus, installierte probehalber eine Satelitenschüssel. Ohne merkbaren Erfolg. Sein abschließender Kommentar, Seidlers hätten sich eben verkabeln lassen sollen, offenbarte sein Scheitern.
- „Kabelanschluß!“, brummte Papa Seidler auffallend lakonisch.
Er setzte Himmel und Hölle in Bewegung. Da die Nachbarn schon verkabelt waren, ging es schneller, als man hätte denken sollen. Innerhalb von fünf Tagen hatten Seidlers ihren Kabelanschluß. Jetzt bekamen sie 1 Plus, 3 Sat, Eurosport, Super RTL und zwei Dutzend anderer Kanäle rein, mit dem unbestreitbaren Vorteil, die Wettervorhersagen auf Französisch und Niederländisch zu empfangen. Klein Elke hätte rund um die Uhr drei Kinderserien gleichzeitig sehen können, Boris konzentrierte sich auf Catch-Übertragungen, um seine Englischkenntnisse zu erweitern.
Nur Erstes, Zweites und Drittes – die rauschten und flimmerten wie gehabt. Eine düstere Wolke hing über Seidlers Fernsehabenden.
Papa erzählte mir auf Schicht, er habe sogar einen neuen Fernseher angeschafft, mit größerer Bildröhre, fähig, wesentlich mehr Bildpunkte auf wesentlich mehr Bildzeilen abzubilden. Fraglos eine technisch bedeutende Errungenschaft, aber auch eine beträchtliche finanzielle Belastung. Allein, auch diese habe nicht den gewünschten oder doch erhofften Effekt gehabt. Im Gegenteil! Das Rauschen weitete sich statt dessen aus, es metastasierte hinüber auf Sat1 und Pro Sieben, auch Kabel1 begann zu bröckeln. Wie Ameisen, sagte Papa, wie wenn Ameisen an den Rändern knabberten und sich immer weiter ins Zentrum vorarbeiteten, so scheine es ihm. Ja, wenn ihn nicht alles täusche, sei selbst RTL schon leicht in Mitleidenschaft gezogen. Wie Bakterienkulturen, sagte Papa, wie Schimmelpilz, wie Neurodermitis, wie angelöster Zucker...
Aus der Schule hörte man neuerdings Klagen. Alexander, der jüngere Sohn, habe einem Klassenkameraden zwei Schneidezähne augeschlagen, weil dieser begeistert von einer Miami-Vice-Folge erzählte. Zwar hatte es sich nur um ohnehin bereits wackelige Milchzähne gehandelt – immerhin... Sonja brachte schlechtere Noten heim. Sie, die einstige Musterschülerin! Boris schwänzte, um in einer griechischen Imbißbude nahe der Schule fernzusehen. Giros, Pommes und Cola waren Stimulanzien für seine dankbaren Pickel. Kurz – die Seidlerkinder entwickelten sich zu Klassenkaspern und Einzelgängern. Sie waren uninformiert und einfach nicht mehr auf dem Stand der Zeit. Ihre Wissensdefizite im Bereich des Marienhofes waren beispielsweise erschreckend, und wer nicht wußte, wie es um Verlobungen, Verliebungen, Heiraten, Trennungen und Schwangerschaftsabbrüche in GZSZ stand, der wurde von gleichaltrigen Kindern selbstredend ausgegrenzt. Die Seidlerkinder waren bemüht, den Schaden dadurch gering zu halten, daß sie bei Bekannten wenigstens die obligaten Freitagabendkrimis und die samstägliche Spielshow verfolgten. Aber die Einladungen wurden spärlicher...
Mama Seidler war jetzt oft zu beobachten, wie sie ratlos vor den Einkaufsregalen der Supermärkte verharrte. Seit sie nur noch selten störungsfreie Werbesendungen mitbekam, stand sie dem Warenangebot hilflos und unwissend gegenüber. Wie erniedrigend, sich von anderen Hausfrauen beraten lassen zu müssen: „Nehmen sie das neue Super-doppelrosa-dreifachlagige Toilettenpapier mit ph-neutraler Gleitschicht und keimfreien Sterilistaionsemulsionen in den feinen, holzfreien Ultra-Poren von Arschiclean im praktischen, quadratischen Fünferpack mit Tragehenkel und wiederverwendbarer Hartplastikverpackung sowie ökologischer Selbstreinigung! Das soll ganz besonders gut sein und man bekommt Treuepunkte...“
Um nicht aufzufallen, mußte Mama dann lügen: „Jaja, ich war nur am Überlegen, ob wir noch genug davon zuhause haben.“
Obgleich Arschiclean ihr ein böhmisches Dorf war. Wer kennt schon Arschiclean? Ihr etwa? Oh, es war erniedrigend!
Eine ernstliche Katastrophe kündigte sich an, als der Videorekorder seinen Dienst aufkündigte. Kurz danach wurde selbst Alexanders Computerbildschirm von der unheimlichen Zuckerrandkrankheit heimgesucht. Eine Diskette, von einem Freund entliehen, ward vom Computer ruiniert, eine unersetzliche Raubkopie! Zum Dank waren eines Morgens die Reifen seines Fahrrades aufgeschlitzt. Alexander begann, Rambo-Poster über seinem Bett aufzuhängen.
Mit der Seidlerfamilie ging es bergab. Als Papa Seidler zwei Tage unentschuldigt bei der Arbeit gefehlt hatte, wurde ich vorbeigeschickt, um mich nach seinem Befinden zu erkundigen. Denn ans Telefon ging bei Seidlers niemand mehr.
