ME3, das Ende aller Enden und ein guter Anfang
Wir schreiben Freitag Nacht. Ich wühle ich mal wieder durch meine ganzen YouTube-Subscriptions durch und, wie das immer so der Fall ist, klicke mich von einem Gitarrenlehrvideo zu einem Taylor Swift-Song den ich nicht kenne hin zu einer "QI"-Alan Davies-Compilation, breche dann leichtsinnig nach rechts aus um mir kurz einige Videos von Patton Oswald reinzuziehen, kriege glücklicherweise grade noch die Kurve zurück zu ein paar Neil Young Interviews aus den 80/90ern, genieße im Anschluss daran eine Tirade haarsträubendem Gesabbels eines gewissen Mr K. Dilkingtons, lege einen Zwischenstopp für einen Haufen Livemusik ein und werfe mich dann mit
smudboys ausgesprochen unterhaltsamen dritten Teil seiner "
ME3: Extended Cut Analysis" auf die abschließende Zielgrade.
Und als die Analyse sich dem Ende zuneigt, da kriecht doch glatt eine Erkenntnis mit geradezu hinterhältiger Verschmitztheit vor meinem inneren Auge vorbei. Ihr Ziel ist die finstere Ecke auf der anderen Seite meines Verstandes, aber agil wie Captain Kirk in seinen besten Zeiten, schmeiße ich mich auf sie und ringe sie nieder. Sie wehrt sich, schreit mir wilde und wüste Beschimpfungen entgegen, aber als ich sie am Ende siegreich auf dem schmutzigen Boden meines Schädelinnenlebens festgenagelt habe und sie mir zum ersten mal genauer anschaue, da stutze ich. Dann bin ich verwirrt. Sowohl von meiner Erkenntnis als auch von mir.
"Was sieht er denn???", mag sich der Leser jetzt fragen. Ich sehe folgendes:
Das ME3-Ende ist phänomenal großartig. Ein Meilenstein auf seine eigene Art und Weise. Innovativ in seiner eigenen kleinen Welt. Es ist eine unvergleichliche Bereicherung der Spielkultur.
Der eine oder andere erinnert sich vielleicht daran, wie ich über das Ende geschimpft, gezetert und seitenlang diskutiert habe, wie ich den EC niedergemacht habe, vielleicht sogar daran, dass ich
beim Spielen des ECs vor lachen mehrmals fast vom Stuhl gefallen bin und das mein abschließendes "And f**k you too." aus tiefstem Herzen gekommen ist.
Woher der Sinneswandel? Habe ich meine Medikamente abgesetzt? Habe ich mit anderen Medikamenten angefangen? Habe ich mir meine Nase in einem Flugzeughangertor eingeklemmt und Casey Hudson höchstpersönlich hat mich befreit? Nein, nein, nein, nein!
Meine neue Sichtweise ist geboren aus der Tatsache, dass ich mich köstlich amüsiere, wenn ich Videos über das Ende sehe. Das ich Spaß daran habe, dass Ende aufbereitet zu sehen. Dass ich ehrlich fasziniert von der Schöpfungskraft hinter ihm bin. Wie vor einem Puzzle sitze ich vor dem Ende und versuche, alles nachzuvollziehen, was sich Hudson und Walters dabei gedacht haben. Es bietet endlosen Rätselspaß. Auch jetzt noch, neun Monate nach Release. Ich hätte vermutlich sogar Spaß daran, das Ende mal wieder zu spielen.
B-Movie-Filmliebhaber haben ihre Troll 2s und The Galactic Invaders und Black Ninjas und The Toxic Avengers und Death Beds und Dungeons & Dragons' und dergleichen. Sie haben ihre Filme die so schlecht sind, dass sie toll sind. Die gutes-schlecht Filme. Wir Spieleliebhaber haben unsere Moorhuhns und Autobahnrasers und E.T.s und Michael Jackson's Moonwalkers und Superman 64s und etc.
Aber Filmliebhaber haben auch ihre Hollywood Blockbuster, die so schlecht sind, dass sie toll sind. Ihre gutes-schlecht Blockbuster. Sie haben ihr Wild Wild West, ihr Superman III, ihr Battleship, ihr Batman & Robin und natürlich ihre Star Wars Episoden 1 bis 3.
Aber was haben wir? Wir haben keinen Trippe-A-Titel in dieser Kategorie. Alle schlechten AAA-Spiele sind schlicht nur schlecht und nicht brillant schlecht. Sie sind langweilig schlecht und nicht faszinierend schlecht. Sie sind vergessenswert schlecht, aber nicht wtf-schlecht.
Bis jetzt! Denn das ME3-Ende hat alles verändert. Endlich haben wir ein high profile Spiel, ein viele dutzend Millionen teures, als Meisterwerk geplantes, Spiel, dessen grottige Qualität unterhält und anzieht, anstatt anzuöden und abzustoßen. Wir haben etwas so dermaßen unbeschreiblich Mieses, dass es begeistern kann. Ähnlich wie die SW-Prequels braucht es ein bisschen Zeit um genügend Abstand zu gewinnen, aber sobald der erreicht ist, kann man es genießen.
Und wenn wir das nächste mal mit jemandem über die Bat-Kreditkarte aus Batman & Robin schwärmen, wenn wir das nächste mal im Freundeskreis voller Freude die letzte Folge von Enterprise wieder aufleben lassen, wenn wir das nächste mal inner Kneipe anner Theke sitzen und zusammen mit drei Fremden versuchen, die Haupthandlung in SW Ep1 zu entwirren, dann können wir danach ausführlich über ME3 fachsimpeln. Stunden- und stundelang. Ohne peinliches Unbehagen und dämpfende Beschwichtigung. Nein, wir können stolz diesen Triumph in kollektivem Versagen hochhalten.
Und darum ist das ME3-Ende großartig und innovativ, sowohl in seiner eigenen, kleinen, aber auch in unserer großen Welt. Darum ist es ein Meilenstein. Und darum ist es die unvergleichliche Bereicherung unserer Spielkultur.
Und ich sage: Danke Bioware. Ihr habt etwas einmaliges geschaffen. Ihr habt mein Hobby, was sage ich, meine Leidenschaft, aufgewertet. Ihr habt sie verstärkt und verbessert.
Aber übertreibt es nicht. Einmal legendär mies ist toll, mehr als das kriegen aber nur Genies wie George Lucas hin. Normale Leute wie ihr verweilen dann bei dem schlechten Schlecht.