*hochschieb*
*umschau*
*lufthol*
Ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben genötigt, ein Spiele-Review zu schreiben. Unter anderem, weil ich fürchte, dass eine simple Empfehlung nicht reichen wird, weil das Spiel einfach von zu vielen bekannten Kritikern zerrissen wurde (Yahtzee, yiya, die Jungs von Penny Arcade... und ja, auch der Fachpresse). Ich möchte hier eine Gegendarstellung wagen, denn es ist mir wirklich ein aufrichtiges Anliegen, dass dieses Spiel von vielen Leuten gespielt wird. Unter anderem, weil ich auch zu den Leuten gehört habe, die wussten, dass es das Spiel gibt, es aber aufgrund der lauwarmen Rezensionen lange Zeit ignoriert habe.
Ich Narr.
Um welches Spiel geht es?
Brütal Legend
'What is this?'
'It's an angel singing!'
'It's a devil screaming!'
'It is the hammer of creation pounding on the anvil of time!'
'It is fucking awesome!'
'It is called... Heavy Metal.'
Brütal Legend ist die gesamte Großartigkeit von Metal, geformt zu einem Computerspiel.
An alle, die nicht die geringste Ahnung von Metal haben:
Macht euch keine Gedanken. Das Spiel verlangt kein enzyklopädisches Wissen über Metal oder Bands, um Spaß zu machen. Klar, wenn eine riesige Fledermaus mit dem Gesicht Ozzy Osbournes damit droht, einem den Kopf abzubeißen, ist es ein Bonus, wenn man den Gag kapiert - aber so lange man das Grundprinzip von Heavy Metal kapiert, hat man seinen Spaß mit dem Spiel. Und was ist das Grundprinzip von Heavy Metal, höre ich euch fragen?
Lasst euch das am besten von
Joey erklären, ich warte solange.
Okay, alles verstanden? Steel, Glory, Battle, soweit kapiert? Gut. Bitte überspringt den nächsten Abschnitt, war sehen uns dann unten wieder.
An alle, die Metall in den Ohren haben:
Brüder! Ich verkünde euch das Evangelium! Dieses Spiel wird durch reine Großartigkeit angetrieben, es ist alles, wirklich
alles, was jemals in einem Metalsong besungen wurde, und es blinzelt dabei kein einziges Mal. Dieses Spiel ist ein Tribut, und ihr schuldet es euch, es zu spielen.
Bitte erlaubt mir, euch davon zu überzeugen.
Aber worum geht es eigentlich?
Eddie Riggs ist Roadie in einer Metalband, was erstmal wie eine tolle Sache klingt. Dummerweise hat sich auch dieser Musikstil weiterentwickelt, und man möchte fast sagen, dass diese Entwicklung... nicht ganz problemlos verlief. Plötzlich gibt es DJs auf der Bühne, Rapeinlagen, Texte über Liebeskummer – Eddie kann so ziemlich alles reparieren, was er in die Finger kriegt, aber das nicht. Er hat das Gefühl, zu spät geboren zu sein. Er hätte gerne früher gelebt, damals, als die Musik noch etwas bedeutet hat.
Nein, nicht die Siebziger. Noch früher.
Die
frühen Siebziger.
Dann kracht eines Tages die Bühne über ihm zusammen... und aus dem Blut des Roadies wird der Avatar Ormagödans geweckt, seines Zeichens Gott des Heavy Metal, der Eddies Seele zurückholt in das metallene Zeitalter, um dort, ihr ahnt es schon, gegen die Feinde des Metals zu kämpfen.
Ich weiß, was ihr denkt, und ihr liegt falsch. Nein, dieses Spiel ist
nicht ein einziger Manowar-Song.
Dieses Spiel ist ein einziges Manowar-
Album. Und es hat meine ewige Loyalität aus dem einen Grund, dass es das alles nicht als Satire präsentiert – denn mein Gott, wie leicht wäre es gewesen, in diese Falle zu tappen. Wenn eure Heil-Unit Killmaster heißt, von Lenny gesprochen wird und eure Einheiten mit Basssolos heilt, weil Bässe gut für die Seele sind... dann braucht es einen verdammt guten Schreiber, um das nicht lächerlich, sondern awesome wirken zu lassen.
Tim Schafer, Schaffer von Psychonauts und Full Throttle, ist ein verdammt guter Schreiber. Dieses Spiel ist keine Parodie. Es eine Hommage, und ich spüre Demut in meinem Herzen, dass er das hingekriegt hat.
Eddies Waffen sind einmal eine einhändig geführte Doppelaxt, weil Metal, und dann... eine Gitarre. Eine Gitarre, mit der er spontan Gegner mittels Pyrotechnik in Flammen aufgehen lassen kann. Eine Gitarre, deren Riffs den Boden erschüttern, die die Relikte der Vorväter erweckt, deren Solos so face-meltingly-awesome sind, dass sie euren Gegnern buchstäblich das Gesicht wegschmelzen, und mit deren Hilfe ihr einen bleiernen Zeppelin (
) beschwören könnt, der auf eure Feinde herabstürzt.
