[Schreibwettbewerb - Runde II] Timestop / Kraven

Wer hat die bessere Geschichte geschrieben?

  • Timestop

    Stimmen: 10 52,6%
  • Kraven

    Stimmen: 9 47,4%

  • Umfrageteilnehmer
    19
  • Umfrage geschlossen .

Enigma

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Enigma

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Timestop

Gespräche zwischen Künstlern und ihren Mäzen sind of schwierig, so auch hier.
“Also, nochmal. Du hast Wachschutz für die Tourkarawane angeheuert und er besteht aus diesem Opa da? Ich glaub Menschen sind in dem Alter normalerweise einige Zoll unter der Erde. Der fällt ja schon auseinander. Komm mir gegen den geradezu wieder jung vor.”
“Ganz ruhig Tork, ich hab den Alten für umsonst bekommen, der ist glaub ich nen Fan von dir. Und nen eigenes Pferd hat er auch. Scheint einer von diesen Hui-Fui Kampfkünstlern aus dem Osten zu sein.”
“Wie diese Mönche?” Bei dem Gedanken bekam Tork Kopfschmerzen, vielleicht lag es aber auch am Fusel vom Vorabend, und musste sich erstmal an einen der Wagen lehnen. Von den Mädels und Jungs aus Klöstern mit ihrer Ruhe Sanft Philosophie hatte er erstmal genug.
“Ach, was solls, ist ja nicht so dass ein Killerkommando hinter uns her ist oder Werwölfe und Zombies auf dem Weg lauern.”
“Sauber. Ich hab ne Super Show für eure Tournee aufgebaut. Und wenn mein Star glücklich ist, bin ich es auch.”
“Und wenn ich genug Kohle zusammen hab, bin ich so glücklich, dass ich gleich verschwinde.”, dachte Tork. Er bereute es zum hundertsten Mal irgendein Stück Papier unterkritzelt zu haben, welches ihn zwang mit einem Haufen gröhlender, untalentierter Musiker und Pyromanen in einer frühen Midlifecrisis oder spätmonetären Phase durch die Gegend zu reisen, um in kleinen Orten eine große Musikschau auf einer Bühne zu bieten, die “ihm ne Menge Gold” bringen würde. So zumindest versprach es der Organisator des ganzen, Biff.
Solange dieser ihn gut bezahlte, war es ihm auch egal wie viele Bauern sich vor die Bühne stellten, die Schau aus Zauberei und Musik bejubelten und dafür ihr weniges Gold rauswarfen. Der Orkbarde grunzte. Der Alkohol war ihm ausgegangen und das nächste Dorf erreichten sie erst morgen. Eine Drecksnacht.
“Ich mag deine Musik wirklich.” Tork drehte sich um. Er war sich sicher gewesen, dass der Alte, der ihn gerade freundlich angesprochen hatte, eben noch ein Stück weiter weg gewesen war. Vor allem aber hatte er kaum etwas verstanden. Er wusste nicht ob es am feucht vorgetragenen Nuscheln lag oder an dem ausländischen Akzent. “Was?”, fragte er nach. “Deine Musik. Gefällt mir. Erinnert mich an die Schlachtgesänge der Sukkubus beim Hinterhalt am langen Finger.” Der Alte brabbelte los, über die Schlacht oder Orgie, aber spätestens hier hatte er Tork wieder verloren, der nur nickte, sich aber daran machte sein Instrument zu stimmen. Plötzlich blinzelte der Orkbarde. Ein Geruch stieg ihm in die Nase, mit angenehmen Aroma. Nein, mehr, ein außergewöhnlicher, alles überlagernder Duft, der seine Sinne reizte. Während der runzlige Fremde weiterplauderte, hatte er sich gleichzeitig eine Zigarette gerollt, angezündet und der Rauch stieg nun verführerisch in Torks Richtung. Manch einer hätte es als Gestank interpretiert, aber für Torks Nase war es der Vorbote von etwas großartigem.
“Äh, sag mal, Kumpel, hast du noch so eine?”, fragte Tork. Der Alte unterbrach sich überrascht, brauchte eine Zeit um Torks richtungsweisenden Finger zu folgen, seine Zigarette anzustarren und dann mit einem Nicken und Lächeln ein Stück Papier und Kraut herüberzureichen. Während der Fremde weiterplapperte, fuhr Tork mit der Nase langsam über das auf dem Papier verteilte Kraut und sog den Geruch genießerisch ein. Er behauptete nicht von sich ein echter Experte darin zu sein, aber dieses Zeug war unglaublich. Er wickelte das Kraut in das Papier ein, betastete vorfreudig zitternd die unebene Form und zündete es dann vorsichtig an einer Fackel an.

Mit einer langsamen Bewegung führte er das Werk zum Mund und zog. Eine neue orale und geistige Erfahrung erwartete ihn. Keine üblen Nebenwirkungen für Lunge oder Magen, wie gelegentlich bei normalen Tabak. Es explodierte nicht in seinem Mund und Kehle wie wenn er sang, es war keine inbrünstige, laute Verzückung, es war einfach überwältigende Ruhe, Kraft und das Wissen um die Einheit mit dem Multiversum, das ihn mit einem Mal überkam. Das Zeug war besser als alles was er kannte, es war von Göttern gemacht. Oder Dämonen, scheiß drauf. Seine Lunge füllte sich und begann wie seine Augen zu brennen. Aber er war selbst Feuer, Hitze, Glut der Erde. Elementar. Ein ruhiger Magmastrom. Er liess den Rauch sanft wieder aufsteigen. Ein perfekter Moment.
“Woher hast du das Zeug?”, fragte er völlig entspannt. “Hä?”, der Alte starrte ihn verwirrt an. “Den Tabak. Woher hast du den?”, er zeigte auf die Zigarette. “Oh. Den hab ich aus der Heimat. Hab einen ganzen Sack davon mitgenommen als wir Piraten überfallen haben.” Er erzählte von Piraten, denen sie die Ladung abgenommen hatten. Eine gute Geschichte, eine fantastische Geschichte. Auch wenn er die Details nicht mitbekam. Dieses Kraut war eine bessere Belohnung für Zunge, Mund und Hirn als Höhlenerforschung bei einer Zwergin.
“Wieviel hast du davon noch?”, fragte er den alten Meister. “Einen Beutel. Aber ich tu etwas schwarzen Lotus dazu, dann hält es noch etwas länger.” “Eine gute Idee, tolle Idee.”, grinste Tork glücklich. Dann überlegte er. “Wo bekommst du den schwarzen Lotus her?” “Hab ich gefunden.” Ein weiterer Zug und diese Antwort reichte Tork vollkommen. Es war eine wundervolle Nacht und er hatte schon eine einmalige Idee für ein Lied.


Ziva graste mit den anderen Pferden abseits der Karawane und genoss den warmen Tag. Die meisten Pferde waren Zugpferde, für die Wagen, kräftige Ackergäule darunter. Einem schwarzen Hengst, der sich vermutlich als Leittier sah, hatte sie mehrfach sein aggressives Paarungsverhalten ausreden müssen, denn sie war nicht in der Stimmung. Er hatte aber erst nach einem Tritt gegen die Lunge aufgegeben. Und da war noch ein weiterer, dürrer Klepper, der sich an sie heranwagte. Zuerst glaubte Ziva er wollte sie auch begatten, bevor sie bemerkte, dass er scheinbar nur Schutz suchte, da er von den anderen gehänselt wurde. Da er ihr irgendwie leid tat, liess sie ihn neben sich stehen und traurig gucken. Sie glaubte, dass er Hansi gerufen wurde.

Die angespannt friedliche Atmosphäre wurde von 3 Arbeitern der Karawane unterbrochen, die sich zu ihnen gesellten. Ziva unterschied Humanoide nach Gerüchen, aber vor allem äusserlichen Merkmalen. Diese drei nannte sie Rothaar, schiefe Nase und Bärtchen.

