[Schreibwettbewerb - Runde III - forfeit] Zelon Engelherz

Enigma

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Wir alle machen Fehler.
Ich zum Beispiel, vertauschte einmal ein tödliches Gift für meine Bolzen mit einem Schlafmittel.
Zwar fiel die betreffende (und ab da schlafende) Zielperson anschließend in die Tiefe und man lobte meinen außerordentlichen Einfallsreichtum, aber es änderte nichts daran, dass mir die ganze Sache dann doch sehr peinlich war und ich versuchte sie zu vergessen.
Wie gesagt, niemand ist perfekt.
Hätte mein letzter Schutzbefohlener, der Magier Triljis Draeck sich dies vor Augen gehalten hätte, wäre er wohl von den wilden Wüstenbewohner vielleicht nicht einen Kopf kürzer gemacht worden.
Und mir selbst wären vielleicht die bizarre Begegnung mit dem Mann mit den zwei Gesichtern erspart geblieben.

*​

Den darauf folgenden Tag, marschierten wir, die letzten zwei Überlebenden des Angriffs, weiter.
Auf Grund einer Verletzung am Bein( es schmerzte höllisch und ich war lediglich in der Lage es mit aller Kraft wie ein Bleigewicht hinterher zu ziehen) , musste ich mich auf einen Wanderstab stützen und blieb hinter Kohres, leider Gottes mein Begleiter, zurück. Der hatte sein Gesicht zu Gänze in Bandagen gehüllt und tat das, was er all die Wochen davor während unserer Reise getan hatte: Schweigen.
Mir selbst war dies Recht, da mir seine Gesellschaft im Grunde meines Herzens sehr zuwider war. Umso ironischer die Tatsache, dass wir beide aufeinander angewiesen waren. Da ich mich auf Grund meines Zustandes nicht verteidigen konnte, musste er diesen Part für mich übernehmen.
Und da ich die einzige Person war die seinem misshandelten Geist, mit Hilfe eines speziellen Trankes, Frieden schenken konnte, abgesehen von dem verstorbenen Triljis, stand es auch nicht in seinem Interesse mich zu töten.
Zumindest solange bis wir die nächste Oase der Zivilisation erreichten.
Während die Sonne aus unseren Körper jeden einzelnen Tropfen Wasser wrang und wir weiterhin einen Fuß nach den anderen setzten, warf mir mein verhüllter Begleiter ein-, zweimal einen Blick aus seinem verhüllten Gesicht heraus zu und ähnelte dabei einem tollwütigen Hund, den sein Herrn so viele Betäubungsmittel gab um das arme Tier nicht noch mehr leiden zu lassen, was aber im Grunde nichts an seiner lebensgefährlichen Natur änderte.
Kohres würde irgendwann die Hand seines Herrn beißen, das wusste ich nur zu gut.
Bis dahin musste ich jedoch eine Möglichkeit gefunden haben, ihn ohne großen Aufwand einzuschläfern.
Die kühle Abenddämmerung hatte etwas Erlösendes an sich, als wir endlich anhielten und unser Lager aufschlugen.