Um vorwärts zu kommen, habt ihr einen Hot Rod. Einen Hot Rod, den ihr tunen könnt. Und Lackieren. Und mit Miniguns und Raketenwerfen bewaffnen. Und der, eingebaut als Standard, das Mouth of Metal hat, ein heiliges Artefakt, das euch die Hohelieder der Ahnen spielt...
[Liebe Nicht-Metaller, es folgt ein bisschen generde. Bitte verzeiht.]
Und meine Fresse, was für Hohelieder das sind! Anthrax, Black Sabbath, Motörhead, King Diamond, Megadeth, Judas Priest, Anvil... wenn es in den ersten 25 Jaren des Heavy Metal wichtig war, ist es auf dem Soundtrack vertreten. Wenn nicht, vermutlich auch.
Brocas Helm waren weitestgehend unbekannt, bis das Spiel rauskam.
Die einzigen Bands, die leider nicht vertreten sind, sind Metallica und Iron Maiden. Metallica, weil sie sich niemand leisten kann, und Maiden aus... komplizierten Gründen (die Hauptfigur heißt Eddie Riggs. Maidens Maskottchen heißt Eddie, gezeichnet von Derek Riggs, und Maiden wollten nicht, dass es so aussieht, als würden sie Werbung für das Spiel machen, und als sie genug von dem Spiel gesehen hatten, um prinzipiell sehr gerne Werbung dafür machen zu wollen, war die Entwicklung zu weit fortgeschritten (sprich, das Budget für die Musik aufgebraucht), um sie noch reinzunehmen).
Gerade im Fall von Maiden tut mir das auch durchaus weh (ein paar Szenen aus dem Spiel schreien geradezu nach „Run to the hills“), aber herrje. Ich habe ja
125 andere Songs, die mich darüber hinwegtrösten.
/Metal-Generde Ende.
Was genau ist das Spiel eigentlich?
Relativ viel. Vor allen Dingen ein Hack&Slay mit Echtzeitstrategie-Elementen, auch wenn die Fachpresse das mitunter falsch verstanden hat. Yahtzee nennt die RTS-Elemente umständlich, und Penny Arcades
„if it quacks like a duck“-Argument geht auch in diese Richtung.
Das Problem ist, dass ich, wenn ich diesen Leuten, die ihr Geld mit dem Spielen von Videospielen verdienen, ein „You're playing it wrong!“ entgegensetze, wie ein entrüsteter Fanboy klinge. Ich gebe zu, an der Stelle bin ich das auch. Ich bilde mir aber ein, dabei keineswegs irrational zu sein.
Lasst mich erklären.
Nach ungefähr drei Stunden im Spiel habt ihr es geschafft, eine gewisse Anzahl an Fraktionen auf eure Seite zu ziehen. Also tauft ihr euch daraufhin Ironheade (mit einem E am Ende, damit die Leute wissen, dass ihr's ernst meint) und startet die 'Tour of Destruction'.
Worauf läuft das hinaus?
Stagefights.
Ihr habt eine Hauptbühne, über die ihr Einheiten rekrutiert. Ihr habt Ressourcen in der Form von Fanseelen, die ihr über Merchandise-Stände anlockt. Und ihr habt die Möglichkeit, eurer Armee eine Richtung vorzugeben, in die sie marschieren soll.
So weit, so gut.
Aber nach diesen zehn Sekunden tut ihr enorm gut daran, euch aus dem hohen Thron des Feldherren zu erheben und euren Hintern schleunigst an die Front zu bewegen, wo ihr gebraucht werdet.
Nicht, weil Eddie die kampfstärkste Einheit wäre, oh nein. Das hier ist nicht Devil May Cry. Eddie kann ganz gut auf sich aufpassen, aber zumindest die High-Tier-Einheiten werden durch euch durchgehen wie durch Butter.
Und der Grund dafür ist, dass Eddie nicht der Held der Geschichte ist, zumindest nicht im klassischen Sinne. Der held heißt Lars, hat wallendes blondes Haar, einen gestählten Waschbrettbauch und ein echt cooles Schwert. Und er zitiert regelmäßig Conan
Wir lernen ihn nach ungefähr einer halben Stunde im Spiel kennen; er ist der Typ, über den man später die Lieder schreiben wird.
Eddie hingegen... ist ein Roadie. Und die Aufgabe eines Roadies ist es, andere gut aussehen zu lassen.
Dementsprechend ist Eddie immer dann wirklich gefährlich, wenn er mit anderen Einheiten zusammenarbeiten kann. Wenn er einen Moshpit organisiert, um die gegnerische Formation zu stören, beim Pyrobiker mitfährt, um feindliche Einheiten in einem Ring aus Feuer einzuschließen, oder einfach Lars durch die Gegend trägt, damit dieser von einer erhöhten Position aus kämpfen kann.
Die meisten Rollen- und RTS-Spiele haben eine Supporteinheit. Brütal Legend auch. Sie heißt Eddie Riggs.