Rothaar schaute sich um, dann sprach er leise. “Ok, es ist dieses alte Schlitzauge. Der hat das Zeug.” “Bist du sicher?”, fragte Bärtchen. “Wieviele von denen laufen wohl herum, hä? Und ausserdem hab ich gesehen wie er mit dem Ork nen Teil von dem Stoff geraucht hat.” “Man kann das rauchen? Ist der Typ bekloppt?”, schnarrte schiefe Nase, der ein ziemlich roher, großer Kerl war. “Wie auch immer, wir müssen es uns wiederholen. Ideen?” “Ich bin immer noch dafür wir sagen dem Boss Bescheid...”, versuchte es der kleine Bärtchen, wurde aber von Rothaar am Kragen gepackt. “Ok, du Penner, ich erklärs dir noch einmal ganz deutlich. Wenn wir zu ihm gehen und sagen “Tut uns leid, wir haben das Päckchen schwarzen Lotus verloren, das hat jetzt so ein ausländischer Opa, der schon nen Teil weggeschnieft hat.”, dann legt der uns als erstes Steine in den Magen und schickt uns in den Hafen zum schwimmen.” Er liess Bärtchen wieder los. “Nein, wir machen das allein und zwar schnell. Vielleicht können wir mit dem Rest noch soviel Geld machen, dass er uns nicht killt. Es ist nur ein alter Mann.” Schiefe Nase tippte gegen sein Riechorgan. “Siehst du das? Das kommt von so einem Typen. Ein alter Mönch aus Kara-Tur. Wir sollten den mit 5 Mann erledigen. Der hatte keine Waffe, grinste dumm und am Ende waren nur nen Kumpel und ich übrig. Und dem hat er den linken Arm abgerissen.” “Bernd, der einarmige Bandit?”, fragte Bärtchen entsetzt. “Genau der. Die werden den Alten nicht umsonst als einzige Karawanenwache haben.” “Scheisse. Wie machen wir es dann?” Rothaar strich sich verzweifelt durch den Schopf. “Einfach klauen, wenn er es mal weglegt?”, warf Bärtchen ein. “Der hatte das bis jetzt immer am Körper. Wenn nur einer von uns nur einen Hauch von Talent für Taschendiebstahl hätte.” Er schüttelte den Kopf. “Du hast doch mal Assassinentraining in der Gilde gemacht. Kannst du das nicht? Oder ihn nachts heimlich mit Gift abmurksen?”, wandte er sich an schiefe Nase. “Wo soll ich denn sowas herbekommen? Ausserdem hat es seinen Grund, dass die mich rausgeschmissen haben.”, brummte der. “Leute, Leute!”, wisperte Bärtchen ängstlich. “Er kommt.”
Tatsächlich kam der Alte auf sie zumarschiert. Hinter ihm kam der Orkbarde aus seinem Wagen, nackt wie sein Gott ihn schuf, streckte seine Glieder und lief dann mit Gebrüll zum nächsten Teich, an ihnen vorbei, um sich hineinzuwerfen. Der Alte hatte sie inzwischen erreicht, begrüßte sie freundlich und tätschelte Ziva.
Die drei murmelten etwas und gingen dann zurück zur restlichen Truppe. “Ein schöner Tag, nicht wahr?”, sagte der Alte, während er begann Ziva zu striegeln. Ziva hatte das Gefühl ihm etwas sagen zu müssen, wusste aber nicht was. Oder wie. Hansi guckte sie beide traurig an.

Die Bühne war in völliges Dunkel gehüllt. Spannung durchkroch alle freiwillig Anwesenden, Erwartung und fiebrige Vorfreude. Dann explodierten auf der Bühne Feuersalven und der Barde stand auf der Bühnenmitte wie ein Orkgott, mit erhobenen Armen und seine martialische Axtgitarre in die Höhe gestemmt. Er brüllte einmal und schon fielen die ersten Frauen im Publikum schreiend in Ohnmacht und die männlichen Dorfbewohner schüttelten ihr langes Haar und sprangen auf und ab.
Tork holte langsam aus, schlug mit geschlossenen Augen kraftvoll in die Saiten und bei jedem Ton brannten weitere Feuergarben ab, deren Funken ihn umtanzten. Diesen Rhytmus wiederholte er schneller und schneller, bis die Menge sich immer mehr zu einem wilden Strudel der akustischen Lust transformierte. Dann liess er seine Stimme sprechen. Oder zumindest seine Stimmbänder Laute von sich geben. Die Nacht verging in der gemeinsamen Vereinigung von Sänger und Hörern.


“Bei den schwarzen Teufeln des Metalls.....ich verrecke.”, gurgelte Tork und wankte. Er spürte das Blut aus seinem Hals fliessen. Er würde nie wieder singen können. Nicht mehr sprechen. Er würde sterben. Aber es tat nicht weh. “Was redest du da? Ich hab ihn.” Vor ihm stand ein kräftiges, dürres Menschenweib und hielt einen Bolzen in der Hand am ausgestreckten Arm, der in seine Richtung zeigte. Er befühlte seinen Hals und bemerkte das alles in Ordnung war. Faltige, grüne Haut. Die Frau lächelte, dann wurden ihre Augen glasig und sie stürzte zu Boden. Ein Bolzen ragte aus ihrem Rücken. “Verflucht!”, schrie Tork, als ihn eine Welle von Bolzen traf, rudernd fiel er Rückwärts und stürzte, stürzte auf etwas weiches. Auf eine Ansammlung von Händen die ihn trug. Hände seiner bewundernden Fans. Beruhigt schwamm er in dieser Masse, bis er das ziehen und zerren bemerkte, das kratzen und beissen. Wie Zähne, Nägel, Krallen an ihm hingen, an Haaren, Haut, an seinem besten Stück. Schreiend ging er in der Menge unter.

Schreiend setzte Tork sich auf und schlug die Hände von sich, die nach ihm griffen. Stiess die Frau weg die sich an seiner Hose zu schaffen machte. Schweissgebadet sah er sich um. Ein enger Raum, sein Wagen, sein Bett. Auf weichen Kissen gebettet saß er halb ausgezogen, drei nackte Bauerntöchter in seiner Nähe starrten ihn verwirrt an. “Raus.”, krächzte er. “Raus!” Alle 3 sprangen geschockt auf und rannten weg. Als die letzte gerade aus dem Wagen springen wollte, rief er ihr nach. Hoffnungsvoll schaute sie noch einmal zur Tür hinein. “Schick mir ... diesen alten...alten....dieses Schlitzauge her.” Sie verschwand enttäuscht.
Er lehnte sich zurück. Verfluchte Träume. Wieso konnten sie ihn nicht in Ruhe lassen? Was waren das für seltsame Horrorerlebnisse und wer war diese Frau die dort immer wieder auftauchte? Wieso plagten ihn Furcht, Schuld und Todesängste? Und Kopfschmerzen.

“Du wolltest mich sehen, Musikmeister?” Tork fragte sich erneut wie der Alte so schnell und lautlos vor einem auftauchen konnte. Musste was mit diesem Hui-Fui zu tun haben.
“Ja, Kumpel, hast du noch was von dem Dreck?” Er hätte sich gleich denken können, dass dies die sprachlichen Kenntnisse oder das Gehör seines Gegenübers überfordern würde, der ihn fragend anblickte. “Dem Tabak.” “Oh, ja.” Der Alte nestelte an seinen Taschen herum, gab ihm etwas ab und drehten sich selbst eines der göttlichen Stäbchen. “Sag mal, du bist doch bestimmt ordentlich rumgekommen. Stell dir mal vor, du hättest Träume von Sachen, von denen du glaubst dass sie dir passiert sind. Im Traum weißt du genau worum es geht, aber sobald du aufwachst ist alles weg.” “Hm.” Der Alte blickte ins Nichts, während er seine Zigarette zu Ende drehte. Nach einer langen Pause, in der Tork schon fürchtete er hätte ihn nicht verstanden oder einen Schlaganfall erlitten, antwortete er langsam: “Ich kannte mal ein paar Mönche, die glaubten, dass man durch Träume auch die Echos von Geschichten aus einer anderen, parallelen Dimension, so wie etwas hätte sein können, wenn man sich zu bestimmten Zeitpunkten anders entschieden hätte, erlebt.” “Abgefahren. Sowas wie: Wäre ich der einen Frau damals aus der Kneipe gefolgt, wäre ich auch getötet worden?” “Oder du hättest sie gerettet.”, nickte der Alte. Tork wusste nicht ob es an dem Krautmischung lag, aber er fand die Idee faszinierend. “Ein “Was wäre wenn?”. Scheisse man, da bin ich echt froh wie es bis jetzt gelaufen ist.” Er bedauerte nicht mal mehr, dass er die drei Hühner weggeschickt hatte. Es würden Neue kommen. Momentan lief eigentlich alles bestens und die Welt war sowieso ein goldener Scheißhaufen. Und er roch nach Tabak. “Erzähl mal, wo kommst du eigentlich her? Bist du einer dieser Kensai aus Kara-Tur, ein Leben dem Schwert gewidmet, ohne Sex, aber dafür zehntausend Leuten die Hoden abgeschnitten, die dir auf den Sack gingen?” Er lauschte entspannt den Worten seines Gastes, als dieser zu erzählen begann.