Ich trat durch die offenstehende Haustür und konnte die dramatisch zugespitzte Situation förmlich riechen. Schon gleich zu Anfang gellte mir aus Elkes Zimmer ein nadelspitzer Schrei, ein selten unterbrochener Dauerton wie schrilles Telefonklingeln entgegen: „Teletubbiiiiiiiies!“
Im Wohnzimmer, das von Jalousien verdunkelt war, saß Papa Seidler, das speckige Hamd halb nur und verkehrt zugeknöpft, vor fünf nebeneinander traulich rauschenden Fernsehapparaten. Nur auf dem einen waren noch schemenhafte Schatten zu erahnen. Es handelte sich vielleicht um den Sportkanal, wobei allerdings schwer zu entscheiden war, ob nun ein Boxkampf oder eine Tanzveranstaltung übertragen wurde. Das graue Gestöber auf allen Kanälen hatte im ersten Programm einen neuen Höhepunkt erreicht. Dort blieb der Bildschirm völlig leer, als sei der Apparat überhaupt nicht eingeschaltet. Auf meinen Gruß hin murmelte Papa undeutlich etwas von Länderspielübertragung am kommenden Mittwoch und wies einladend auf den Fußboden, wo Unmengen an Bierdosen herumlagen. Ich zog es vor zu stehen. Papas Augen waren bläulichrot unterlaufen, ein fortgeschrittener Stoppelbart und fahrige Handbewegungen sprachen deutlich und unmißverständlich. Seit vier Tagen hatte Papa nicht mehr geschlafen.
- „Was haben wir nur getan?!“, jammerte er mit gebrochener Stimme, seine Lippen klebten zwischen den einzelnen Silben aneinander. „Es ist mir unerklärlich! Im Geschäft liefen sie tadellos!“ Er deutete auf die Fernseher. „Warum tut man uns das an?“
Geschlagen und besiegt, ein gebrochener Mann, saß er in seinem Ohrensessel und schaute mir fragend in die Augen. In den Seinen konnte ich über die Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Welt lesen.
- „Und wenn ihr alle, du und deine Familie, wenn ihr mich besucht?“, schlug ich aufmunternd vor, „Meine Glotze läuft doch einwandfrei, da könnt ihr euch zumindest das Länderspiel ansehen!“
Papa winkte resigniert ab: „Nein, nein, wir sind verflucht. Boris hat schon angerufen. Er war ja zu seiner Freundin gezogen, nun zeigen sich auf ihrem Bildschirm die ersten Symptome. Deswegen fängt sie an, andern Jungs schöne Augen zu machen. Unsere Freundschaft will ich nicht auf’s Spiel setzen.“
Ich wollte gerade zu einer längeren Trostrede ansetzen, da drang aus der Küche ein Krachen und Scheppern, gefolgt von einem langgezogenen Quietschen. Das Schlimmste befürchtend, eilte ich dorthin. Mama Seidler hatte den Küchenfernseher ausgeschlachtet und in das halbleere Gehäuse den Familendackel eingesperrt. Der zerschnitt sich an den scharfen Kanten und pieksenden Drähten Kopf, Bauch und Läufe und jaulte zum Steinerweichen. Mama saß gebannt vor diesm spannenden Programm. Als ich entrüstet ob solcher Tierquälerei das arme Viech befreien wollte, ging sie mit Steakbeil und Tomatenmesser auf mich los. Mir blieb nur der ungeordnete Rückzug.
In der Hoffnung, daß Sonja und Alex noch zurechnungsfähig seien, setzte ich die Treppe hoch zu den Kinderzimmern. Alex saß vor seinem Computerbildschirm, gespenstisch blau von dem rauschenden Rechteck beleuchtet, und hielt krampfhaft einen Joy-Stick umklammert. Er gab nur Pieps- und Tutlaute von sich, ab und an unterbrochen von einem martialischen Kampflaut, wie er in Egoshooter-Spielen vorkam. Ich ließ ihn tuten und versuchte es bei Sonja.
Die hatte sich eingeschlossen. Ob sie sich etwas angetan hatte? Sorgenvoll und in Panik brach ich die Tür zu ihrem Zimmer auf. Ich überraschte sie, wie sie gerade das achtzehnte Testbild mit Ölkreiden an die Wand malte. Das einst so hübsche Mädchen hatte gewiß zehn Kilo abgenommen, seine Haare waren zerzaust und klebten ungepflegt im Gesicht. Die Wangen waren eingefallen, das Kleid hing verdorben an ihr herab wie ein Lumpen. Dabei summte sie monoton vor sich hin: „Hier sind der Westdeutsche Rundfunk und der Sender Freies Berlin mit dem ersten Progamm. Hier sind der Westdeutsche Rundfunk und der Sender Freies Berlin mit dem...“
Ich riß sie von ihrem Kunstwerk fort, gab ihr, um sie zu sich zu bringen, zwei kräftige Ohrfeigen und zwang sie, mich anzuschauen. Sie grinste apathisch und ihre Augen blickten weit offen durch mich hindurch.
„He, was ist los mit euch allen?“, schrie ich und schüttelte sie verzweifelt. „So schlimm kann doch die ganze Sache nicht sein. Es handelt sich doch nur um Fernsehen! Komm endlich zu dir!“
„Guten Abend, meine Damen und Herren! Wir begrüßen Sie zu unserem heutigen Abendprogramm, das wieder einmal eine unterhaltsame Mischung von Spannung und Information verspricht. Nach der Tagesschau können Sie bei uns - ...“
Ich hörte sie nur noch wie von fern reden. Hier waren alle Hilfsversuche zwecklos.

