@Hexe Lisa: Wie Mumme schon richtig anmerkt, wurden bestimmte quantenmechanische Effekte vorhergesagt, bevor sie experimentell nachgewiesen werden konnten. Dies ist ja ein wichtiges Kriterium für gute wissenschaftliche Theorien, daß sie Vorhersagen erlauben, die präziser sind als konkurrierende Theorien. Von zwei konkurrierenden Theorien wir ja in aller Regel jene vorgezogen, die mit derselben Zahl von Annahmen präzisere/weitreichendere Voraussagen ermöglicht.
Ich wollte btw auch jetzt nicht den Popper durchdiskutieren (dazu müßte ich mich denn doch erstmal ein Weilchen intensiver mit ihm beschäftigen und nicht nur durch Sekundärquellen
), sondern nur kurz referieren, wie ich überhaupt auf meine Fragestellung kam. Mir ging es darum, daß Aussagen, die logisch in axiomatisch fundierten Systemen hergeleitet werden, bzw. in diesen Systemen wahr sind, nicht empirisch widerlegt werden können. Also: 2+2 wird immer 4 ergeben, aber bezüglich des fliegenden Menschen könnten uns Überraschungen erwarten. Allerdings nur dann, wenn wir "Mensch" und "fliegen" nicht so präzise definieren, daß sich diese Möglichkeit logisch ausschließt.
@Caesar: Mummes Einwand mit Gödels Unvollständigkeitssatz fiel mir da auch sofort ein (Lese gerade "Gödel, Escher, Bach" - nicht, daß noch jemand auf die Idee kommt, ich hätte wirklich Ahnung von Mathematik!
). Beweisbar ist die Mathematik nicht. Allerdings ist ihre Gültigkeit in gewisser Weise empirisch belegbar und es finden sich überraschend wenige (ich kenne keinen) Belege gegen sie (außer, das allgemeine Relativitätstheorie und Quantenmechanik sich halt irgendwie in die Quere kommen - vielleicht liegt das an der Fehlerhaftigkeit der Mathematik?).
@David: Da handelt es sich nicht um Wortklaubereien ohne Konsequenzen. Im Politikthread haben wir ja schon mehrfach das Thema Kreationismus/Intelligent Design angesprochen. Seitens religiöser Kreise gibt es seit Jahrzehnten immer wieder Angriffe auf dieWissenschaft, da man hier sich seiner Deutungshoheit bezüglich der "Welterklärung" durch die Naturwissenschaften beraubt sieht. Um zu klären, welche "Theorien" an öffentlichen Schulen gelehrt werden dürfen und welche nicht, muß man Unterscheidungskriterien haben, was als ernstzunehmende naturwissenschaftliche Theorie gilt, und was nicht. Hierzu wird immer wieder Poppers Falsifizierbarkeits-Kriterium herangezogen, welches der Kreationismus und ID eben nicht erfüllen.
Man kann es auch platter sagen: Es dürfen nur solche Theorien im naturwissenschaftlichen Unterricht vermittelt werden, die die Möglichkeit von Wundern ausschließen. Denn: Wo Wunder prinzipiell als Möglichkeit einkalkuliert werden, ist eine Falsifizierung von Aussagen nicht möglich: Das Wunder ist die "Wild Card" schlechthin. Wenn wir annehmen, daß eine metaphysische Entität (vulgo: Gott) sich in empirisch erfahrbare, physische Prozesse jederzeit einmischen kann, dann ist alles möglich. Auch der vom Kurzzeit-Kreationismus vertretene Unsinn.
@Val: Mein Opponent hat keine antisoziale Haltung, er vertritt nur eine grundlegend andere Position als ich: Er ist streng gläubiger Christ und Theologe, der sich rund um die Uhr mit apologetischen Fragestellungen beschäftigt. Er hält das, was in der Bibel steht, für faktisch richtig und vertritt die Ansicht, daß die historisch-kritische Theologie, welche z.B. an deutschen Universitäten dominiert (und mehr oder weniger unumwunden zugibt, daß die jungfräuliche Geburt ebenso wie die fleischliche Auferstehung Christi nicht konkret, sondern metaphorisch zu verstehen sind, daß der Auszug aus Ägypten nicht stattfand usw. usf.), komplett falsch liegt. Aber angenehmerweise zieht er sich nicht auf ein "So habe ich Gott aber erlebt!" zurück, wenn man näher nachhakt, sondern läßt folgerichtige Argumentationen gelten, auch wenn ich manchmal nicht weiß, ob er einen Gedanken vorsätzlich falsch versteht, oder ob er manche zirkulären Argumente tatsächlich überzeugend findet. Wie auch immer: der Mann ist klug und gebildet und vertritt seine Position gewissermaßen mit offenem Visier.
Ich war früher auch ein bekennender Nicht-Wissenschaftler-Typ, inzwischen bereue ich es, in der Schule und während meines Studiums nicht mehr naturwissenschaftliches Denken gelernt zu haben, denn die Geisteswissenschaften, vor allem die Metaphysik scheinen mir inzwischen als die weitaus uninteressanteren, aufgeblaseneren Angelegenheiten. Vor allem aber fehlt mir die nötige Klarheit im Denken, wie ich immer wieder feststellen muß, wenn ich bestimmte Argumente oder Theorien einfach nicht kapiere: genaugenommen befinde ich mich in einer "selbstverschuldeten Unmündigkeit", aus der herauszukommen schwieriger ist, als ich früher gedacht hätte.
Irgendeine Formel zum goldenen Schnitt ist halt noch lang nicht so cool wie ein Objekt das sauber nach Gefühl (Erfahrung) ins Bild gesetzt wurde.
Ich denke, da stellst Du einen falschen Gegensatz auf. Die großartigsten Künstler - ich nenne nur mal Leonardo da Vinci oder Albrecht Dürer, gingen davon aus, daß Schönheit und Ästhetische Wahrheiten eine mathematische/naturwissenschaftliche Korrelation haben müßten. Sonst hätten sie sich nicht so ausführlich z.B. mit Proportions-Untersuchungen auseinandergesetzt. Und auch die Musik Johann Sebastian Bachs, wie überhaupt die gesamte Kunst der Fuge und der tonalen Harmonik, beruht auf Formeln und Mathematik. Wenn Du also ein Objekt sauber nach Gefühl und Erfahrung ins Bild gesetzt hast, ist das wunderbar. Aber wenn Du nachvollziehen kannst,
warum es an dieser Stelle am besten sitzt - dann ist das nochmal ein gewaltiger intelektueller Kick! Dort, wo Kunst über den rein sinnlichen Genuß hinaus geht (den i.d.R. jeder gute Fick, jede Art von Droge intensiver spenden kann), berührt sie den intelektuellen Genuß. Das Geilste, was es gibt, ist:
Verstehen!