@Verno: Dann fang am besten wirklich mit "Snow Crash" an, oder wenigstens mit "Diamond Age". Es gibt diverse Leute, denen Stephensons spätere Bücher (ab Cryptonomicon) nicht mehr so gefallen, weil sie halt doch ziemlich dick und auch komplex sind. Er ist einer von den Autoren, die sich immer dann, wenn sie sich entscheiden müssen, ob sie eher es dem Leser leicht machen oder konsequent ihren Ideen folgen sollen, für die Ideen und gegen den Leser entscheiden. Das läßt sich an der Sprache fest machen (da kommen auch mal etwas unbekanntere Begriffe vor, ohne lang und breit erklärt zu werden), das läßt sich daran fest machen, daß Dinge selten zweimal erwähnt werden. Wenn man also über manche Passagen drüberhuscht, kapiert man später eventuell nicht, worum's grad geht. Beziehungsweise werden Figuren, die am Anfang des Buches vorkommen, um dann erstmal eine Weile aus dem Blickfeld zu verschwinden, später nicht unbedingt nochmal kurz neu eingeführt (gleiches gilt für Geschehnisse). Das hört sich jetzt vielleicht erstmal an, als sei es selbstverständlich, wozu auch Sachen doppelt und dreifach erzählen? Die meisten Autoren von "dicken Wälzern" haben dennoch so ein bißchen Redundanz in ihren Romanen, was man manchmal merkt, wenn man so einen Schinken in einem Schwung durchliest und sich also noch genau an die Stellen weiter vorn erinnern kann, wo doch praktisch das Gleiche schon mal geschrieben wurde. Stephenson macht das meiner Leseerfahrung nach nicht. Und das, obwohl in seinen Büchern, gerade auch den späteren, wirklich ein Haufen Figuren und Fakten vorkommen. Beim Cryptonomicon fängt das schon an, im Barock-Zyklus wird's dann schon fast extrem (weil er auch recht ansatzlos die Erzählperspektiven wechselt). Wenn man ausgeruht ist und frisch am Lesen, dann fühlt man sich als Leser durch so einen Stil - das ist jedenfalls mein Empfinden - gleichsam geehrt: ah, der Autor traut mir zu, mitzudenken und aufzupassen und erklärt mir nicht jedes viersilbige Wort nochmal extra! Aber wenn man z.B. nur morgens in der Bahn zwanzig Minuten Zeit zum Lesen hat, dann ist man eventuell eher genervt, daß sich das Buch nicht etwas "lockerer wegliest".
"Snow Crash" liest sich sehr locker weg, es ist noch eher so eine Art "William Gibson"-Verschnitt (das ist der, der den Begriff "Cyberpunk" in den 80ern geprägt hat, von ihm sind die Kultklassiker "New Romancer", "Mona Lisa Overdrive" oder "Biochips") und stilistisch noch voll 20. Jahrhundert. Das bedeutet freilich auch: heute schon etwas von der Wirklichkeit überholt. Aber es ist ein sehr rasantes Buch und wenn man sich mit ein paar Manierismen abgefunden hat, was die gewollt coole Sprache angeht, ist's sauspannend und actionreich.
Noch besser gefiel mit persönlich "Diamond Age". Ich hab hier im Forum irgendwann mal eine Rezension geschrieben, glaube ich mich zu erinnern. Das ist auch ein Science Fiction, der aber letztlich eher eine Art Erziehungsroman ist: Ein kleines Mädchen aus der Unterschicht gerät durch Zufall an eine ganz besondere Art von Lehrer, der ihm die Welt, insbesondere das Computerprogrammieren, durch das Erzählen von Märchen näherbringt... Mehr will ich nicht spoilern, aber es ist eben schon eine Abkehr Stephensons vom "üblichen" Cyberpunkt-Genre hin zu einer Art Gelehrsamkeits-Roman. Nur daß es eben nach wie vor auch eine spannende Story zu bieten hat...
Cryptonomicon ist dann schon echter 100%-Stephenson. Ich hab mir den Band damals gekauft, als ich vor hatte, länger ins Ausland zu verreisen. Und da gab's auf 'nem Grabbeltisch für Mängelexemplare dieses Buch für 5 Euro, was ein unschlagbares Preis-Inhalts-Argument war: Dicker Schinken, dünnes, eng bedrucktes Papier...
Ich glaub, ich hätte das nicht durchgelesen, wenn ich andere deutschsprachige, leichter zugängliche Bücher daneben gehabt hätte. Aber es war das einzige Buch, daß ich mitnahm in den Urlaub und es gab da halt nix anderes und somit war ich gezwungen... Hat sich dann gelohnt. Aber ich wollte Dich nur vorgewarnt haben: im Vergleich dazu sind die Eis&Feuer-Bücher leichte Kost!