Ich ging heim und zerschlug meinen Fernseher. Vorsichtshalber warf ich auch mein Radio auf den Müll.
Als ich am nächsten Morgen beim Frühstück die Zeitung aufschlug, waren dort die Überschriften ganz verschmiert und ausgefranst.
 

Regentau

Elfe
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Da sich vieles in diesem Threat um gewaltverherrlichende Filme und Bücher handelt hätte ich mal eine Frage an Euch speziell an Chinasky....was denkt Ihr über Hannibal?....ich habe alle (fast) Filme gesehen über die Ihr gesprochen habt, und ich finde viele wirklich überflüssig..American Psycho mußte ich mir nicht antun..das Buch zu überfliegen reichte..ich denk da hat Jemand (der Autor) ganz clever ein Genre ausgenutzt um eine schnelle Mark zumachen, nun bin ich aber ein Fan von feinsinnigem Horror (sofern es diese
Kombination überhaupt gibt)..aber wenn dann trifft es auf die Bücher von Harris zu..und die verkörperung von Sir Anthony tut ihr übriges..ich denke grad solche Filme und Bücher regen zum Nachdenken an....weil sie es irgenwie schaffen die Greuel in einem anderen Licht dastehem zulassen, und gerade da liegt wohl das geniale und gefährliche daran...
Ich werde wohl nie begreifen warum *Tanz der Teufel* es geschafft hat derart zum Kultfilm zu mutieren..ich finde ihn einfach nur schlimm....manche Filme sollten einfach nicht gedreht werden..und man muss auch nicht alle Filme gesehen haben..
Zum Thema Geld ist wohl genug gesagt worden..Geld(viel zuviel Geld) versaut den Charakter, früher oder später..denke ich, aber es ist natürlich auch angenehm nicht jeden Pfennig umdrehen zu müssen, für Alles gilt es wohl das gesunde Mittelmaß zufinden und dies auch der nächsten Generation zuvermitteln...

