[Schreibwettbewerb - Runde II] Mantis / Lisra

Wer hat die bessere Geschichte geschrieben?

  • Mantis

    Stimmen: 8 57,1%
  • Lisra

    Stimmen: 6 42,9%

  • Umfrageteilnehmer
    14
  • Umfrage geschlossen .

Enigma

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Viel Vergnügen bei der Lektüre! :)

Die letzte Begegnung kann ich erst posten, wenn sich auch Darghs Beitrag bei mir eingefunden hat.

 
 

Enigma

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Mantis

Zärtlich glitten seine starken Hände über ihren Körper, drückten sie sanft zu Boden während seine Lippen die ihren suchten. Wie in jeder Nacht hatte sie die Augen fest geschlossen – so lange sie die Augen geschlossen hielt, konnte sie nicht sehen, wer er war, musste sie sein Gesicht nicht sehen, nicht akzeptieren, dass er es war. Der Rest ihres Körpers war seltsam willenlos: weder erwiderte sie seine Zärtlichkeiten, noch setzte sie sich dagegen zur Wehr. Nur ihre Augen waren unter ihrer Kontrolle – noch. Und so lange sie die Augen geschlossen hielt, musste sie nicht sehen, wer er war. So lange sie die Augen geschlossen hielt, konnte ihr nichts geschehen. So lange sie sich hinter ihren Augenlidern verstecken konnte, war sie sicher.

Doch sie schaffte es nie, die Augen die ganze Zeit über geschlossen zu halten. Früher oder später musste sie hinsehen, nicht, weil sie es wollte, sondern weil ihr eigener Körper zu ihrem Feind geworden war, sich gegen sie stellte.
Sie sah sein Gesicht vor sich, so dicht vor dem ihren dass sie seine Wimpern hätte zählen können, wenn sie denn genug Selbstbeherrschung gehabt hätte um ihren Blick zu fokussieren. Sie wollte schreien, doch wie in jener Nacht kam kein Laut über ihre Lippen. Sie wollte sich wehren, doch ihre Arme gehorchten ihr nicht. Sie wollte aufspringen und wegrennen, doch ihre Beine waren wie gelähmt. Und jetzt, da sie die Augen geöffnet hatte, konnte sie wieder diesen Ausdruck in seinem Gesicht sehen, der ihr noch viel mehr Angst machte als ihre eigene Bewegungslosigkeit. Und wie zuvor veränderte er sich. Was als Zärtlichkeit begonnen hatte, wurde zu sanfter Gewalt, dann zu purer Brutalität. Sie spürte keinen Schmerz, sie hatte auch in jener Nacht keinen Schmerz gefühlt, sondern nur das unerträgliche Gefühl der Erniedrigung, der Hilflosigkeit, der Wut. Und die Angst. Sie konnte nicht rennen, sie konnte nicht entkommen.

Sie wusste, was als Nächstes kommen musste, doch sie konnte nicht wegsehen, sie konnte die Augen nicht mehr schließen. Dafür war es nun zu spät. Wieder war sie gefangen, ein Zuschauer hinter den eigenen Augen.
Mit einem Mal war das Schwert wieder in ihren Händen, und ihre Arme – auf wundersame Art und Weise befreit – vollführten wie von selbst die Bewegungen, die sie erlösen würden, zumindest von dieser körperlichen Qual.
Und dann war es sein Körper der unter ihr lag, ihr ausgeliefert, abhängig von ihrer Gnade.


Es gab keine Gnade.
So viel hatte sie auf ihrer kurzen Reise gelernt.


Das Bild veränderte sich; zu ihren Füssen lag nun nicht nur er, sondern auch all die anderen. Jene, die mit ihr gereist waren, jene, die sie im Gasthof getroffen hatte, schließlich auch ihre Eltern, ihre Geschwister, ihre Freunde. Auf leblose, zerstückelte Körper reduziert. Und sie stand nur da, die Klinge in ihren Händen, hellrotes Blut auf silbrigem Metall. Und ihre eigene Stimme in ihrem Kopf: Es ist meine Schuld. Meine Verantwortung. Ich bin schuld. Schuld. Schuld.

Hlinka erwachte in nahezu vollkommener Dunkelheit.
Schuld.
Sie kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder. Die Dunkelheit blieb dieselbe.
Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich daran erinnerte, dass sie sich in Sicherheit befand, in einem abgeschiedenen Gasthaus in dem sie vor einigen Wochen nicht nur Unterkunft, sondern auch Arbeit gefunden hatte.

