Magic Fighters Hinweis darauf, daß diejenigen, die das Problem verstanden haben, eventuell nur glauben, daß sie's verstanden hätten, ist korrekt! Natürlich habe ich das "Problem Zeit" nicht verstanden. Und nachvollziehbar erläutern, was daran ich verstanden habe, kann ich auch nicht. Da kann man mir also berechtigterweise mystisches Geschwurbel unterstellen. Mir ging es eher darum, daß ich irgendwann meinte, kapiert zu haben, daß Zeit eben nicht existiert, weil nur Materie (oder das, was wir als Materie bezeichnen, manche Leute behaupten ja, Materie bestünde nur aus Kraftfeldern, aber soweit, das nachzuvollziehen, bin ich noch lange nicht), die sich innerhalb des Raumes zueinander verhält, existiert.
Daß die Zeit nur in eine Richtung (z.B., wie, glaube ich, Durin sagte, in Richtung zunehmender Entropie) ablaufe, hatte ich bislang auch angenommen, bzw. übernommen. Und hatte damit aber eben den ganzen Rattenschwanz an Problemen am Hals, daß Zeit dann eben nicht als 4. Dimension (im Sinne eines Koordinatenkreuzes mit 4 Koordinaten) funktioniere, daß es einen Anfangspunkt der Zeit gegeben haben müsse, und daß dieser Anfangspunkt durch irgendetwas initiiert sein müßte (da wird von Theisten dann oft Gott als der "unbewegte Beweger", die "prima causa" usw. angebracht).
Angenommen aber, Zeit sei nur eine Maßeinheit für die Zunahme von Entropie, dann hätte sie tatsächlich einen Anfang. Und das erscheint mir inzwischen absurd. Angenommen, ich habe einen idealen, d.h. unveränderlichen, Betrachter im Vakuum und eine Kugel mit einem bestimmten Impuls, die sich relativ zu diesem Betrachter bewegt. Dann ist die Zeit, wenn wir nur den Betrachter und die Kugel berücksichtigen, nur eine Angabe für die Lageveränderung der Kugel im Raum bezogen auf den Betrachter. Nichts hat sich geändert nach dem Ablauf eines bestimmente Zeitmaßes, bis eben die räumliche Anordnung zwischen Kugel und Betrachter. Daß nur ein Energie umsetzender und damit das Maß der Entropie erhöhender Betrachter diese Veränderung der räumlichen Anordnung wahrnehmen kann, ist zwar korrekt, lenkt aber vom Kern der Angelegenheit ab: Wenn Zeit verstreicht, können auch bewußtseinslose Körper ihr Verhältnis in der Raumzeit zueinander ändern, ohne daß dabei eine Entropie meßbar wäre: Zeit ist nur eine Anschauungsform für Veränderung, und diese Veränderung muß nicht notwendigerweise Richtung Entropie stattfinden. Sie kann auch in der entgegengesetzten Richtung stattfinden: Indem wir uns z.B. erinnern, geschieht dies.
Probleme bekommt man mit dieser Vorstellung, wenn man sich die Zeit wie den Raum vorstellt und überlegt: Wie kann denn dann ganz konkret ein Köper sich in diesem
Zeitraum zurückbewegen? Dann aber hat man eben schon zu sehr den abstrakten Charakter der Zeit vergessen, welche eben eine Anschauungsform, keine "Raum" ist. Witzigerweise vergessen wir ja auch immer, daß Raum nur eine Anschauungsform ist, und müssen uns erst mühsam klar machen, wie anti-intuitiv die Dreidimensionalität ist, wenn wir sie näher betrachten. Mein Lieblingsbeispiel: Daß ein Punkt keine Ausdehnung hat, kann man nicht denken, sondern nur akzeptieren. Wir können einen Punkt, an welchem sich zwei Linien schneiden, exakt definieren. Und dieser Punkt hat eine Ausdehung von Null. Entsprechend hat jede Linie unendlich viele Punkte. Eine ganz kurze Linie hat ebenso unendlich viele Punkte wie eine ganz lange Linie.
Als Menschen stellen wir uns aber einen Punkt eben nicht als Punkt vor, sondern als winzig kleine Materieansammlung: Als Tintenklecks, als Staubkorn... Ein Punkt ist in unserer Vorstellung immer schon irgendwie dreidimensional. Wir können uns etwas, das in einer ein- oder zweidimensionalen Welt existiert, nicht vorstellen. Geht nicht. Wir können diesbezügliche Aussagen zwar als logisch richtig anerkennen - aber vorstellen können wir uns ihren Inhalt eben nicht. Wir können uns Existenz nur in der dreidimensionalen Welt vorstellen. Und da auch nur, indem wir irgendwelche Körper denken: Eine Vorstellung vom Vakuum haben wir nicht, außer eben inform von Negationen: Ein Raum ohne Körper...
Naja, ich hab da vorgestern einen ganzen langen Abend mit meiner Nachbarin drüber herumphilosophiert, entlang einer Reihe von Wein enthaltenden dreidimensionalen Glaskörpern...
Und am Ende waren wir uns einig, genaugenommen von nix eine Ahnung zu haben. Aber das war trotzdem lustig.
Wenn ich Zeit und Mittel hätte, würde ich gern noch auf meine alten Tage ein Mathematik- ein Physik- und ein Philosophie-Studium durchziehen. Sobald ich den Lotto-Jackpot geknackt habe, werde ich mich einschreiben...