ach und noch was ..ist mir gerade eingefallen..sorry....auch ich fühle mich manchmal *beschmutzt* durch Filme oder Bücher....ich war glaube ich 14 als ich Tanz der Teufels sah..und wußte nicht was auf mich zukommt..klar wollte ich den Kick auch haben..der Erfolg war, daß ich ein Jahr lang nur mit Licht schlafen konnte....also...was im Moment oder schon seit längerem stattfindet ist *der verlust der Kindheit*.....in Neil Postmans Buch trefflich beschrieben..oder aber nennt es der Verlust der *Unschuld*....
deswegen nochmal...das Mittelmaß zählt wohl........<BR>
[Editiert von Regentau am 26-08-2001 um 19:33]
 

David

Moderner Nomade
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@Pali:
Die Musik in VIVA2 ist g anz gut,aber dazwischen kommt mir auch zuviel sinnfreies Geschwätz.
(Die meisten Musiksender sind wohl ehr sowas wie "Lifestyle-Sender" als wirkliche reine Musiksender,leider. Die Werbung muß sein,aber die Moderation nicht,zumindest nicht in dieser Form.)

An einen ganz normalen Radiosender kommt meiner >Meinung nach noch kein Musiksender wirklich ran,aber manchmal machts aus Spass sich einfach mal ein paar Musikvideos reinzuziehen und abzuschalten,oder eben nebvenbei noch ne Runde zu zocken oder surfen.
 

Sunoyan

Feuergeist
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@Pali

Noch ein Viva 2 Fan?:D

Ein bisschen abgefreakt die Formate, vielleicht, aber dafür muss ich mir keine blödsinnigen Gespräche auf Viva oder MTV ansehen.

Und Zelluloid ist wirklich gut gemacht.
Ebenso Fast Forward, obwohl man über den Moderationsstil streiten mag.

Und vor allem gute Elektronik-Tracks und ungewöhnliche(ich möchte beinahe sagen: erwachsene) Musik.

Dann darf ich mir auch nicht zum 10ten Mal irgendso eine 14jährige Schnepfe;) anhören, die mir etwas von 'dumdumdidum'(jetzt aber wörtlich und im wahrsten Sinne des Wortes) erzählen will.


@Chinasky(oder fortwährend jetzt Hank, da es dir ja lieber ist)

Also diese Drückeberger-Bemerkungen(eigentlich eine Reaktion von Schröder auf den parteiaffärlich vorbelasteten Koch, welcher mit den amerikanischen, toughen*g* Verhältnissen in den USA hier in Deutschland mal so richtiggehend PR-mässig abräumen wollte bzw. will sind
nichts als heisse Luft meiner Meinung nach.
Diverse Gesetze und Verordnungen existieren faktisch schon...sie werden halt nur nicht richtig umgesetzt.
Hierbei handelt es sich wohl eher um eine Reaktion auf die schlechte Konjunktur und miese Arbeitsmarktlage, immer mit dem Gedanken in Hinterkopf, medienwirksam zu agieren.

PS: Gute Geschichte:)(wie immer eigentlich)
 

