Tja Familie...was mich angeht, ist der Teil der Menschheit, den ich noch Familie nenne, zahlenmäßig stark eingegrenzt - genau gesagt, auf eine Person.
Meine Erinnerungen an die klassische Familie, also meine Kindheitserinnerungen, sind sehr gemischt. Eigentlich nach heutigen Verhältnissen schon fast eine Großfamilie - ich habe zwei Geschwister, man war also zu fünft.
Was ich sagen will, sicher, da gab es diese Momente der Geborgenheit und Wärme, die man außerhalb der klassischen Familie kaum findet. Aber das verfiel schnell, und verwandelte sich zunehmend in eine Quelle von Sorgen, Nöten und Belastungen. Vieles von dem, das mir als Kind als heile Welt erschien, sehe ich mit meinen jetzigen Kenntnissen und Erfahrungen in der Rückschau ganz anders. Vieles von dem, das nicht in Ordnung war, habe ich erst spät erfahren und erkannt.
Immer mehr habe ich also festgestellt, dass diejenigen, zu denen ich die engste Bindung haben sollte, Dinge taten, die ich nicht mochte. Schlimmer - ich mochte diese Menschen nicht. Und ich habe festgestellt, dass es mir um so besser ging, je mehr ich in die Unabhängigkeit hineingewachsen bin, und mein Leben selbst in den Griff bekommen habe. Einige sind tot, zu anderen Teilen dieser Familie habe ich keinen Kontakt mehr, und bei den Teilen, zu denen ich mich bemühe den Kontakt zu halten, muss ich mir traurigerweise einfach eingestehen, dass wir wirklich nur ein paar Gene gemeinsam haben - und sonst mühelos von anderen Sternen stammen könnten. Der Spruch, dass Blut dicker ist als Wasser, hat sich also bei mir nicht bewahrheitet.
Was ich vermisse, ist daher nicht die Familie, die ich mal hatte, sondern gewissermaßen abstrakt die Familie, die ich mir gewünscht hätte. Jemand, der unbedingt zu einem steht, einen aufgrund seiner langjährigen Kenntnis und der Tatsache, dass man zusammen aufgewachsen ist, absolut versteht und jederzeit einen Rückhalt bietet.
Ich stehe eher auf dem Standpunkt, dass Freunde die Verwandten sind, die man sich aussucht, um einen anderen Gemeinplatz zu bemühen. Kurz gesagt, Familie kann etwas wunderbares sein, muss es aber nicht. Ich denke, man sollte allmählich andere Formen menschlichen Zusammenlebens genau so akzeptieren, zulassen und fördern, ohne in dieser starren Kategorie der klassischen Familie haften zu bleiben.