@Val: Ich kann Deine Herangehensweise an das Thema zwar nachvollziehen, halte sie allerdings für fragwürdig. Du scheinst in religiösen Fragen vor allem ein ästhetisches Phänomen zu sehen, heilige Texte scheinen für Dich sowas wie "schöne Literatur" zu sein, wie Gedichte oder sonstwelche unverbindliche Belletristik. Damit klammerst Du die eigentliche Natur aller Religion aus, nämlich ihre Tendenz, ethische Richtlinienkompetenz zu beanspruchen. Wenn ich z.B. den christlichen Gottesbegriff kritisiere, dann tue ich das nicht, weil es mir sonderlich wichtig wäre, wie andere Menschen sich die Welt erklären, sondern weil andere Menschen aus ihrer Welterklärung meinen ableiten zu können, daß sie Homosexuellen das Heiraten verbieten dürfen. Religion ist
immer politisch, wenn man das übersieht, hat man den Kern der Sache nicht begriffen. Der Glaube an einen Gott ist nur ein religiöses Argument in der politischen Auseinandersetzung. Und wenn man ein Argument in der Diskussion nicht anerkennen mag, muß man es halt entkräften/widerlegen.
Mein besagter "Opponent" hat ja nicht nur bestimmte Vorstellungen über Gott. Sondern er hat Vorstellungen darüber, wie Kinder erzogen werden sollten, wie die Rechtsprecheung auszusehen hat, wie die Verteilung der wirtschaftlichen Güter und so weiter und so fort. Er hat eine Vorstellung davon, wie Menschen zusammenleben sollen. Meine Vorstellung unterscheidet sich von der seinen. Er bringt als ein wichtiges Argument für seinen Standpunkt, daß Gott dieses und jenes wolle. Also bleibt mir, der ich Argumente als das einzig legitime Instrument in der Auseinandersetzung betrachte, sein Argument entkräften. Und das geht nur, wenn ich es ernst nehme.
Dein Vertrauen auf die Intuition und das Subjektive ist sympathisch, aber meiner Meinung nach einseitig. Sich nur von seiner Intuition leiten zu lassen, bringt auch in der Kunst meiner Meinung nach nur selten etwas Großes hervor. Die meisten wirklich überragenden Künstler waren
auch gute Kunsttheoretiker: Goethe, Schiller, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Dürer, Bach, Beethoven, Mahler... Und wenn man sich heute mal näher mit guten Jazzmusikern unterhält, dann wird einem schnell klar, wie extrem viel Wissen über das "Funktionieren" von Musik die haben. Zwei meiner besten Freunde sind Jazzmusiker, einer von denen komponiert ziemlich modern-abgefahrene Sachen - und die letzte Komposition, die ich bei ihm in der Wohnung sah, wirkte wie der Strategie-Entwurf für eine Weltraumschlacht.
Wenn der anfängt, mir seine Kompositionen zu erklären, dann winke ich schon nach wenigen Sätzen ab, weil ich eh nix kapiere. Aber wenn er während einer Session zu einem seiner Soli einsetzt, dann bin ich jedesmal ganz hin und weg...
Auf meinem "Gebiet" geht es mir ähnlich: Mich interessiert meistens nicht so sehr, ob ein Bild geil oder grottig ist, sondern
warum es sich so verhält. Herauszufinden, wo das Problem bei einer vermurksten Figur liegt, oder warum ein Farbklang so hervorragend funktioniert - das ist für mich viel befriedigender, als mir einfach nur ein supterdolles Kunstwerk anzugucken. Und über "happy accidents", die mir ja auch mitunter passieren, freue ich mich viel weniger als über eine gestalterische Strategie die
aufgeht wie eine mathematische Gleichung.
Ich hab mal ein Tutorial von einem großartigen Potrait-Maler gelesen, wo er step by step die Entstehung eines seiner Selbstportraits kommentierte. Irgendwo kam dann an einer Stelle: "Das Violett hab ich weggemacht, weil: ging nicht!"
Ich mußte schallend lachen darüber. Er hatte soooo Recht! Das Violett ging wirklich nicht an der speziellen Stelle. Und jeder versierte Maler wußte genau, was er meinte mit "ging nicht". Aber das war natürlich keine Erklärung, sondern ein: "Kein Bock, das jetzt zu erklären!" Die Erklärung wäre nämlich ziemlich kompliziert gewesen, man hätte sich weit und breit über die Farbenlehre auslassen müssen, um am Ende eine intellektuell befriedigende Erkärung dafür zu haben, warum das Violett da nicht ging. So nach dem Professoren-Motto: "Diesen Beweis können Sie in den Kapiteln 10 bis 17 in Band 4: "Grundlagen der Malerei" nachlesen. Genaueres finden Sie in der Literaturliste, die ich Ihnen am Anfang des Semesters gab."
Mein Punkt ist Folgender: Mit Wissen kommt man auch in der Kunst weiter als mit Intuition. Man muß nur das richtige Wissen haben und selbstverständlich gehört Intuition (die i.d.R. auf einer Menge Erfahrung beruht) mit dazu. Aber wenn man etwas intuitiv richtig macht, ist es schwierig, bei einer nächsten, ähnlichen Entscheidung wieder das Richtige zu machen: Man kann sich so schlecht selbst überprüfen, man erkennt die eigenen Fehler so schwer.