Dass das bei den Kritikern nicht allzu gut ankam, liegt glaub ich nur zum Teil an der mangelnden Flexibilität der Kritiker, und zum anderen am irreführenden Marketing durch Electronic Arts. EA hielt Echtzeitstrategie damals für ein totes Genre und hat diesen kompletten Teil unter den Teppich gekehrt (auch sehr schön zu sehen an den Trailern, die über das Gameplay kein Wort verlieren und sich statt dessen allein auf Jack Black konzentrieren). Wenn man aber vorgewarnt an das Spiel herangeht und es dann auch so spielt, wie das Spiel einem sagt, dass man es spielen soll... dann machen diese Battles, in denen man mit einem Haufen Gruftis um die Vorherrschaft der Trockeneisminen kämpft, allen Ernstes eine Menge Spaß und sind auch sehr gut ausbalanciert.
Das soll nicht heißen, dass Brütal Legend perfekt wäre. Die Single-Player Kampagne wirkt im letzten Drittel etwas gehetzt, was einige der dramatischeren Momente – nicht ins Leere laufen lässt, aber sie doch schwächer wirken lässt, als sie sein müssten. Das ist schade, und wäre mein Hauptkritikpunkt.
Andere hingegen beschweren sich, dass sich der Hot Rod schwierig steuern lässt. Hm.
Prinzipiell ist das nicht unwahr. Aber: Wenn ihr, aus vollen Rohren feuernd, durch die gegnerischen Reihen pflügend, von Panthera beschallt (kurz gesagt:
so aussehend) allen Ernstes die nicht allzu realistische Steuerung bemängeln könnt... dann seid
ihr das Problem.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sie Sidequests teilweise repetativ sind.
Ich gebe zu, dieser Kritikpunkt ist valide.
Eine mindestens ebenso valide Gegenkritik wäre aber, dass ich im Spiel gerade in einem Dschungel unterwegs bin, in dem halbnackte, aztekische Black-Metal-Chicks auf feuerspeienden Pumas umher reiten,
so shut the fuck up!
In den ersten fünf Minuten des Spiels habe ich gegen verhüllte, schwertschwingende Druiden gekämpft und mit einigen epischen Gitarrenriffs ihren Tempel zu Einsturz gebracht. Anschließend bin ich auf einer gewaltigen Metallspinne durch die Gegend geritten, habe mich Seite an Seite mit einer akrobatischen Goth-Metallerin durch ein Heer von Industrial-Fans gekämpft, einen Lindwurm bezwungen und bin, zu guter Letzt, über eine zusammenstürzende Brücke, das Mädel auf dem Beifahrersitz, irre lachend fliehende Kultisten überfahrend, in die Freiheit entflohen.
Das war die erste halbe Stunde des Spiels. Das war das verdammte
Intro.
Und das rettet in meinen Augen dann auch das Spiel. Ja, die Verteidigungs-Sidequests sind zu eintönig (obwohl es auch hier ein paar Perlen gibt). Ja, das Spiel hätte ruhig mal irgendwo erwähnen können, dass das Tourbuch auswendig gelernt gehört, wenn man in den späteren StageFights nicht untergehen möchte. Ja.
Aber das alles Kleinigkeiten, die von der enorm liebevollen Präsentation mehr als wett gemacht werden. Ich hatte über die gesamte Spielzeit hinweg höllische Probleme, das Grinsen aus meinem Gesicht zu kriegen. Die Graphik, die Spielwelt, das Voice-Acting, der Soundtrack... in alledem steckt Herzblut, und Herzblut bedeutet für mich eine ganze Menge.
Andere Spiele geben einem Achievements für eine bestimmte Anzahl von getöteten Gegnern. Brütal Legend gibt einem Achievements, wenn man es schafft, mit dem Hot Rod über ein mit Stoßzähnen aus Stahl bewehrtes Mammut zu springen. Oder eine Säbelzahnantilope beschwört und mit dieser anschließend über den halben Kontinent reitet, nur um sie im finalen Sprung im See der schwarzen Tränen zu versenken. Why? Because it's awesome!
Das Spiel steht bei mir auf einer Liste mit Planescape und dem ersten und dritten Deus Ex, und es ist eine Schande, dass es nicht von mehr Leuten gespielt wird. Was letzten Endes auch der Grund ist, aus dem ich diese Empfehlung schreibe. Ich habe das Spiel bei Steam für fünf Euro im Angebot gekauft, und ich fühle mich schäbig, nur so wenig bezahlt zu haben. Dann möchte ich wenigstens ein bisschen Werbung dafür machen.
Wenn ihr auch nur ansatzweise etwas mit Metal anfangen könnte, ist das Spiel eigentlich ein Pflichtkauf. Wenn ihr beim Hören von Metal zumindest keinen spontanen Ausschlag kriegt, ist das Ding immer noch enorm empfehlenswert, wegen seinem Humor, der Story und dem ganz generell schönen Gameplay. Holt euch im Zweifelsfall die Demo, aber... versucht euch an dem Spiel. Euch entgeht sonst was.