Silpion

Traumtänzer
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@Regentau:
Zu Hannibal muss ich sagen, dass es bis jetzt der einzige Film war, bei dem ich noch während des Films wieder aus dem Kino rausgeganen bin. Ich habe mich nach einiger Zeit gefragt, warum ich mir das antue und noch sitzenbleibe. Darauf hin bin ich gegangen (meiner Meinung nach viel zu spät, angeblich wäre der Film danach nicht mehr lange gegangen). Gerade am Freitag war ich wieder auf einem Videoabend von einigen Freunden und es hat sich herausgestellt, dass sie unter anderem auch Hannibal ausgeliehen hatten. Wenn sie es trotz meiner heftigen Proteste gewagt hätten, den Film einzulegen, hätten sie den Rest des Abends ohne mich verbracht.
Ich glaube nicht, dass der Drehbuchautor zum Nachdenken über derartige Gewaltakte anregen wollte. Dass kann man auch ohne Details zu zeigen. Aber er hat mich auf eine andere Art zum Nachdenken gebracht, obwohl dies vermutlich kaum von ihm beabsichtig war. Seitdem suche ich nämlich sorgfältiger aus, welche Filme ich mir wirklich antue.
Letztendlich muss ich allerdings auch noch erwähnen, dass ich alleine nie auf die Idee gekommen wäre, mir den Film anzusehen. Ich wollte nämlich mit zwei Mädels ins Kino gehen und der Film, in den wir eigentlich wollten, war bereits ausverkauft (der Titel fällt mir nicht mehr ein - es war eine Komödie). Und einfach so nach Hause gehen wollten sie auch nicht, weshalb sie auf Hannibal auswichen. Da ich den Abend auch nicht einfach so platzen lassen wollte, bin ich dann mitgegangen. Sie sind übrigens sitzen geblieben, als ich das Kino verließ, obwohl sie einige Tage später lautstark protestierten, wie sehr ihnen der Film missfallen hätte.
 

Paladin

Your average writer
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@Regentau
"American Psycho mußte ich mir nicht antun..das Buch zu überfliegen reichte..ich denk da hat Jemand (der Autor) ganz clever ein Genre ausgenutzt um eine schnelle Mark zumachen"
Ach ja....entschuldige meine Offenheit, liebe Regentau, aber hier zeigt sich mal wieder, dass die breite Masse der Menschen nichts begreift, solange es ihnen nicht vor die Rübe geknallt wird. American Psycho ist, sowohl storytechnisch als auch stylistisch, ein Meisterwerk seiner Zeit, und ihn dieser Form noch nie dagewesen. Lies das Buch ganz, und du wirst merken, dass unter der (ich gebe es zu) abstoßenden und ekelerregenden Brutaltität eine Botschaft verbirgt, die sich auf andere Weise nie in dieser Intensivität hätte zeigen können.


"Ich werde wohl nie begreifen warum *Tanz der Teufel* es geschafft hat derart zum Kultfilm zu mutieren..ich finde ihn einfach nur schlimm....manche Filme sollten einfach nicht gedreht werden..und man muss auch nicht alle Filme gesehen haben..."
Halt, Auszeit! Du beleidigst hier Sam Raimi, ein wahres Genie, der in meiner Liste der besten Regisseure weit über Steven Spielberg steht....also, weit über in dem Sinne, Boden<-->Mount Everest. Du verstehst? Raimi hat es geschafft, mit wenig Mitteln einen Film zu erschaffen, der gleichzeitig eine Atmosphäre versprüht als auch storymäßig überzeugen kann. Gut, jetzt heißt es, die Typen rennen durch den Wald, werden von Bäumen vergewaltigt und mit Bleistiften erdolcht. Na und? Der Film ist nun mal ein Meisterwerk seiner Zeit. Genauso wie American Psycho.
(P.S.: Weiß vielleicht einer 'n guten Player? Der WMP will's net abspielen, The Playa macht nach 1 Minute 41 Sekunden schlapp, Realplay kann plötzlich kein DivX mehr rendern...Dabei hab' ich mir jetzt extra sonstwas gebrochen, um das Filmchen runterzuladen....:rolleyes: )


"ach und noch was ..ist mir gerade eingefallen..sorry....auch ich fühle mich manchmal *beschmutzt* durch Filme oder Bücher....ich war glaube ich 14 als ich Tanz der Teufels sah..und wußte nicht was auf mich zukommt..klar wollte ich den Kick auch haben..der Erfolg war, daß ich ein Jahr lang nur mit Licht schlafen konnte....also...was im Moment oder schon seit längerem stattfindet ist *der verlust der Kindheit*.....in Neil Postmans Buch trefflich beschrieben..oder aber nennt es der Verlust der *Unschuld*....
deswegen nochmal...das Mittelmaß zählt wohl........"