*​

Ich liege mit weit geöffneten Augen auf der rechten Seite und starre in die Dunkelheit vor mir, während mein Rücken von der Hitze des Lagerfeuers gewärmt wird und mein Begleiter Wache hält.
In wenigen Herzschlägen wird er mich wecken , damit ich ihn ablöse, was mir die Gelegenheit geben wird in aller Ruhe seine Medizin zuzubereiten und mein Leben für einen weiteren Tag verlängern wird.
Doch mein Instinkt verrät mir, dass dieses Mal etwas ganz und gar nicht stimmt.
Es ist dieselbe Szene, wie seit drei Tagen( oder sind es bereits drei Wochen?) und doch liegt etwas in der Luft, etwas fast Greifbares, eine Veränderung der gewohnten Routine.
Es fühlt sich fast an, als läge Magie in der Luft.
Dann fängt Kohres an zu sprechen.
,,Ich weiß, dass Du wach bist mein Junge. Ich würde es sehr schön finden, wenn Du dich umdrehen würdest. Wir haben viel zu bereden.’’
Es ist Kohres Stimme, aber sie klingt anders.
Kratziger, tiefer, als würde sie ihn nicht gehören und er versucht sie seinen eigenen Bedürfnissen anzupassen.
Ist das ein Trick?
Ich halte inne und beginne nachzudenken.
Trijlis, hoffentlich leidet er in den Höllen für seine Dummheit, hatte zu sehr auf seine magischen Fähigkeiten und der Bewaffnung seiner Wächter verlassen, als die Bedinen unsere Karawane aufgerieben hatten.
Ich verspüre nicht die geringste Lust darauf, wie er zu enden und meinen Begleiter zu reizen, denn wer weiß was er damit bezweckt?
Allerdings wird mich abwarten ebenfalls früher oder später umbringen, warum also das Ganze unnötig in die Länge ziehen?
Mein Entschluss steht fest.
Langsam drehe ich mich um und erwarte dabei den Schwertstreich, der mein Leben beenden wird.
Er bleibt jedoch aus, was mir die Möglichkeit gibt mich mühsam aufzusetzen
Für einen Herzschlag raubt es mir tatsächlich den Atem, als ich den Blick meines Gegenübers begegne.
Es liegt nicht an seinem Gesicht.
Der Säbel des Bedinen hat ganze Arbeit geleistet und seine Mundwinkel bis zum Ende seiner linken Wange verlängert, was den bizarren Eindruck erweckt als würde er ständig lächeln.
Dies trifft zumindest auf seine rechte Gesichtshälfte zu.
Bei seinem zweiten Hieb hatte der Wüstenkrieger eine gerade Linie gezogen, die Kohres sein linkes Auge kostete und die Wunde bis zum Anfang seiner Lippen zog. Die Wunden können nicht sehr tief sein, da jeder andere wohl daran gestorben wäre.
Ich habe schon Schlimmeres gesehen und im Verlauf meiner Karriere bei den Verhüllten Magiern anderen zugefügt.
Nein, es ist wirklich nicht sein Gesicht.
Es ist dieses ruhige gelassene Lächeln auf seinen Lippen, die Art wie er ,scheinbar geduldig, im Schneidersitz dasitzt und der helle, silberne Schimmer der die Leere seiner linken Augenhöhle zu Gänze ausfüllt und direkt auf mich( und damit tief in mein Innerstes) zu blicken scheint.
Dass sein Schwert, von seiner Scheide befreit und auf seinen Schoß liegend, in derselben Farbe wie sein Auge leuchtet, bemerke ich allerhöchstens beiläufig.
Sein Lächeln wird noch etwas breiter und er beginnt wieder zu sprechen, mit dieser kratzigen, tiefen Stimme, die er nun sein eigen nennt.
,,Sehr gut. Schön, dass wir beide uns endlich mal unter vier Augen unterhalten können.
Allerdings waren lange Rede nie so meine Stärke, also komme ich gleich auf den Punkt:
Ich brauche deine Hilfe, um den Jungen wieder auf den richtigen Pfad zu führen
Und Du brauchst mich, damit er dir nicht einfach die Kehle durchschneidet.
Ich bin übrigens Mircus, erfreut deine Bekanntschaft zu machen.’’

*​

Als Kohres erwacht, ich sehe es an dem mürrischen Blick dass er nun wieder er selbst ist, zittern seine Hände als er den Trank entkorkt und seinen Inhalt mit gierigen Schlücken hinunterschluckt.
Der Anblick ist so erbärmlich, dass er mir schon fast leid tun könnte.
Glücklicherweise reichen sein unwirsches Schnauben und ein verächtlicher Blick aus seinem verblieben Auge vollkommen aus, um diese Ansätze von Schwäche augenblicklich abzutöten.
Stattdessen konzentriere ich mich auf wichtigere Dinge, als ich mich mit seiner Hilfe aufrichte und anschließend auf meinen Stab abstütze.
Zum Beispiel auf die Frage, ob es wirklich eine gute Idee war die vorgeschriebene Dosis auf ein Minimum zu beschränken und das Gebräu stattdessen mit Geschmack verstärkenden Kräutern zu würzen.
Oder sich mit der nächtlichen Zweitpersönlichkeit des Söldners einzulassen.
Während wir aufbrechen, Kohres wieder vorne ich hinter ihm, reise ich gedanklich wieder zurück zum gestrigen Abend...

