Wenn ich da an Blade Runner denke, ist die Suche nach dem eigenen Selbst auch nicht unbedingt ein Markenzeichen der späten Neunziger...
*grübel* Aber es ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn ich da an Tyler Durdens Rede in Fight Club denke, spiegelt er ziemlich gut das Lebensgefühl dieser Zeit wieder. Wir haben keine große Depression und keinen großen Krieg, der uns definieren würde. Und diese mitunter verzweifelte Suche nach einem Platz in der Welt hat sich da natürlich auch in den künstlerischen Projekten dieser Zeit geäußert.
"Dieser Zeit", weil sich die ganze Situation nach dem elften September dann entsprechend wieder geändert hat.
Was Planescape halt so besonders gemacht hat, war der interaktive Gedanke dahinter. Man hat nicht nur darüber geredet oder gelesen, was das Wesen eines Menschen ausmacht. Man durfte ausprobieren. Man hat seine eigenen Vorstellungen zu dem Thema eingebracht und dann geschaut, wie die Umwelt darauf reagiert.
Was kann das Wesen eines Menschen ändern?
Liebe?
Reue?
Nichts?
Und Planescape bringt für jede Antwort Argumente. Und als Spieler kann man sich entscheiden, auf welche Seite man sich schlägt, und das ist eben der Unterschied zu beispielsweise Nietzsche: Nietzsche hat die Wahrheit für sich gepachtet. Er verkündet sie zwar wohlwollend, aber seine Grundargumentation ist die gleiche wie bei jedem anderen Philosophen auch: Ich hab kapiert, wie der Hase läuft, und jetzt erklär ich es euch.
Planescape hat keine allgemein gültige Antwort, sondern es ist am Spieler, seine Wahrheit zu der Frage zu finden. Das ist das, was man in Ravels Garten herausfindet, wenn sie einem die spielübergreifende Frage stellt. Was kann das Wesen eines Menschen ändern? Und egal, was man antwortet, sie ist zufrieden. Sie erkennt die Antwort als richtig an, selbst wenn irgendeine arme Sau zuvor die gleiche Antwort gegeben und dafür von ihr versteinert wurde. Denn Ravel will nicht die reine, unverfälschte und universal gültige Wahrheit, und wie könnte man die bei so einer Frage auch benennen. Sie will die Antwort des Namenlosen, also, per proxy, die des Spielers.
Und das ist das, was man dem Spiel einfach anrechnen muss, und was man meiner Meinung nach auch nur mit dem Medium des PC-Spiels hinkriegt: Es verkündet keine These und verlangt dann, dass man diese These nachvollzieht, sondern es fragt den Spieler nach seiner.
Und dagegen kommt Nietzsche, aufgrund medialer Umstände, nicht an. Wobei ich glaube, dass er die Figur des Namenlosen gemocht hätte, übermenschlich gesprochen