Dann bist du, gelinde gesagt (und voll auf Provokation gehend) zu zart besaitet für generell jeden Horrorfilm.
Damals, Tanz der Teufel - Klar, noch nie dagewesen, noch nie gesehen, Horror at its best. Heute, und auf die Gefahr, mir selber zu widersprechen, kannst du Tanz der Teufel einem 12järigen (Na gut...13) zeigen, und der würde sich seinen Allerwertesten lachen. Heute, im Zeitalter von ILM und CGI und Wasweißichichkannmirdieseblödenabkürzungenehniemerken wirkt der Film eher komisch als brutal.


Kann sein, dass ich das so sehe, weil ich relativ früh mit der Materie in Berührung gekommen bin (Scream FSK18 "ausversehen" mit 11, Blade mit 13, mit 14 und Starship Troopers ging's dann richtig los....).
Kann sein, dass ich somit meine Kindheit verloren habe. Ich bin ziemlich zufrieden, jedenfalls.

So, liebe Regentau, Beschimpfungen, Morddrohungen und Briefbomben bitte an meine Adresse, ich bin's gewohnt, Danke. :rolleyes:<BR>
[Editiert von Paladin am 27-08-2001 um 12:28]
 

Sir Hawk

Schwert - Chirurg
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253
@ Pali:
Dann erklär mir doch bitte mal, WAS an "Tanz der Teufel" sehenswert sein soll!!
(Oder, mach Dir nicht die Mühe! Ich werde es doch nicht nachvollziehen können.)

@Silpion:
Ich habe "Hannibal" gelesen und fand es schon abartig. Wie können Menschen an solch kranken Vorstellungen Gefallen finden??
 

Dicker Lelles

Knuddelbärchen
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Ob man "Tanz der Teufel" für einen brauchbaren oder vollkommen bescheuerten Film hängt, ist einzig und allein davon abhängig, ob man Horrorfilmen etwas abgewinnen kann. Ich hab mir vor ein paar Jahren auch noch diesen Krams reingezogen("Freitag der 13.", "Braindead", "Texas Chainsaw Massacre", ...), das sind zweifelsohne Klassiker, aber nur und ausschliesslich im Horror-Genre!!! Im Vergleich zu manchem populären Mainstreamfilmchen unserer Zeit wirken sie aber denn doch eher harmlos und humoristisch, zumal sich echter Horror im Kopf abspielt und nix, aber auch gar nix mit Zombies, Blut und Gedärmen zu tun hat. So fand ich denn auch "Sieben" oder "Schweigen der Lämmer" sehr viel gruseliger als o.g. Reisser.



Ähnlich verhält es sich mit den jeweiligen Regisseuren. Sam Raimi mag ein Meister seines Faches sein, aber mehr auch nicht! Man kann (und sollte!) diese Filme und ihre Macher nicht mit anderen Werken vergleichen, weil sie auf ein ganz anderes Publikum abzielen, ganz andere Botschaften vermitteln sollen und dazu ganz andere Mittel benutzen.



Ich halte mich für durchaus intelligent genug, zwischen exzessiver Gewaltdarstellung und Gewaltverherrlichung zu unterscheiden. Allerdings keimt in mir so manches mal der Wunsch, dass einige "Botschafter" der Literatur-/Filmgeschichte eine etwas subtilere Art der Darstellung gefunden. Das allseits beliebte Beispiel "American Psycho" ist hier bereits mehrfach angeklungen und nachgerade ein Paradesolches. Ich sehe durchaus die Botschaft, die mit gnadenlosem Zynismus übermittelt wird, und finde dies Machwerk nicht ungelungen, aber ob der werte Autor jeden Schockeffekt bis auf die allerletzten spritzenden Blutstropfen ausschmücken muss, ist durchaus hinterfragenswert.
 

Chinasky

Dirty old man
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@Pali: Hhm. - Naja, die "breite Masse" begreift ja so manches nicht und dann ist es gut, wenn solche "über der breiten Masse" stehenden Fachleute wie Du die wahren Botschaften solcher Filme vermitteln können, welche ja so und in solcher Intensität noch nie dagewesen sein mögen. Könntest Du mir Massemenschen also mal etwas Aufklärung angedeihen lassen? Daß es sich nicht unbedingt um die Kunst der diplomatisch differenzierten Argumentation handeln dürfte, habe ich so ein wenig den Verdacht... ;)

Ich wüßte überhaupt gern mal, welche relevanten Botschaften mit Blut- und Ekelszenen übermittelt werden müssen.
 
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