Ihr Atem war das einzige Geräusch neben dem Heulen des Windes in den Dachgiebeln. Hlinka fröstelte. In der Nacht musste sie heftig um sich geschlagen und sich von den wärmenden Decken befreit haben. Sie zog die Decken wieder über sich, in der Hoffnung vielleicht doch noch etwas Schlaf zu finden bevor der Morgen graute. Die Arbeit im Gasthaus war alles andere als leicht, und Hlinka hatte es sich zur Gewohnheit gemacht weit über ihre körperlichen Grenzen zu gehen.
Wer von den Anstrengungen des Tages erschöpft genug ist, dachte sie, fällt am Abend ins Bett und schläft tief und traumlos bis zum nächsten Morgen. Ha!
Es war nicht so, als hätte sie es nicht versucht, und in Herbergen wie dieser gab es immer etwas zu tun.
All die Anstrengung hatte jedoch nicht den gewünschten Effekt, ganz und gar nicht: Abends lag sie immer noch lange wach, mit Furcht vor den Szenen die sie erwarteten sobald sie die Augen schloss. Nachts wachte sie auf, einen Schrei auf den Lippen den sie gerade noch zurückhalten konnte. Und tagsüber passierte es ihr immer häufiger, dass sie in der Schenke einschlief, sobald sie sich hinsetzte oder auch nur gegen die Wand lehnte. Thom, der Wirt, hatte bisher noch nichts dazu gesagt, aber sie sah sehr wohl wie er sie musterte, mit zusammengezogenen Augenbrauen und längst nicht mehr so freundlich wie zu Beginn ihres Dienstes. Sie hatte ihm nicht erzählt woher sie kam und was ihre Geschichte war, und er hatte nicht danach gefragt. Und wenn es nach ihr ging, dann würde das auch so bleiben.
Was für einen Sinn hat es, andere nah an sich ran zu lassen, ins Herz zu schließen? Früher oder später verschwinden oder sterben sie doch alle, und das einzige was mir von ihnen bleibt sind ihre Ebenbilder in meinen Träumen…
Hlinka sah ein, dass sie in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden würde. Seufzend erhob sie sich, zog sich an und ging hinunter in den Schankraum.


Sie hatte schon Feuer gemacht und war gerade dabei, den Eintopf vom Vortag aufzuwärmen, als einer der Gäste den Raum betrat. Es war Skeira Hati, die schweigsame Heilerin, die einige Tage nach ihr selbst im Gasthaus Zum Tiefental angekommen und mit offenen Armen empfangen worden war. Thoms Frau Catherine erwartete ihr drittes Kind, und besonders in solchen Zeiten waren Heilkundige gern gesehene Gäste.
Hlinka nickte der ganz in blau gekleideten Frau zu, wandte sich dann aber wieder ab und widmete sich dem Eintopf. Sie wollte der anderen keinen Grund geben, ein Gespräch mit ihr zu beginnen.

„Guten Morgen, Hlinka.“ Zu spät. Sie zwang sich zu einem Lächeln und drehte sich erneut um. „Hallo.“ „Ihr seht erschöpft aus… Habt Ihr nicht gut geschlafen?“
Die andere schien nicht zu merken, dass ihr Lächeln mehr auf Willenskraft denn auf Freundlichkeit beruhte; Skeiras Lächeln strahlte Wärme aus, vielleicht sogar eine Andeutung von Freundschaft. Vielleicht war das der Grund dafür, dass Hlinka für einen Moment ihre Deckung fallen ließ. „Nein, ich… ich schlafe nie besonders gut, in der letzten Zeit. Alpträume.“, fügte sie hinzu, als die Heilerin fragend eine Augenbraue hob. „Die von der Sorte, die jede Nacht aufs neue wiederkehren?“ Hlinka nickte stumm, fest entschlossen, keine Details zu verraten. Die andere sollte sie nicht für eine Mörderin halten.
Skeira schaute sie eine Weile nachdenklich an. Hlinka fühlte sich unbehaglich unter ihrem Blick, fast war ihr, als könne die andere Gedanken lesen. Konnte sie? Woher sollte sie es wissen, was wusste sie überhaupt von der anderen? Sie selbst war ja auch nicht die, die sie zu sein vorgab. Sie war kurz davor, den Blickkontakt abzubrechen, als Skeira endlich fortfuhr.
„Ich glaube, ich kann Euch helfen. Mit Träumen kenne ich mich nicht aus, aber von Schlaf verstehe ich einiges. Wenn Ihr das wünscht, kann ich Euch einen Trank zubereiten, der Euch hilft schneller einzuschlafen, tief und traumlos.“ Konnte die Lösung so einfach sein? „Das würdet Ihr für mich tun?“ Skeira nickte. „Natürlich. Es braucht etwas Vorbereitungszeit, aber heute Abend sollte ich so weit sein. Kommt einfach in mein Zimmer, dann können wir…“

Sie wurden unterbrochen als die Tür aufging und Thom den Schankraum betrat, von einem anderen Mann und einer Schneewehe begleitet. „Verfluchter Sturm!“, schimpfte er und schüttelte sich. Eis und Schnee fielen von seiner Kapuze, und die Temperatur fiel merklich bevor Thoms Begleiter die eisenbeschlagene Tür wieder schloss.
Hlinka seufzte innerlich, als die beiden quer durch den Raum zum Feuer stapften. Sie wusste schon, wer das später sauber wieder sauber machen musste. Aber sie hatte sich dieses Leben ausgesucht, sie würde sich nicht beklagen. Nicht hörbar.