*​

Mircus erzählt weiter.
,,Kohres und ich kennen uns schon seit bald drei Jahren, wenn Du es so willst. Das Schwert gehörte ursprünglich mir und ich zog sozusagen in seinen Kopf ein, als er es zwei Grabräubern abnahm.
Ja, ich bin ein Geist, Du verstehst es schon richtig. Ich konnte durch das Schwert zurück in diese Welt finden und unser gemeinsamer Freund bot mir außerdem die perfekten Voraussetzungen für eine Übernahme. Ich will da nicht allzu sehr ins Detail gehen. Sagen wir einfach, dass ich bei vielen anderen mehr Schwierigkeiten gehabt hätte. ‘’
Seine Stimme ist ruhig, gelassen, als wüsste er schon wie es ausgeht. Zumindest fährt er im Plauderton weiter fort.
,,Es war schon fast zu einfach, aber mir war das Recht. Am Anfang habe ich langsam aber stetig, die Kontrolle übernommen und ihn sozusagen indirekt immer in die Richtung laufen lassen, die ich bestimmte. Mit der Zeit hätte ich seinen Geist wohl bald zu Gänze übernommen, aber dann drang ein weiterer Geist in ihn und brachte ihn dazu, sich an eine seiner Jugendsünden zu erinnern und wühlte den armen Kerl richtig auf. Ich konnte den kleinen Schmarotzer schnell wieder vertreiben, aber der Schaden war auf jeden Fall groß genug und sein Unterbewusstsein auf die erste Idee zu bringen mich loszuwerden.
Eine vollkommen idiotische zwar, aber es hat mir die Sache wesentlich erschwert.
Es begann ihn mit Alpträumen zu plagen, die stark genug waren um seine Gedanken soweit aufzuwühlen, dass ich meine liebe Not hatte mich wieder zurechtzufinden.
Irgendwann konnte ich dem entgegenwirken, indem ich ihn stattdessen Erinnerungen aus meinem eigenen Leben einflösste. Klingt merkwürdig, aber es hat funktioniert. Bis dahin wusste ich nicht mal, dass ich so was überhaupt konnte.’’
Er niest sich in die Rechte und kurz erlischt das Silber in seinem Auge, wie auch auf der Schwertklinge, ehe beide nach einen Herzschlag wieder zu leuchten beginnen.
Micus wischt sich seine Hand am Hemdsärmel ab.
,,Entschuldige, ich konnte diese kalten Nächte noch nie so gut ab.
Wo war ich? Ah ja, genau. Die Träume.
Wie gesagt, ich gab ihn meine eigenen Erinnerungen und verwirrte ihn damit so sehr, dass er bald nicht mehr wusste wer er war und was echt ist und was nicht. Das ließ seine geistigen Barrieren wieder fallen und ich konnte mich langsam wieder an die Arbeit machen.
Tja, alles lief also bestens und dann machte er mir wieder alles kaputt, indem er sich verliebte.
Kann man sich kaum vorstellen oder? Ist aber so.
Wie gesagt, er verliebte sich in eine Adeptin, ziemlich steif übrigens, und durch sie fand er zu etwas Ruhe. Lag mehr an ihr, als an den Übungen die sie ihn lehrte, aber es reichte aus damit sein Geist wieder einige Barrieren gegen mich errichten konnte und mich sogar in die dunkelste Ecke seines Kopfes verbannte.
Glücklicherweise klappte das mit ihnen nicht und er begann genug zu saufen um jede noch so hohe Mauer in seinem Hirn hinwegzuschwemmen.