Hansi hustete traurig. Ziva gefiel das gar nicht, vor allem da sie sich nicht anstecken wollte, den armen Tropf aber auch nicht vor den Kopf stoßen. So war sie froh, als es am Mittag mit dem alten Mann voraus ging um die Wege zu inspizieren, bevor sie das Dorf verliessen, das Opfer des “Größten Metalbarden seit Elfengedenken - Tork” geworden war.
Sie genoss die Bewegung, ihr Reiter die herrliche, exotische Aussicht. Passieren tat jedoch nichts. Vielleicht war die Räuberbranche aufgrund von Ausbildungsproblemen gerade in einer Krise oder wegen Kopfjägern, die ihre Spitzenkräfte aus dem Spiel nahmen, oder eifrige Heldentruppen hatten marodierende Ork- und Goblingruppen bis zum letzten Monster ausgeräuchert. Es war ein heller, schöner, sonniger Tag und die Karawane zog weiter.
Sie liessen sich zu den hinter ihnen her rollenden Wagen zurückfallen. “Ziva, ich bewundere die Natur deiner Heimat immer wieder. Der Namen des Baums da ist mir z.B. nicht bekannt. Kennst du ihn?” Ziva kannte den Namen tatsächlich und fand ihn schmackhaft, antwortete aber trotzdem nicht. “Diesen dort haben wir auch daheim bei mir, im Kaiserreich. Ein Meister ließ mich einmal 5 Sonnenläufe unter einem meditieren, ohne dass ich seine Früchte ergreifen durfte. Ich erlangte Ruhe und Kraft. Als er wiederkam erläuterte er mir, dass man den Pfad der Erleuchtung nicht durch Träumen und Warten sondern durch Wachsamkeit und Aktion erlangt. Mit der Ruhe war es dann vorbei, aber die Kraft hat mir vermutlich geholfen um ihm den Kopf zu zerbeulen. Hehe. Warte nicht auf mich.” Mit einem plötzlichen Satz von ihrem Rücken war er an die Tür eines der vorbeifahrenden Wagens gelangt und schlüpfte hinein.
Ziva hörte ein Husten. Der nächste Wagen wurde unter anderem von Hansi gezogen, dem Rotz und Tränen aus Nase und Augen liefen, während er sich keuchend nach vorne zog. Es hätte sie nicht gewundert, wenn es ein paar organisierte Fliegen gelungen wäre ihn umzustoßen. Sie ließ sich weiter zurückfallen. Weiter, bis an das Ende der Karawane. Auf einer Plattform am Ende des letzten Wagens saßen drei Arbeiter. Rothaar, schiefe Nase und Bärtchen. Sie blieb in ihrer Nähe.
Rotschopf atmete tief durch. “Wir versuchen es heute nacht. Sonst sind wir eh tot. Ich kenne da so eine Schnalle, Valen, die meinte wenn ich sie bräuchte, müsste ich sie nur am Friedhof treffen. Die kennt jemanden, der uns helfen könnte das Zeug loszuwerden. Vielleicht kriegen wir mit deren Hilfe noch fix genug Geld zusammen.”
“Wie machen wir es also?”, fragte ihn schiefe Nase. “Wir warten einfach, bis er sich mit dem Ork wie immer was reingezogen hat...” Bärtchen biss sich dabei in die Faust. “Von unserem schönen Zeug.” “...und dann, wenn die beiden in einer bessern Welt schweben, stürmen wir rein, machen sie fertig und hauen wieder ab. Wir schnappen uns ein paar Pferde, so wie das da und dann so schnell es geht nach Hause.” Er zeigte auf Ziva. “Du... Ich glaube, das Vieh starrt uns an.”, meinte schiefe Nase. “Na und?” “Als ob es uns belauschen würde.” Rothaar verdrehte die Augen. “Es ist ein Pferd, man.” “Vielleicht so ein...gestaltwandelnder Druide der Harfner.” “Ja, die haben bestimmt nichts bessere zu tun.” Bärtchen starrte Ziva verträumt an. “Es ist ein sehr schönes Pferd. Ich kenn mich aus, früher hab ich bei Oma und Opa auf der Farm gearbeitet. Oma hat tollen Kartoffelbrei gemacht.” Er bemerkte die Seitenblicke und fuhr hastig fort. “D-Die hatten auch Pferde, aber keine so tollen, das ist bestimmt viel wert.” “Achso?”, schiefe Nase kratzte sich am Kinn und grinste böse. “Ich würds ja eher essen, aber hast schon recht, der Gaul sieht gut aus.” “Es ist eine Stute.” “Das ist mir ehrlich Wurst. Wo wir dabei sind, ich hau mir noch eine rein, von dem Pferd das gestern verreckt ist. Nochmal richtig zuschlagen, damit ich nachher fester zuschlagen kann.”
Wolken zogen sich über dem Himmel zusammen. Es begann zu nieseln.


Es regnete. Es regnete heftig und der Boden war vollkommen aufgeweicht davon. “Tork, hier! Zieh uns rauf!” Tork torkelte auf den Rand der Klippe zu. “Ich kann uns nicht mehr lange halten.” Er schaute hinunter, wo die Frau hing, die gerufen hatte. Mit einer Hand einen Mann unter sich haltend, mit der anderen den Sturz hinunter in die schwindelnde Tiefe verhindernd. Fast wurde ihm selbst schwindelig. “Mach schon, verdammt.” Tork griff zu und hielt die Hand eisern fest. “Lass nicht los”, beschwor sie ihn. “Lass .. nicht.. los!” Er begann die Schmerzen in der Hand und auch im Handgelenk zu fühlen, die immer mehr zunahmen. Er merkte, dass er abrutschte. Der nasse, vom Regen durchweichte Abhang begann wegzurutschen und Tork mit ihm. Er versuchte sich festzukrallen, zurückzurobben, aber er rutschte immer weiter und weiter...Sie stürzten. “Bei den Göttern. LASS NICHT LOS!”
Tork schlug die Augen auf. Er hielt das zitternde rechte Handgelenk eines rothaarigen Menschen fest, dessen Augen vor Anstrengung und Angst hervorquollen und der in dieser Hand ein Messer hielt, das auf ihn gerichtet war. Dessen linke Hand wiederum hielt Torks Handgelenk umklammert und versuchte Torks Griff um seine Messerhand zu lösen. Aus dem Augenwinkel erkannte er links einen großen Kerl, mit einem Knüppel in der Hand über dem am Boden liegenden Alten stehend, der sich nicht mehr bewegte. Aufschreiend packte Tork seine vom Kriegsdienst befreite Gitarre mit der freien Hand und führte sie noch einmal ihrer Bestimmung zu. Mit Wucht hämmerte er die Instrumentalisierung seiner Musik in den Schädel seines Gegenübers. Und dann nochmal. Und mit beiden Händen am Griff. Und nochmal. “Raaaagh!” Draussen klopfte etwas vehement gegen den Wagen. Der Riese mit der gebrochenen Nase stand weiter starr mit verzerrtem Gesicht über seinem Opfer und glotzte den wütenden Ork an.
“Ich hab es!”, rief ein kleiner Typ, der sich an den Taschen des Alten zu schaffen gemacht hatte, und rannte raus. Der Große schüttelte den Kopf und folgte ihm dann.

Es regnete jetzt schon seit Stunden und gelegentliche Blitze erhellten die Nacht, begleitet von lautem Donnern. Ziva stand mit einigen Pferden vor dem Wagen und trat noch einmal gegen die Tür. Sie hatte kein gutes Gefühl. Endlich flog die Tür auf, Bärtchen und schiefe Nase rauschten mit erhobenem Knüppel heraus. Sie schauten kurz überrascht, dann stürmten sie auf die Herde zu. Schiefe Nase wollte auf Ziva springen, doch sie stieß ihn um, so dass er sein Knüppel fallen liess. “Du dreckiges Biest. Ich schlitz dich auf!”, zischte dieser und packte ein Messer. Da traf ihn ein Tritt von der Seite und warf ihn erneut zu Boden. Es war der Leithengst. Wütend versuchte der Mann nun auf diesen zuzuspringen und mit dem Messer zu treffen, da trat ihm Ziva in sein Kreuz. Dann bekam er einen Tritt gegen den Kopf. Wieder auf den Rücken. Kopf. Kopf und Beine. Zufällig synchronisiert mit alles erhellenden Blitzen. Die beiden Pferde trampelten ihn unter den Donnerlauten des Himmels auf der Stelle nieder. Als sie es beendet hatten, kam ein hustendes, jämmerliches Wiehern von rechts. Dort lag Hansi auf der Seite und konnte sich nicht mehr bewegen. Unter ihm lag stöhnenden Bärtchen gefangen und rief nach seinen Großeltern. Menschen stürmten herbei. Ziva schaute den schwarzen, kräftigen Hengst, wie er da im Regen stand, schwer atmete und das Wasser von ihm heruntertropfte, an. Dann hustete dieser.

