Als nächstes stellt man sich die Frage, wie man verhindern kann, dass die sehr richtigen und wichtigen Proteste von radikalen Spinnern in den Dreck gezogen werden.
C: Wenn ich dich da in eine Kategorie gepackt habe, zu der du dich nicht zugehörig fühlst, tut mir das sehr leid, und ich möchte mich dafür entschuldigen. Ich habe das "ihr/euch" gewählt, weil ich auf der einen Seite das Gespräch durchaus auf einer persönlichen Ebene halten möchte (je distanzierter Thesen werden, umso fader scheinen sie mir), und weil ich dich, aufgrund deiner von mir wahrgenommenen Verteidigung von politisch motivierter Gewalt, so sie denn einem gerechten Zwecke dient, durchaus in die radikalere linke Ecke gestellt hätte. Ich wollte dich damit nicht beleidigen.
... nach dem Disclaimer war ja klar, dass ein Aber kommt.
Aber.
Wenn du politisch motivierte Gewalt als Zeichen des Protests gutheißt, bist du Teil des Problems.
Ist okay. Wir gehen das jetzt durch.
Dass du Randale nicht als gute Propaganda verkaufen wolltest, sondern als Zeichen der Verzweiflung und der Wut über die herrschenden Bedingungen, ist zur Kenntnis genommen.
Zwei Probleme mit dieser Ansage: Ob du das für gute Propaganda hältst oder nicht, ist nicht wirklich wichtig, meine Ansage ist, dass es
schädliche Propaganda ist für eine eigentlich gute Sache.
"Ich bin gegen G20!" "Dann bleib mir weg mit deiner Meinung, mein Auto bleibt heil!" Jede Kritik an G20, dem System, dem Kapitalismus, such es dir aus, wird jetzt verbunden mit plündernden Idioten. Und die Linke schneidet sich ins eigentlich Fleisch, wenn sie sich nicht entschieden gegen solche Formen des politischen Ausdrucks stellt.
Das DIE Linke, als Partei, sich offiziell von den gewalttätigen Ausschreitungen distanziert, ist gut, wichtig und essentiell für das politische Überleben. Gut so.
Was ich vermehrt wahrgenommen habe, waren allerdings Meinungen wie die von Andreas Beuth. Rechtsvertreter der Roten Flora, große Figur in der autonomen Szene, und was sagt der dazu?
"Gewalt ist schon geil, aber doch nicht, wenn
meine Scheiben eingeschlagen werden!" Ja, ich habe das paraphrasiert.
Oder
dieser sympathische Herr aus dem Organisationsteam von Attac.
"Wenn wir die militanten Autonomen nicht einladen, lachen die doch über uns!"
Wow.
Selbst der Verfassungsschutz ist nicht tief genug gesunken für
denSpruch.
Die Linke, oder, wenn dir der Term zu nichtssagend ist, die G20-Gegner kommen nicht gut weg mit solchen Sprüchen. Und sind dann letzten Endes selbst schuld, wenn mehr über die Krawallmacher berichtet wird als über die Ergebnisse des Gipfels. Sie haben nicht genug dagegen getan, dass besagte Krawallmacher in ihren Reihen aufmarschieren.
Mein zweites Problem mit der Aussage, dass Randalierer politisch motiviert agieren und mit ihren Taten ein Zeichen setzen wollen: Zum einen klingt es für mich, als würdest du mir sagen, Fußballhooligans seien einfach nur passionierte Sportfans. Erstens glaub ich das nicht. Und wenn ich es glauben würde, würde ich diese Leute allesamt in Therapie schicken, denn ihre Art, mit Frust umzugehen, ist erbärmlich.
Wenn man schon nicht aktiv hilft, sollte man wenigstens aus dem Weg gehen. Die Randalierer hingegen haben den politischen Prozess und die linksalternative Szene aktiv sabotiert.
Und die Legitmierung von Gewalt in Form von "Wir dürfen das, wir sind die Guten!" ist... gefährlich und dumm. Ich nehme meinen Hinweis auf Stalin und Konsorten darum auch nicht zurück, ich halte das für sehr wichtig:
Ich kann die schönste Rhetorik hinter jede meiner Taten stellen. Die haben alle für eine gerechtere Verteilung der Güter gekämpft, gegen die kapitalistische Unterdrückung. Das sind doch hehre Ziele! Das müssen doch dann die Guten sein!
Aber sie waren es nicht. Wir messen diese Menschen nicht an ihrer Propaganda, sondern an ihren Taten.
Ich mach den Vergleich mal eine Nummer kleiner: Ich muss kein einziges Wort von Pegida hören, keine einzige Zeile. Ich muss mir nur anschauen, was sie tun. Ich sehe Mobs, die sich vor ankommenden Flüchtlingsbussen scharen und kleinen Kindern Angst machen. Ich brauche keine einzige Zeile von politischer Motivation, um mir das erklären zu lassen. Diese Menschen sind nicht die Guten.
Wenn ein marodierender Mob aus frustrierten Autonomen und gelangweilten Wohlstandskindern durch die Schanze zieht und an ihren Problemen Unbeteiligten Schaden zufügt... jo. Das sind nicht die Guten.
Und dein Srebrenica-Vergleich greift nicht. Es sei denn natürlich, in diesen Läden hätten sich Zivilisten massakrierende Soldaten verschanzt. Oder Putin mit seiner Biker-Gang. Oder der Zwillingsklon von Hitler, irgendwas in der Art.
Aber das war nicht der Fall.
Und die autonome Szene tut sich schwer damit, sich von derartigen Aktionen abzugrenzen. Weil Straßenschlachten mit der Polizei halt inzwischen einfach dazugehören. Weil Revolutionen sexy sind. Weit mehr als der langweilige politische Prozess, der ewig braucht, aus nervtötenden Kompromissen besteht und einfach nichts dieses wunderschöne Narrativ bieten kann, das einer Revolution innewohnt. "Wir sind die Guten, dann haben wir alle Bösen erschlagen, und jetzt ist die Welt eine bessere!"
So funktioniert es nicht.
... ich bin mir unsicher, ob ich meinen Punkt gerade deutlich mache, und ich hab heute Abend eigentlich auch noch Dinge vor. Später vielleicht nochmal mehr.