Ich langweil dich doch nicht oder?’’
Er schaut mich fragend an und ich schüttele nur den Kopf. Sein Lächeln wird breiter.
,,Keine Sorge, ich bin gleich fertig. Hab mich wohl etwas hinreißen lassen.
Ist wirklich schon verdammt lange her, dass ich mal mit jemanden gesprochen habe.
Tot sein ist nicht schön, das sage ich dir.
Lass dir da bloß nichts anderes erzählen.
Um es diesmal wirklich kurz zu machen: Das Gebräu, dass Du und dein Magierfreund ihn da seit zwei Monaten gibt ist die reine Qual für mich. Da er auf Grund der Droge kaum noch zum Denken in der Lage ist und auch nicht mehr träumt, habe ich nichts wo ich ansetzen könnte um ihn zu kontrollieren und sitze damit wie im Gefängnis. Das ist nicht nur für mich schlecht.
Dir ist doch aufgefallen, wie Kohres durchdreht wenn es zum Kampf kommt oder?
Das liegt am Schwert. Es besitzt ebenfalls so etwas wie rudimentäre Intelligenz und das ist für keinen außer ihm selbst gut.
Ich konnte früher für einen klaren Kopf im Kampf sorgen, vor allem da meine Familie gegen die Auswirkungen die Kräfte des Schwertes immun ist.
Mein Geist hat also den Geist der Klinge davon abgehalten, bei jeder Gelegenheit ein Blutbad anzurichten.
Da jedoch meine Präsenz langsam immer mehr zurückgeht, wird es immer stärker und am Ende wird Kohres nur noch auf eine einzige geisterhafte Stimme hören.
Damit dürfte auch deine Frage beantwortet sein, warum Du mir dabei helfen solltest endgültig die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen.’’
Seine Mundwinkel fallen nach unten und jeglicher Schalk in seinem rechten Auge erlischt zu Gänze.
Mir gibt es die nötige Zeit, um über das Gesagte nachzudenken.
Als erste verwerfe ich den Gedanken, Kohres leide lediglich unter den Nachwirkungen seiner Kopfverletzung.
Man dient nicht so viele Jahre unter Herren wie den Verhüllten Magiern, ohne etwas von ihrer Kenntnis des Übernatürlichen mitzunehmen.
Und so wie sich Mircus gibt, bin ich von seiner Echtheit überzeugt. Die Hoffnung über ihn doch noch heil aus dieser Sache rauszukommen, tut ihr übriges, allerdings sind mir einige Details noch längst nicht klar. Ich runzle die Stirn, als ich zum ersten Mal (sieht man von meinem knappen “Ino” zu unserer Vorstellung ab) in dieser Nacht, das Wort an ihn richte.
,,Ihr sagt, dass Euch der Trank daran hindert die Kontrolle über Kohres zu übernehmen.
Wie kommt es dann dass Ihr nun hier sitzt und Euch mit mir unterhaltet, während Ihr seinen Körper eindeutig kontrolliert?’’
Er zuckt mit den Schultern.
,,Ganz einfach, ich bin es bisher langsam und vorsichtig angegangen. Aber jetzt läuft mir die Zeit davon und ich habe diesmal alle Kraft zusammengenommen, um mit dir zu reden und dich für meinen Plan einzuspannen.’’
,,Auf den kommen wir gleich noch einmal zu sprechen. Mich würde jedoch interessieren, warum Ihr mich jetzt nicht einfach tötet und damit Kohres von seiner einzigen Quelle zum Trank abschneidet. Wäre das nicht viel einfacher, als mit mir zu reden und es eventuell zu riskieren, dass ich Kohres weiterhin versorge?’’