Tork lag auf seinem Bett und dachte über sein beschissenes Leben nach. Warum musste er in solche Geschichten geraten?
Die Tür ging auf und jemand trat ein. “Biff konnte nicht kommen, ich bin sein Ersatzmann. Äh, Tork, ist mir eine Ehre und so. Alles klar? Also, wegen der Sache schicken die einen Paladin her, der das untersuchen soll und den einen Typen in die Stadt mitnehmen. Sollte kein Problem sein, Notwehr gegen Diebe und so.”
“Wie gehts dem Alten?”, fragte Tork, während er sein Instrument weiter säuberte. “Tja, der ist weg. Ich hab ihm gesagt, dass die Miliz das nicht gut finden würde und so, aber er ist einfach verschwunden. Wir suchen aber schon Ersatz.”
“Der hat doch mächtig eins auf seinen verwitterten Schädel bekommen?”, warf Tork verwundert ein. “Es schien ihm wieder blendend zu gehen, soweit ich das beurteilen kann. Er ist weggeritten und sagte ich sollte dir das hier überreichen. Er meinte noch so was wie “Für den wahren König.” oder so, ganz hab ichs nicht verstanden.” Er warf Tork einen Beutel zu. Der erkannte es sofort. “Ha, guter Mann.”
“Ähm, ja, wegen dem Konzert heute abend, ich muss noch einiges vorbereiten. Biff sagt dir dann sicher Bescheid wenn er wieder zurück ist und so. Achja...ein paar Pferde sind krank geworden, die müssen wir ersetzen und Biff meint das... würden wir von deinem Anteil abziehen, aber ist nicht so schlimm viel und so...” Er schluckte und verschwand dann langsam rückwärts gehend.
Tork seufzte und drehte sich ein Wunderstäbchen. Mit dem ersten Zug wurde ihm klar, dass alles gar nicht so schlecht war. Seine Welt umfasste die Sterne, ein Leben zwischen Wahnsinn und Ekstase. Er zog an dem Glimmstengel, so dass die Glut sich an dem Papier entlangfraß.
Besser abzubrennen als langsam zu verwehen.

Epilog

Der Alte Schwertmeister ritt mal wieder in den Sonnenuntergang. Auch zu diesem Ende kannte er einige Geschichten. Aber momentan machte ihm, neben seinen Kopfschmerzen, eher Sorge, dass Ziva seltsame Hustenlaute von sich gab. Er hoffte, dass es nichts ernstes war. Vermutlich sollten sie bald mal einen Heiler oder ähnliches aufsuchen.


Es klopfte an der Tür. Ein junger Mensch stürmte dynamisch herein. “Tork! Auftritt in wenigen Minuten.” Tork erhob sich langsam vom Bett und schaute ihn angestrengt an. “Ich bin doch gerade erst... Ist es schon so spät?” “Ja!” Der Junge winkte ihm eilig zu. “Ich komme schon.”, grummelte der Barde. “Verpisste Rotznase.”, murmelte er leiser vor sich hin. Er packte seine Gitarre und suchte seine Lederjacke. “Wie heisst du eigentlich?”, fragte er den Jungen beiläufig. “Chad. Mach dich hin.”, trieb dieser ihn an. Tork taumelte los, bereit für eine weitere Show.
 

Enigma

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Kraven

Dunkle Träume – Helle Tage
Oder: Eine Abhandlung über Realität und Erinnerung, unter Einberufung auf den durch Johann Wolfgang von Goethe geprägten Gegensatz „Dichtung und Wahrheit.“ Ein besonderes Augenmerk wird hierbei gelegt auf die wandelnde narrative- hey. Hey! Gib mir das Skript zurück, ich versuch, hier eine Geschichte zu- leg die Axt weg! Hörst du, leg sie

*Störgeräusche*

*Stille*


Wimps and Posers, leave the hall!

Großvater, erzähl mir eine Geschichte!“
„In Ordnung“, seufzte der alte Mann und richtete sich mühsam in seinem knarzenden Schaukelstuhl auf.
„Geh und hol dein Märchenbuch.“
„Nein, nein.“ Mit einer entschlossen vorgeschobenen Unterlippe schüttelte das kleine Mädchen den Kopf.
„Kein Märchen. Eine echte Geschichte.“
„Eine echte Geschichte?“
Mit einem amüsierten Lächeln betrachtete der alte Mann das ernsthafte Nicken seiner Enkelin.
„Erzähl mir von damals, als du jung warst.“
„Als ich jung war...“ Der Alte nickte. „In Ordnung, dann lass mich dich mitnehmen in eine Zeit, die schon sehr lange vergangen ist...“

„Als ich noch ein sehr junger Abenteurer war“, begann der Alte, „ging ich viel auf Reisen, die Welt zu erkunden und meine Fähigkeiten im Kampfe unter Beweis zu stellen.
Mein getreues Pferd an meiner Seite, zog ich durch die weiten Ebenen der Schwertküste Faeruns. Weit war der Weg, und beschwerlich, doch wir zogen frohen Mutes hin dannen, die Wunder zu bestaunen, welche Faerun uns bieten mochte.
Doch plötzlich“ zischte der Alte und hob theatralisch die Hände, „bebte die Erde! Ein Sturm kam auf, und der Himmel verdunkelte sich, als schwarze Gewitterwolken sich zusammenbrauten und Blitze auf die Erde schleuderten! Donner grollte, so laut, dass es einen weniger starken Krieger zu Boden gedrückt hätte!
Und ich sah nach Norden, und was ich dort sah, hätte ausgereicht, einen Paladin in seinem ureigenen Glauben zu erschüttern.“
Die Stimme des Alten hatte einen düsteren Unterton angenommen, und mit einem unmerklichen Lächeln registrierte er, dass seine Enkelin ihren Teddybären eng an die Brust presste.
„Ich sah einem Krieger stehen dort auf dem Hügel, eine gewaltige Axt umfassend, und aus tiefster Kehle schrie er die Verwünschungen der Neun Höllen auf die Erde herab.
Andere waren da, die ihm folgten, eine Armee der Finsternis, und sie trugen die Zeichen von Hunger, von Tod und Pestilenz, und ihnen folgte der Lärm eines ganzen Söldnerheeres, das sich aufmachte, das Land zu verwüsten, zu plündern, zu brandschatzen und zu schänden!“

„Was heißt das?“
„Äh...“ Der alte Mann blinzelte.
„Was bitte?“
„Was heißt 'schänden'?“ fragte das Mädchen und sah ihn aus großen Kulleraugen an.
„Das... ähm... frag deine... nein, frag nicht deine Mutter, die Götter mögen das behüten... ähm... das... das ist zwergisch!“
„Zwergisch?“
„Aber sicher. Zwerge packen das regelmäßig ans Ende ihrer Sätze, um eine Aussage zu bekräftigen. Ja. Genau.“
Er nickte zufrieden, bis er feststellte, dass das Mädchen immer noch argwöhnisch schaute.
„Großvater?“
Ein Seufzen.
„Ja, meine kleine Lotusblüte?“
„Woher kannst du zwergisch?“
Eine kurze Pause entstand, in der man dem zarten Gesang der Vögel lauschen konnte, wenn einem der Sinn danach stand. Der Schaukelstuhl knarrte leise.
„Das habe ich in den Minen von Moriatestetetum Klein-Ankachkastillen gelernt, als ich der Zwergenkönigin Gundel zwei Jahre lang zu körperlichen Diensten sein musste – als ihr Sportlehrer“, fügte er hastig hinzu, als er sah, wie Lotusblüte den Mund öffnen wollte.
Lotusblüte dachte kurz nach, dann nickte sie.
„Oh“, sagte sie.
„Okay.“
Der alte Mann nickte erleichtert.
„Darf ich dann weitererzählen?“
Das kleine Mädchen nickte.
„Gut. Also, es war... äh...“
Er blickte auf.
„Wo war ich?“
„Bei dem Krieger mit der Axt und der Armee der Finsternis, und dem Lärm, und der bebenden Erde!“ sagte Lotusblüte in eifrigem Tonfall.
„Ah, genau.“ Der Alte nickte und konzentrierte sich, bevor er die Erzählung wieder aufnahm.

„Ich wage nicht, mir in Erinnerung zu rufen, wie lange ihr Wüten andauerte, doch irgendwann zog die Stille wieder ein ins Land. Nichts war zu hören, kein Vogel wagte es, sein Lied erklingen zu lassen, und nichts bewegte sich im Unterholz. Die Welt, sie hielt den Atem an, gelähmt von dem Schrecken, den sie bezeugen musste.
Nur ich, ich schlich mich langsam heran an die Quelle dieses Lärms, und Ziva folgte mir, fast ebenso lautlos. Und so sollten wir die ersten Sterblichen sein, die den wundersamen Worten dieser Fremden lauschen sollten, Worte, die von Ehre sprachen, von Kampf und von Stahl!“

„Scheiße, für'n Freiluft-Festival ist hier echt tote Hose.“
„Drück's nicht so brutal aus. Wir sind halt noch im Kommen, du kannst nicht überall ausverkaufte Konzerte erwarten.“
„Ich erwarte keine ausverkauften Konzerte, aber das hier ist ne verdammte Bandprobe im Freien.“
„Schau mich nicht so an, ich hab uns genau an den Ort geführt, der auf der Karte verzeichnet war.“
„Auf der Karte war die Weide von An'Kenth verzeichnet. Ich seh hier keine beschissene Weide von An'Kenth.“
„Dann bist du ziemlich kurzsichtig für dein Alter. Siehst du das da?“
„Du meinst den Baum?“
„Meine Güte. Ja, ich meine den Baum. Mann, dass du es bis zum aufrechten Gang gebracht hast, ist schon ein kleines Wunder. Was für ein Baum ist das denn? Hm? Reicht die Naturkunde dafür?“
„Grad so, Spitzohr. Das ist ne Weide.“
„Ach, wirklich? Eine Weide, ja?“
„Hör zu, ich weiß nicht, ob dass das Baumknutscher-Equivalent zu 'Innen sind sie alle rosa' ist, aber dass da ist
eine Weide, und nicht die Weide.“
„Oh, da ist ja auf einmal einer zum Experten aufgestiegen! Und woher willst du wissen, dass das da nicht
die Weide ist, Grünhaut?“
„Zum Ersten, weil ich meinen Lebensunterhalt damit verdiene, solche Geschichten zu kennen.“
„Ja klar, jetzt spielt er die Sagenkunde aus. Uuuuh, die Weide ist nicht von Schmetterlingen eingehüllt, die sie in tausend Farben leuchten. Wäh, ich hör die sphärischen Klänge nicht. Die Welt ist so trostlos ohne all die Illusionen, an die ich mich klammern kann, buhu!“
„Neithan, dir ist bewusst, dass ich dich jederzeit in zwei Hälften brechen könnte, ja?“
„Droh mir mit Gewalt, doch die Wahrheit bleibt unantastbar!“
„Die Wahrheit ist, dass du zu blöd bist, ne Karte zu lesen.“
„Deine Unterstellungen sind so infam wie infantil! Hier, schau hin! Wir sind den Delimbyr nach Westen entlang gefahren...“
„Neithan.“
„Hier an den Spitzhornbergen nach Norden...“
„Neithan...“
„Und dann hier durch die Steppen der Purpurbüffel südwestlich, und jetzt sind wir genau-“
„Neithan!“
„Was?!“
„Du hältst die Karte falsch rum.“

Ein Junge von dreizehn Sommern mit platt anliegenden Haaren streckte den Kopf durch die Tür.
„Erzählt Opa wieder eine Geschichte?“
„Ja“, krähte Lotusblüte mit leuchtenden Augen. „Setz dich hin. Die Krieger der Apokalypse haben grade ihren Heerzug erklärt.“
„Einen Heerzug?“
„Ja“, nickte das Mädchen eifrig. „Sie haben all die Orte beschrieben, an denen sie waren, aufrechten Hauptes und mit blutigen Schwertern und so, um die Feinde des He Wi Me Tal zu bekämpfen!“
„Des...“ Der Junge runzelte die Stirn. „Des was?“
„Des He Wi Me Tal“, wiederholte Lotusblüte langsam, jede Silbe deutlich betonend. „Das ist eine orkische Gottheit, sagt Großvater.“
„Woah, cool!“ Das Gesicht des Jungen hellte sich auf. „Was macht der denn so?“
„Seine Feinde bekämpfen“, sagte der alte Mann würdevoll.
„Ja, das macht jeder Gott, aber ich meine... sonst so?“
„Sonst... ähm...“
Der Alte schüttelte den Kopf. „Ich habe im Laufe dieser Reise gelernt, dass es da nicht viel anderes gibt, was dieser Gott tut.“
„Und wie hast du das gelernt?“
„Ich habe die Lieder gehört, die ihm gewidmet wurden“, antwortete der Alte schlicht.
„Darf ich jetzt weiter erzählen?“
„Öhm...“ der Junge zuckte mit den Achseln.
„Klar, mach ruhig.“
„In Ordnung.“
Der Alte atmetete tief ein und fuhr dann fort.
„Und würdevoll erhobenen Hauptes blickte der Elf auf die Welt, und seinem Mund entströmte eine machtvolle Rede.“

„Das... ähm... das ist die elfische Leseart!“
„In dem Fall ist die elfische Leseart wohl ziemlich beschissen, hm?“
„Hör sofort auf, das Brauchtum meines Volkes zu diskriminieren!“
„Das mach in in der Sekunde, in der das Brauchtum deines Volkes aufhört, uns in die Scheiße zu reiten!“
„Es hat uns nicht 'in die Scheiße geritten'! Ich sage dir, wir sind hier am richtigen Ort!“
„Und ich hab dir gesagt, ich weiß, wie diese verdammte Weide aussieht.“
„Du kannst dich doch nicht alleine auf die Geschichten verlassen. Erinnerst du dich an die beiden Mädels, die Frodon abgeschleppt haben? Hey Frodon, erzähl doch, wie war das denn nochmal?“
„Ähm, also... eigentlich... ich möchte da jetzt nicht so in euren Streit reingezogen werden, und... ähm... das war ein sehr intimer Moment, der eigentlich in meine Privatsphäre-“
„Hör auf zu heulen und erzähl, wie die beiden ausgesehen haben.“
„Nun, die... die eine war ein schlichtes Mägdelein von frohem Gemüt, und die zweite war reich beschenkt mit den Gaben der Natur, und...“
„Siehst du, genau das mein ich. Wir wissen alle, dass die eine hässlich war und die andere fett und hässlich, aber so erzählt man keine Geschichte.“
„Hey, das kannst du so nicht sagen! Die... es geht doch auch um den Charakter, und die waren wirklich...“
„Hey Frodon, was hab ich dir gesagt? Was sollst du tun, wenn zwei Musiker sich unterhalten?“
„Die Klappe halten und mein Bassspiel üben.“
„Danke. Okay, wo war ich grade?“
„Dabei, das zarte Innenleben unseres Bassisten für ne faule Ausrede zu opfern.“
„Das ist keine faule Ausrede! Worauf ich hinaus will, ist, dass man kein epische Sage spinnen kann, wenn man einfach nur von nem Baum redet, okay? Man muss das ein bisschen aufpeppen, und das Ergebnis ist dieser ganze Mischmasch aus Schmetterlingen und sphärischen Klängen, von denen du gehört hast. Ich meine, grade du solltest dein Urteil doch nicht alleine auf Legenden legen.“
„Tu ich ja auch nicht. Die Legenden sind der eine Teil, auf den ich mich stütze.“
„Und der andere?“
„Ich war schonmal dort.“

„Boah, das ist echt mitreißend!“
„Ich weiß“, nickte der Alte bestätigend. „Doch der Elf war noch nicht fertig mit seiner Rede.“

„In Ordnung, also bevor jetzt hier irgendwer irgendwem Schulzuweisungen aufdrückt, möchte ich einfach nochmal erwähnen, was für einen Einfluss Nostalgie auf die Erinnerung hat. Ich, meine, ich... ähm...“

„Das hat er gesagt?“
„Mit jeder einzelnen Silbe“, bestätigte der Alte. „Seine Worte gingen über meine Ohren direkt in mein Herz, und in diesem Moment wusste ich, dass ich meine Bestimmung gefunden hatte.
Ich trat zwischen den Bäumen heraus, ging auf die Knie und schwor einen feierlichen Eid, mein Leben ihrer Sache zu widmen!
Und der Anführer sah mich mit aufrichtigem Blicke an, und er sprach zu mir...“

„Tschuldigung, Ihr wisst nicht zufällig den Weg nach Athkathla?“

„Und ich rief 'Ihr Götter des Krieges, mein Schwert, Euch zu dienen!
Ich suche ein Leben der Ehre, frei von falschem Stolz!
Und sollte ich versagen, so werde ich den Tod mit Freuden annehmen.'“

“Hey Jungs, er hat gesagt, er führt uns, bis wir da sind!“
„Echt, wir haben jetzt unseren eigenen Wegerich?“
„Ja, wir haben... was is'n ein Wegerich?“
„Na du weißt schon, ein Wegerich. So ein Typ, der mit Musikkappellen durch die Gegend zieht, der hilft, das Zeug durch die Gegend zu schleppen, der die kreischenden Mädels wegträgt...“
„Wann ist dir denn das letzte Mal ein kreischendes Mädchen zugelaufen?“
„Das war bei dieser Schlägerei, die Alte mit der zersplitterten Flasche.“

„Und so trug ich fortan den Titel des Roa'Di, des demütigen Dieners des He Wi Me Tal, und mit Stolz im Herzen trat ich ein in diese Bruderschaft!“
„Vater, erzählst du den Kindern wieder von diesem besonderen...“
„Nein, meine Liebe, über dieses Etablissement halte ich stillschweigen. Wobei meine Bruderschaft der Waffen und des Stahls ähnliche Gebäude manchmal aufsuchte, um dort ihre, wie sie es sagten, Hämmer kreisen zu-“
„Papa!“
„Ich meinte, ähm...“
„Großvater, was für ein Etablissimimont war das?“
„Eine Hobbyschmiede, Lotusblüte.“
Der alte Mann räusperte sich.
„Aber nun, da eure Mutter sich entschlossen hat, der Geschichte ebenfalls zuzuhören, sollten wir weg gehen von eitlem Waffenschmuck, und zurück zu der eigentlichen Geschichte, nicht wahr, Tochter?“
Eine hochgezogene Augenbraue später fing der alte Mann an, weiter zu erzählen.