Ich frage um ihn zu provozieren. Selbstverständlich möchte er mich nicht töten, zumindest jetzt noch nicht, aber es ist vielleicht informativ den Grund noch einmal aus seinen, beziehungsweise den seines Wirts, zu hören.
Er kneift die Augen, ja sogar das Silberne, ohne große Regung zusammen, betrachtet mich kurz und schüttelt dann den Kopf.
,,Nein. Das würde ihn nur unnötig aufwühlen und würde mir auf Grund des Gefühlschaos die ganze Sache wahrscheinlich wieder nur erschweren. Ich will diesmal mit aller Kraft versuchen ihn zu übernehmen und wenn er ahnungslos ist, dürfte mir das wohl leichter fallen, als wenn er sich die ganze Zeit fragt wieso er dich umgebracht hat oder?
Nein, lebend nützt Du mir mehr.
Abgesehen davon, habe ich nie etwas davon gehalten andere Leute umzubringen, wenn es vollkommen unnötig ist.’’
Er zuckt erneut mit den Schultern.
,,Wir sind beide aufeinander angewiesen. Wenn Du ihn den Trank gibst, war es das für mich und wenn ich nicht eingreife, bringt dich Kohres aus eigenen Antrieb oder weil das Schwert es ihn sagt um.
Wir können beide also nur gewinnen.’’
Vorausgesetzt er sagt die Wahrheit, was ja bisher noch nicht zur Debatte stand.
,,Und wie soll ich Euch anschließend helfen?’’
,,Gib Ihn einfach wie jeden morgen seine Medizin, aber verdünn die Portion so sehr dass die Wirkung weitgehend ausbleibt. Halt dich ansonsten von ihm fern und überlass den Rest mir.’’
Klingt einfach.
Viel zu einfach.
Allerdings fällt mir immer noch keine bessere Alternative ein.
Ich halte noch einmal inne, wäge im Kopf alles noch einmal ab, drehe mich weiterhin geistig im Kreis und lächele meinen Gegenüber, schlussendlich leicht gequält an.
,,Findet Ihr nicht, dass Ihr einiges riskiert wenn Ihr mich ins Vertrauen zieht?’’
Seine Antwort besteht aus einem erneuten Schulterzucken und einem weiteren, fast schon väterlichen Lächeln.
,,Vielleicht...’’
Seine Züge bekommen nun etwas Wehmütiges und der Körper des Söldners scheint um mehrere Jahrzehnte zu altern.
,,...aber wenn Du einen alten Mann wie mich fragst, ist das Leben nichts weiter als ein einziges Glücksspiel. Gelegenheiten, egal welcher Art, gibt es immer wieder und egal ob Du sie ergreifst oder an dir vorbeiziehen lässt, Du weißt erst am Ende ob das was Du gewählt hast ein Fehler war oder nicht....’’
Und das im Körper eines Mannes, der kaum älter als ich ist.
Er fasst mich wieder ins Auge, zum zweiten Mal an diesem Abend ernst.
,,Also was sagst Du nun? Bist Du dabei?’’
Ich zucke mit den Schultern, hatte meine Entscheidung wohl schon am Ende der Geschichte getroffen.
,,Habe ich eine große Wahl?’’
,,Nö.’’
Er fängt an zu lachen und ich kann mir ein kleines Lächeln, dann doch nicht verkneifen.
Ob das alles ein einziger großer Fehler ist oder nicht, in diesem Moment kommt es mir richtig vor.
Denn zumindest bin ich in dieser Nacht nicht vollkommen allein.