„Und so zogen wir umher, auf der Suche nach Abenteuern, nach Schlachten, in denen wir unseren Wert beweisen konnten, auf dass das Blut an unseren Klingen niemals trocknen würde.“
Der alte Mann sprang auf.
„Und in der Tat! Es ergab sich die Gelegenheit! Mutig und aufrecht schritten wir durch die Lande, doch plötzlich hörten wir aus der Ferne das ledrige Knarzen schwerer Flügel, das Brüllen einer urzeitlichen Bestie, die nur darauf wartete, Angst und Schrecken im Lande zu verbreiten! Mit heißem Atem spie er uns Flammen entgegen, doch zögerten wir nicht, sondern stellten uns der Herausforderung mit gezogenen Waffen und offen zur Schau gestellter Furchtlosigkeit!“

„Oh Scheiße.“

„Die Erde bebte, als der Drache zu Boden sank, jede Klaue so groß wie ein Mann! Seine Augen erfassten uns mit dem erbarmungslosen Blick einer Bestie, die schon unzählige Menschen gefressen hatte! Mit dem gelassenen Gebaren von Männern, die wissen, dass sie dem Tode geweiht sind, gingen wir auf ihn zu.“

„Das ist ein verdammter Sumpfdrache, kommt dem Vieh bloß nicht zu nah. Die Winzlinge explodieren, sobald sie nervös werden, und den Geruch kriegt ihr nie wieder aus den Haaren.“

„Ich hieß meine Gefährten, zurückzubleiben, wusste ich doch, dass ich als Novize meinen Wert erst noch unter Beweis stellen musste.“

„Also Wegerich, du musst hier echt niemandem was beweisen. Komm schon, wir fahren einfach drumrum, okay? Pack das Schwert wieder weg.“

„Derart angefeuert von meinen Gefährten, rannte ich auf das Untier zu. Von wahrhaft epischen Ausmaßen war dieser Kampf, Krieger gegen Bestie, gestählter Wille gegen ungebändigte Wut! Ich wusste, ich würde diese Schlachtfeld im Siege verlassen – oder im Tode!“

„Ihr Götter, das ist ja nicht mit anzusehen.“
„Dass der sich mit dem Gefuchtel nichts abhackt...“
„Vielleicht ist das ja, ähm, eine Art Beruhigungsritual, um den kleinen Drachen schonend aus dem Weg zu bugsieren...“
„Vielleicht könntest du auch einfach die Klappe halten, während die Erwachsenen sich unterhalten.“
„Oh Scheiße, das Vieh bewegt sich!“
„Das ist schlecht, oder? Das heißt, dass der Blutdruck nach oben geht, und das heißt...“

„Mit wenigen gezielten Schlägen drang der Stahl meiner Klinge direkt durch das Herz der Bestie!“

„Runter!“

„Und mit einem letzten, schweren Seufzen ging das Untier in die Knie und starb den würdevollen Tod eines Äonen alten Lebewesens.“

„Alles okay, Leute?“
„Glaub schon. Hab ein bisschen Schlamm in die Ohren bekommen.“
„Ich sag's jetzt echt nicht gerne, Neithan, aber das ist kein Schlamm.“
„Das ist kein... oh.“
„Ja.“
„In Ordnung, also bevor ich mir das ganze Sumpfdrachengedärm aus den Haaren ziehe... wo ist der Wegerich?“

„Und so stand ich vor der erschlagenen Bestie, den bloßen Oberkörper beschienen von der untergehenden Abendsonne, in dem Wissen, für das Gute und Wahre eingestanden zu haben.“

„Da oben, in den Bäumen.“

„Dauert die Geschichte eigentlich noch lange?“
Mit einem aufrichtig betroffenen Gesichtsausdruck löste der alte Mann sich aus seiner Pose und setzte sich wieder hin.
„Langweile ich euch etwa?“
Seine Tochter schüttelte unter dem lautstarken Protest ihrer Kinder den Kopf.
„Die Kinder müssen bald ins Bett.“
Der Protest wurde lauter, und der alte Mann grinste.
„Die Geschichte selbst ist sehr sehr lang, aber ich kann sie natürlich auch ein andermal erzählen, wenn ihr wirklich wollt.“
Das Protestgeschrei wich einem lang gezogenen Heulen, dem man bruchstückhaft Satzfetzen wie „Das ist voll unfair!“ und „Nur noch ein bisschen!“ entnehmen konnte.
Es dauerte nicht lange, bis seine Tochter nachgab, und der alte Mann weitererzählen konnte.

„Wir zogen denn weiter, hin zu jenem geheimnisvollen Ort, den der Anführer der Gruppe uns genannt hatte: Athkathla, der Moloch, der manch braven Abenteurer schon verschlungen hatte. Viele Wunder sahen wir dort, viele schillernde Gestalten, aber vor allem sahen wir eines – sie, die Verlorenen, die Verirrten. All jene, die nach einer Stimme riefen, die sie führte, die ihren Leben neuen Sinn gab, sie alle waren dort und warteten nur auf uns.
Und wir suchten uns die größte Arena, die diese Stadt zu bieten hatte, um unsere Botschaft zu verkünden.“

„Wieder die Fünf Krüge, ja?“
„Hast du 'nen besseren Vorschlag?“
„Der Typ am Stadttor hat doch diese andere Spelunke genannt, die mit dem langen Namen...“
„Scheiße ja, diese... wie hieß die? Dunkle... irgendwas mit dunkle...“
„Dunkle Träume, helle Tage, genau! Warum nicht dahin?“
„Weil der Laden scheiße ist.“
„Du warst also schonmal da?“
„Red keinen Schwachsinn, ich geh doch nicht in einen Laden mit so nem beschissenen Namen! Das ist garantiert so ein Pseudo-avantgardistischer Intellektuellendrecksschuppen.“
„Mensch Tork, seit wann kennst du so lange Wörter?“
„Cared Meleth na lin Dal Lif, Spitzohr.“
„Sekunde, 'Mach Liebe mit deinem Beingele- oh.“
„Also sind es die Fünf Krüge.“
„Alter, du musst echt an deinem Sindarin feilen.“
„Muss ich nicht, ist ne Schwuchtelsprache.“
„Ich mein's ernst, so ne Beleidigung funktioniert nicht, wenn der angesprochene sie sich erst herleiten muss.“
„Ich weiß, du bist's nicht gewohnt, dein Hirn einzuschalten. Ein weiterer Grund, von dem Dunkle-Tage-Dingsda weg zu bleiben. Wenn die Barden eines Tages von uns singen, will ich nicht, dass sie uns mit so nem Schuppen in Verbindung bringen.“
„Tork, wir sind die Barden.“
„Ein weiterer Grund, mit gutem Beispiel voran zu gehen.“

„Und so fanden wir uns ein in dem heiligen Tempel des Bardentums. Flammenwände stoben auf, und unseretwegen bebte die Erde! Die Menge feierte unseren Namen, und unsere Lieder wurden gehört bis über die Stadtgrenzen hinweg!
Und mir wurde bewusst, in genau diesem Moment, dass dies der Ort war, an den diese Männer gehörten, der einzige Ort, an dem sie sein konnten. Und von allen Gefühlen befiel mich Dankbarkeit, dass ich dabei sein konnte.“

„Tja, schaut mich nicht so an. Genau so war's.“

„Natürlich“, schloss der Alte für diesen Abend seine Erzählung, „ist die Geschichte damit noch nicht zu Ende. Wir erlebten noch viele Abenteuer, retteten so manche Jungfrau und schlugen so manche Schlacht...
Doch ich fürchte, diese Geschichten muss ich ein andermal erzählen.“
Der alte Mann lächelte. „Eure Mutter schickt mich sonst ohne Abendessen zu Bett.“
Das Gemaule kam wieder auf, aber es war müde, und der Protest nur gespielt. Bald hatte der Alte die Stube wieder nur für sich allein.

Mit einer nachdenklichen Geste griff er nach einem dünnen Lederband, dass um seinen Hals lag, und zog daran. Ein einzelner, Daumennagel langer Zahn eines Sumpfdrachen kam zum Vorschein.
„Papa?“
Unbemerkt war seine Tochter von den Kinderzimmern zurück gekehrt.
„Was ist, meine Liebe?“
„Warum musst du bei deinen Geschichten immer so übertreiben? Lotusblüte wird die ganze nächste Woche Alpträume von diesem Drachen haben.“
Wieder lächelte der alte Mann.
„Ich übertreibe nicht. Es ist nur so, dass die reine Erinnerung manchmal nicht ausreicht, um den Gefühlen gerecht zu werden, welche die Jugend zu empfinden fähig ist.“
„Na, was du erzählst.“ Erneut zog seine Tochter die Augenbraue hoch.
Das hatte sie von ihrer Mutter, fand der Alte.
„Ich kümmere mich jetzt noch um das Geschirr. Kann ich dich hier alleine lassen?“
„Natürlich. Ein alter Krieger wie ich wird schon einen Weg finden, sich von den Staubmilben nicht fressen zu lassen.“
Ein Lächeln.
„Gute Nacht, Papa.“
„Gute Nacht.“
Lange noch saß der alte Mann in seinem Sessel, den Anhänger betrachtend und in Erinnerungen schwelgend.
 

Durin

Schlachtenwüter
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Verdammtes Favoritenduell.

Also Times Story rockte natürlich. Mit den 3 Inkompetenten Banditen war auch etwas Humor drin, aber da hat dennoch Kraven die Nase vorne, bei "Opa, was heißt schänden?" habe ich dick gegrinst und bei "Mach Liebe mit deinem Beingelenk" gelacht. Laut.
Vom Stil her find' ich persönlich durchgehende Stories etwas besser als solche, die so sprunghaft zwischen 2 Ebenen wechseln.
Bis hier hin ist es extrem ausgeglichen.

Aber jetzt habe ich mich doch entschieden und iirc schwingt mein Pendel diesmal anders als beim Halbfinale vor 2 Jahren:
Der Punkt geht an Timestop, denn die Umsetzung des Themas: Helle Tage := Glorreiche Zeit eines Rockstars; Dunkle Träume := Backstage Drogenexzesse, das ist einfach ein Level an Genialität vor dem ich mich verbeugen muss.
 

Irotor

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Vorab: Beide Geschichten spielen bei dem, was ich bisher alles in dem Wettbeweb gelesen habe, ganz oben mit, was mir die Entscheidung natürlich wieder nicht einfach macht ;)

Beide Geschichten sind genial geschrieben, wobei Timestop mit der sehr authentischen Umsetzung des Themas punktet, während dies bei Kraven eher am Rande einfließt. Über den Stil will ich mich gar nicht auslassen, der ist wie gewohnt bei beiden sehr gut. Die Geschichten unterscheiden sich stark nach Umsetzung, einmal der Einblick ins Leben Torks und den unterhaltsam beschriebenen Dieben und das andere Mal die gut gelungene Verschachtelung der beiden Handlungssträngen, die sich fast nur über die Dialoge definiert.

Was soll ich dazu noch sagen, sehr schwierig und sehr knapp, doch im Gegensatz zu Durin, bei dem die Umsetzung des Themas den Ausschlag gegeben hat (und wo ich mich ihm auch nur anschließen kann) muss ich Kraven und seinen Dialogen den Vorzug geben, die mich wiederholt und laut zum Lachen gebracht haben.

Der Punkt geht also an Kraven, auch wenn die Geschichten ihren Fokus verschieden gelagert haben, wodurch das reine Geschmackssache ist. Und für beide gilt: Davon will man mehr lesen!
 

Maus

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Hm, das wird schwierig, da muss ich nochmal drüber nachdenken.

Nach Timestops Story dachte ich, das wars für Kraven. Dann kam der lahme Anfang von Kraven und ich dachte, nuja, geht ja nicht immer, dass einer eine gute Geschichte raushaut. Und dann nahm das Ding Fahrt auf...

Wie schon erwähnt, hat Timestop das Thema besser umgesetzt, das könnte den Ausschlag geben. Aber ich hab ja noch ein wenig Zeit, drüber nachzudenken...
"Opa, was ist schänden?"-"Frag deine Mu.. ähm lieber nicht" wäre vllt sogar signatur-tauglich. Mann...
 

Micha

Kutte
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Hm, zwei geniale Geschichten, bei denen zwei "Kleinigkeiten" den Ausschlag zugunsten von Kraven gegeben haben: bei Timestop war ich zwischendrin ein, zweimal verwirrt und musste nochmal lesen, bei Kraven sind die Dialoge einfach mal nur der absolute Hammer. :)

Abgesehen davon: die Einbindung des Themas bei Kraven ist doch einfach mal genial. :D Auf eine so humorvolle Art zuzugeben, dass man keinen Plan hatte, wie man das Thema umsetzen könnte... ;)
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Punkt für Kraven.

Mir gefällt wie er mit den beiden Ebenen(auf der einen Seite die beschönigende Erzählung von Opa Mönch und auf der anderen Seite, die Realität um den homophoben Tork und seine ebenso liebenswerten Kumpel) und wie sich das Ganze zu einem recht ironischen Gesamtbild zusammenfügt.

Allerdings liegt das auch an der Dialoglastigkeit des Textes.

Ich mag einfach Dialoge^^.

Times Story ist auch gut, aber die Dialoge lasen sich dann doch recht schwierig("Ich rede mit dir." "Nein, ICH rede mit DIR!", "Vergesst es! ICH rede mit EUCH!" <- und das bis zum Ende) und obgleich die drei dämlichen Deppen(jaja:D ) für einige Lacher sorgten, gefällt mir der kiffende Rockstar Tork nicht ganz so gut, wie das was Kraven selber aus seiner Figur machte.

Trotzdem eine gute Story.

Dann mal auf zur nächsten Runde:).
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Punkt für Timestop.

Pratchett vs Pratchett. Ein Kampf der Zwangslustigen. Seuftz.

Kraven legt sich mächtig ins Zeug und ist auch gut darin, albern zu sein.

Währenddessen zerstört er allerdings jede konsistente Geschichte.

Obendrein vergewaltigt Kraven Timeys Charakter regelrecht. Der alte Mann bekommt plötzlich eine Familie und ist wieder daheim in Kara-Tur. Das passt überhaupt nicht zu dem, was wir bisher über Times alten Mann erfahren haben.

Und derselbe Mann, der mir vorher vorgestellt wurde als jemand, der einen Drachen mit einem einzigen Schlag töten kann, wenn er nur nahe genug herankommt, hat plötzlich Probleme mit einem Sumpfdrachen. Außer durch Kravens Zwang, uuuuuunbedingt witzich sein zu müssen, läßt sich das nicht erklären.

Nebenbei bemerkt ist der eigentliche Charakter von Timey natürlich das Pferd, aber das ist sowieso ein bisschen unfair von Timey.

Aber Timestop ist recht albern, versucht sich eben auch als richtiger Geschichtenerzähler. Und das macht er trotz ein wenig Chaos ganz gut. Sein Tork ist ein wenig übertrieben, aber sehr heroisch geraten.

Das Thema ? Naja. So richtig konnte glaub ich keiner was damit anfangen. :D
 

Rote Zora

Pfefferklinge
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Für mich war dieses vorgezogene Finale davon geprägt, dass meine Erwartungen enttäuscht, erfüllt und übertroffen wurden.

Enttäuscht: Kraven hat zwei alte Männer mit mächtigen Waffen, und macht als Großmeister der Metzelszenen keinen einzigen spektakulären Kampf. Darauf hatte ich mich ehrlich gesagt gefreut. Time hat zwei irgendwie morbide Typen, und ein Traum-Thema, und es fehlt völlig diese surreale, anarchische Komik, die ich bei ihm so mag. Stattdessen - und hier werden Erwartungen eben gleichzeitig enttäuscht und übertroffen, scheint es beinahe so, als wollten beide im Revier des Gegners punkten. Time bringt eine erstaunlich schlüssige, geschlossene Geschichte rüber, in der durchaus Blut fließt, und Kraven bringt eine in Erzähl und Wirklichkeitsebenen verschränkte Story mit enormem Witz rüber. Insofern Erwartungen erfüllt: Diese beiden verstehen ihr Handwerk, und liefern große Erzählerische Klasse auch dann ab, wenn sie gar nicht ihrem Klischee entsprechen, mehr noch, auch darin bleiben sie sich treu.

Times Komik ist diesmal eben subtiler, mit einem Biff, der dann einen Ersatzmann braucht - das macht einfach große Freude. Und auch dieses destruktive Element ist wieder da; wenn der Hengst heldenhaft die Stute gerettet hat, und schweißdampfend zum Symbol purer Pferdeerotik wird - und dann hustet. Seine Kampfszenen - nun das können andere noch einen Tick besser. Sowohl bei den Pferden wie bei den Menschen ist es ziemlich schnell wenig plastisch abgehandelt. Wenn die Axt so mächtig ist, dass sie als Gitarre durchgeht, dann braucht man keine drei Schläge.
Aber großartig die Geschichte, wie sich die beiden Knacker nahekommen, phantastisch die Stimmigkeit dieser Wannabe Gangster, die tatsächlich diesen Beutel verbummelt haben. Unglaublich das ganze athmosphärische einer Tournee samt ausgebeutetem Künstler, Groupies den Backstage Drogenexzessen. Da ist man unmittelbar dabei. Schön verschränkt die Perspektivenwechsel, dass der Leser (z.B. durch die klugen Pferde) mehr mitbekommt als die handelnden Menschen und Halborks, und doch kein "allwissender Erzähler" ihnen Nachhilfe geben muss. Das ist nicht nur Talent, das ist können, und da wurde auch dran gearbeitet. Großes, wirklich großes Kino. Die Umsetzung des Themas mehrdimensional und genial, wie erst Torks Träume als seine Schwäche gegenüber dem Kensai da stehen, der so in sich ruht, dass er die nicht braucht, und später genau diese Träume ihm und vielleicht sogar dem Kensai das Leben retten. Ganz gigantisch gut die Einarbeitung des fremden Charakters, so genau so stellt man sich Tork vor.
Im ganzen: Das ist nicht zu toppen. Oder?