*​

Die Sonne ist auch weiterhin unser unerbittlicher Begleiter, quält uns mit ihrer heißen Berührung und heizt den Sand unter unseren Füßen weiterhin auf, während meine Kleidung erneut zu einer klebrigen zweiten Haut zu werden scheint.
Auf meinen Stock gestützt beobachte ich Kohres, der im Vergleich zum Vortag eine andere Gangart einzulegen scheint. Unsicher torkelt er hin und her, bleibt ein-, zweimal sogar stehen und hält sich die Stirn, nur um dann seinen Weg fortzusetzen.
Ich versuche einen Abstand von ihm zu halten, allerdings machen mich seine misstrauische Blicke nach hinten mehr als nur nervös.
Ahnt er vielleicht etwas?
War der ganze Abend doch nichts weiter als ein von ihm inszeniertes Schmierentheater, in dessen Verlauf er mich als Verräter entlarvt hat?
Ruhig Ino, ganz ruhig.
Du hast schon Schlimmeres überstanden, Du hast es schon mit gefährlicheren Männern als diesen Kretin aufgenommen.
Du wirst auch dieses Mal überleben.
Dieses Mal und all die unzähligen Male danach.
Wir gehen weiter, wie viel Zeit inzwischen schon vergangen ist weiß ich nicht, denn der Stand der Sonne scheint sich nicht zu ändern, ebenso wenig wie es die sandverseuchte Umgebung es nicht tut.
Plötzlich halten wir wieder an, da Kohres’ Körper von einem Hustenanfall geschüttelt wird.
Einen ziemlich heftigen, so verzweifelt wie er nach Atem ringt.
Diesmal liegt es nicht nur an der Hitze, als mir dicke Schweißstreifen das Gesicht hinunterlaufen.
Kohres spuckt aus und die Spucke ist mit deutlich sichtlichen Rottönen durchsetzt.
Er hält kurz inne, dann wendet er mir ruckartig das Gesicht zu. Das Blut läuft ihn aus der Nasenhöhle und hat auch seine Lippen benetzt, das verbliebende Augen tränt und die leere Augenhöhle bleibt so leer wie zuvor schon.
Vor Schreck lasse ich meinen Stock los und werde dadurch von meinem eigenen Gewicht in den Sand gedrückt. Er schmerzt unter meinen Handflächen, als ich mühsam versuche von ihm wegzukriechen.
Kohres sagt kein Wort und verzieht auch keine Miene, als er auf mich zukommt.
Ich krieche weiter, leide an den Händen und spüre wie mein wild schlagendes Herz meiner Brust zu entkommen versucht.
Der Söldner zieht quälend langsam sein Schwert aus der Scheide.
Ich verspüre das Verlangen zu weinen, aber ich kann nicht.
Ihr Götter, lasst es nicht so enden!
Wenn ich das hier überleben sollte, werde ich ein anderes Leben führen, ein Besseres!
Seine Schritte werden größer und gleich wird er bei mir sein.
Die Welt beginnt vor meinen Augen zu verschwimmen und plötzlich bin ich wieder Zuhause, in meinem kleinen Zimmer in Atkatla mit den Plänen für die neue Armbrust, die ich nie fertig stellen werde. Zumindest geben mir diese Bilder so etwas wie Frieden.
Ich lasse mich in den Sand fallen, spüre nun auch die Hitze in meinem Nacken und sehe den Söldner über mir gebeugt stehen, das Schwert zum Stoß erhoben.
Ich schließe die Augen und halte ganz genau, an der Szene in meinem Zimmer fest und bin bereit zu sterben.
Ich spüre nichts.
Das Zimmer löst sich immer mehr auf und am Ende bleibe ich alleine in der Dunkelheit zurück.
Ist das der Tod?
Ist es das was die Verstorbenen erwartet, wenn Ihr Lebensodem schlussendlich erloschen ist?
Mircus hatte Recht, tot zu sein ist kein sonderlich erstrebenswerter Zustand.
Vor allem da meine Handflächen und mein Nacken sich immer noch unglaublich heiß anfühlen.
Dann fühle ich Feuchtigkeit in meinem Gesicht und höre die kratzige, tiefe Stimme eines Engels.
,,Mach die Augen auf Junge, alles ist in Ordnung.’’
Ich öffne meinen Augen, (ich kann es tatsächlich noch!) und sehe den Körper, der mich die letzten Tage begleitet hat, aber wer kontrolliert ihn derzeit?
Meine Erleichterung kennt keine Grenzen, als ich einen leichten Silberschimmer in der linken Augenhöhle erkenne.
Lächelnd und blutbeschmiert an Nase wie Lippen, streckt mir Mircus seine Rechte hin, die ich ergreife, und zieht mich hoch.
Ich lande dabei in seinen Armen und endlich, endlich bin ich in der Lage zu weinen.
In meinem Herzen befindet sich keinerlei Reue, für das was ich getan habe.
Mögen mich die Götter dafür später strafen, ich tat was ich tun musste um zu überleben und mir ist zumindest noch dieser eine Tag vergönnt.
Vielleicht wird dem sogar der Übernächste folgen.
Es ist schön am Leben zu sein, egal wie falsch es ist was wir tun, um die Welt uns herum genießen zu können.
 
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