In der Tat ging es mir wie Maus, dass ich zu Beginn von Kravens Geschichte dachte: Oh Mann, jetzt macht er einen auf anarchisch surreal und das versaut ihm alles. Aber in der Tat: Sobald er in der Story drin ist, geht die ab wie eine Rakete. Mehrere Sätze, die wirklich das Zeug zum "memorable quote" haben, eine brillante Fortführung der times'schen Charaktergeschichte, und ein wundervoller Kontrast zwischen dem wirklich langweiligem, dreckigem Leben in Faerun und dem Glanz dessen, was Phantasie und Erzählung daraus machen können. Eigentlich ist es fast tragisch: Kraven hat das Thema invertiert: dunkle Wirklichkeit, helle Phantasie (meinetwegen Träume), und das hätte mir völlig gereicht um zu sagen: Er hat's geknackt. Aus mir unerfindlichen Gründen versucht er das dem Leser unter dem Titel "Dichtung und Wahrheit" zu erklären. Ein Witz, den du erklären musst, ist so gut wie tot. Dass er dann doch noch das Thema als Kneipenname reinzwingt (und damit einen unnötigen Hänger in der Story erzeugt), was Mantis' genial einfache Idee der ersten Runde war (die storymäßig dann sogar was austrug), macht alles nur noch schlimmer. Eine genial-einfache Idee zu covern ist eben nur noch einfach, und nicht mehr genial.
Das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass sein Erzählstil absoluter Benchmark sind (da will ich hin, genau da!!!) Das seine Dialoge Witz, Tempo und Originalität in hoher Dosierung bieten. Dazu auch diese satirische Note, mit der der Weltverbesserer- und Weltschmerz-Aspekt vom RL-Metal irgendwie leicht ironisch karikiert wird, in dem er so sagenhaft überzeichnet wird, und andererseits diese Truppe als ziemliche Loserbande da steht. Ohnehin, das hat fast philosophische Qualität, ob es nicht nur legitim, sondern tatsächlich gut und richtig ist, sich sein mieses Loser-Leben nicht als eine Reihung großer Heldentaten schönzureden, und damit einfach ein glücklicherer Mensch zu werden.

Fazit: Erwartungen erfüllt: Das war beides wirklich großartig. Bei mir kriegt dennoch Time den Punkt, weil Kraven den Anfang und das Thema nicht zu richtig optimal hinbekommen hat. Sowas bedeutet in einem "Finale" eben schnell den Punktverlust. Aber dass es knapp war, wissen alle, und wussten es vorher, und dass bei diesem hochgelobten System jetzt der Sieger in einem besagten Kellerduell mehr Punkte bekommt als Kraven, ist himmelschreiend ungerecht. Aber gut so, denn wir werden noch mehr von ihm lesen, und da freue ich mich schon hammermäßig drauf.

ZORA

@Gala: Von dem mutmaßlich humorlosesten Poster dieses Forums eine Kritik über Komik zu lesen, ist das "Gesprächspendant zu einer außerkörperlichen Erfahrung" (Calvin und Hobbes). Total abgefahren.
 

Timestop

Running out of Time
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Zwangslustig? Hihi.:D Naja, über Humor lässt sich ja streiten.

Allerdings hat der Alte sehr wohl eine Familie, die auch in der Charaktererstellung vorkommt an der sich Kraven wohl bedient hat.
Da kommt noch das Pferd dazu (oder umgekehrt).
Auf wen man nun den Fokus legt sei jedem selbst überlassen, aber stimmt, da geb ich meinen Gegnern natürlich nicht nur Auswahl sondern auch eine Kopfnuss, etwas fies.

Mir gings ähnlich wie Maus, nur andersrum. Nach der Hälfte der Geschichte von Kraven wollte ich ihm die Punkte schon auf Knien geben, das war einfach zu spritzig und hat mich sehr amüsiert. Aber dann, erneut ein Plotverlust *unter Teppich schaut*. Hallo? Auch die Einarbeitung des Themas ist improvisiert. Welcher finanzielle Selbstmörder würde denn seine Kneipe so nennen? Because he can? :D
Da muss ich drüber nachdenken wem ich denn die Punkte geben. Schon wieder.

@Zelon
Die Dialogkritik versteh ich nicht ganz. Bitte nochmal näher erläutern, gerne mit Beispiel.:D
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Ja, Zora, ich habe keiiiiinen Humor. Weil ich nicht deinen habe. Ja Zora, alles ist gut. :rolleyes:


@Timestop: Zwangslustig ist, wenn man das Gefühl hat, da muss einer einfach unbedingt auf Teufel komm raus Witze reißen.
 

Lisra

Schmusekater
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Damit hast du Pratchett beleidigt.

Rage in 3...2...1...

Folgen sie mir unaufällig, Bürger, wir müssen sie Zwangsterminieren. Es lebe Freund-Computer.
 

Rink

Strassenköter
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Dies war ein Kampf auf hohem Niveau.

Kraven überzeugt mit einer stilmässig guten Story, Rechtschreibung, Aufbau, Dialoge. Der Text war leichter leserlich und verständlicher. Beim Inhalt fand ich die Dialoge absolut klasse, aber halt die Idee ein bisschen zu simpel und mit einer ein wenig schwachen "Pointe" am Ende. Die Handlung steht hier wie normalerweise auch bei Timestop hinter dem Humor.

Timestop hat bei Aufbau, Rechtschreibung und Formulierungen zwar noch teilweise Entwicklungsmöglichkeiten, hat es hier aber geschafft, eine spannende Story aufzuziehen und diese gezielt mit Timestop-Humor zu würzen. Ich fand hier den Humor aber stark an die "Sex, Drugs und Rock n Roll"-Mentalität angepasst (an Kravens Charakter also), und das ist vielleicht nicht so ganz diejenige Art von Humor, wo Timestop alles in den Schatten stellen kann.

Am Ende ists beim Stil klarer Sieg für Kraven, bei Handlung/Story/Dialogen Sieg für Timestop und so ist für mich der Humor das Zünglein an der Waage. Und dort hat Timestop mit Originalität (trotz Abweichung von seiner üblichen Qualität) die Nase vorn.

In diesem Sinne Punkt an: "Scheint einer von diesen Hui-Fui Kampfkünstlern aus dem Osten zu sein."
 
Zuletzt bearbeitet:

Armanz

Zeitloser Dichter
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Punkt an Kraven.
Time hat wieder einen genialen Text, mit ein wenig Humor gespickt, aber Kraven hat einfach alles umgehauen mit dem Wechsel aus Erzähltem und Erlebtem.
Ich bin müde, das reicht als Kommentar :D
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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@Lisra: Krieg dich wieder ein.
 

Lisra

Schmusekater
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Du kannst das doch nicht wirklich ernst genommen haben?

Natürlich find ichs als Fan Schade, dass dir Pratchett offenbar nicht gefällt, aber damit hörts doch auch schon auf. Ich kann und will dir doch nicht vorschreiben was du zu mögen hast.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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@Lisra: Ich hab nirgendwo geschrieben, das ich Pratchett nicht mag.

Ich habe geschrieben, das Time und Kraven da zur Zwangslustigkeit neigen. Wenn man beim Lesen das Gefühl bekommt, das es einfach auf Teufel komm raus lustig sein muß, find ichs nicht mehr lustig.

Manche Mitmenschen nerven mich mit ihrer zwanghaften Lustigkeit. Wenn man gar kein ernsthaftes Gespräch mehr anfangen kann, ohne mit Witzen abgewiesen zu werden, hört der Spass auf.

Pratchett hat auch eine gewisse Tendenz dazu, das stimmt. Zumindest in seinen schlechten Büchern.
 

Rote Zora

Pfefferklinge
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@Gala: Ehrlich gesagt habe ich mit so einer Reaktion gerechnet. Ich stelle fest: dir geht der Vowurf der "Humorlosigkeit" auf die Nerven, wenn jemand *nur* ein anderes Verständnis von Humor hat als du (nein ich werde kein Vote aufmachen, du siehst an den Reaktionen auf diese Geschichten ja, dass *dein spezieller Sinn für Humor* hier on Board schon etwas sehr besonderes ist. :rolleyes:;):wunder:

Ich stelle außerdem fest: du hast keinerlei Mühe, dennoch *deinen* Maßstab von Humor an andere anzulegen, die du dann ohne Einschränkung als "albern" oder "zwangslustig" abqualifizieren kannst (was imho noch ein bisschen gemeiner ist).

Könntest du dir - im Interesse einer etwas entspannteren Kommunikation - entweder angewöhnen, genauso gut einstecken zu können, wie du austeilst, oder in deinen Formulierungen einfach etwas behutsamer zu werden? Wenn du schreiben würdest: Sorry, auf mich wirkt das irgendwie albern - dann signalisierst du damit, dass dein Sinn für Humor nicht das Maß aller Dinge ist.

Genau das tust du nicht, und provozierst damit einen Widerspruch, mit dem du dann aber nicht umgehen kannst. O Weia.

ZORA, heute gar nicht witzich
 

Sheera Li

Kaleidoskop
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Ich hätte es nicht so nett wie Zora formuliert aber ja, ich schließe mich ihm an! :up:
 
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