Stattdessen lauschte sie, während sie ihren gewohnten Tätigkeiten nachging, dem Gespräch zwischen Thom und dem anderen Mann, die sich am Feuer niedergelassen hatten. So erfuhr sie, dass der Zugang zum Tal, in dem sich das Gasthaus befand, durch den Schneesturm unpassierbar geworden war. Steinschlag und umgestürzte Bäume hatten auch ihren Teil beigetragen, und wenn das Wetter sich hielt, dann würde es noch lange Zeit dauern bis aus den umliegenden Dörfern Unterstützung geschickt wurde. Bis dahin gab es keine Möglichkeit, das Tal zu verlassen: Sie waren auf sich gestellt.
Hlinka störte das nicht sonderlich: sie hatte ohnehin nicht vor, in nächster Zeit weiter zu ziehen. Ihr Zimmer war geräumig, Vorräte waren genügend vorhanden, und obwohl sie sich auf einer wie sie fand gesunden Distanz zu ihnen befand, so mochte sie die anderen Bewohner des Gasthauses doch recht gern.
Thom, dessen Herz ebenso großzügig angelegt war wie der Rest seines Körpers, seine gastfreundliche Frau Catherine und ihre zwei Söhne, Karl und Thommy, beide gerade alt genug um Hlinka bis zur Hüfte zu reichen.
Dann die beiden Stallburschen, Mark und Rick, der eine dunkel und schweigsam, der andere lebhaft und stets zum Scherzen aufgelegt.
Skeira Hati, die Heilerin, die die meiste Zeit auf Catherines Zimmer verbrachte und sich meist nur zu den Essenszeiten im Schankraum aufhielt.
Zukathh von Entapie, ein hochgewachsener älterer Herr mit dunkelblauem Mantel und Hut, der von sich behauptete ein mächtiger Magier zu sein, sich aber weigerte, sie eine Kostprobe seines Könnens sehen zu lassen.
Taskis Goldzunge, eine junge Bardin die mehr Zeit schlafend auf ihrem Zimmer als anderswo verbrachte seit sie vor zwei Tagen angekommen war.
Und natürlich der Mann, der zusammen mit Thom das Gasthaus betreten hatte, offenbar ein alter Bekannter. Seinen Namen kannte Hlinka noch nicht, also beschloss sie, den beiden Männern noch etwas länger zuzuhören. Vielleicht war auch ein bisschen Neugierde im Spiel, aber hauptsächlich, sagte sie sich, wollte sie einfach nur wissen, wer hier mit ihr unter einem Dach nächtigte. Und es wäre ja unhöflich, das angeregte Gespräch zu unterbrechen, oder etwa nicht?

„… hatte wohl nicht so viel Glück. Der arme Kerl war wohl schon eine Weile tot.“ Ein eiskalter Schauer ging über Hlinkas Rückgrat. Konnten sie ihn meinen? Wenn man ihn finden würde, würde man Fragen stellen, und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Fragen zu ihr führten… Unbewusst hielt sie sich am Rand des Tisches fest den sie gerade abwischte, wie um sich Halt zu geben.
„Johny sollte es besser wissen als nachts umherzuwandern. Sah ganz so aus, als hätten die Wölfe ihn erwischt.“ Erleichterung durchfuhr Hlinka, dicht gefolgt vom bekannten Gefühl der Schuld. Ein Mann war gestorben, und sie freute sich darüber? Was war nur los mit ihr?

Der Rest des Tages verlief ereignislos, so, wie es im Gasthaus Zum Tiefental üblich war.
Der Schlaftrank, den sie sich bei Skeira abgeholt hatte, machte sie tatsächlich schläfriger als die körperliche Arbeit es bisher geschafft hatte. Kaum lag sie auf dem Bett, war sie auch schon eingeschlafen.


Als sie erwachte, war die Sonne schon aufgegangen. Hlinka blinzelte ungläubig. War dies die Realität? Sie kniff sich in den Oberarm, nur um ganz sicher zu gehen. Ja, das war echter Schmerz.
Und noch etwas anderes war … anders als sonst. Es dauerte einen Moment, bis Hlinka erkannte was es war. Sie fühlte sich tatsächlich erholt. Wie lang war es her, dass sie durchgeschlafen hatte? Sie konnte sich nicht erinnern.

Beschwingten Schrittes ging sie hinunter in den Schankraum. Fast hätte sie ein fröhliches Lied gepfiffen. Aber nur fast. Ein Lächeln schaffte es dennoch auf ihr Gesicht, durch Augenringe und Sorgenfalten hindurch. Vielleicht kann doch noch alles gut werden.
Als sie den Schankraum betrat, gefror das Lächeln ihr auf den Lippen. Thom und der Unbekannte von gestern saßen zusammen mit dem Magier und den zwei Stallknechten im Kreis um einen Tisch und schienen in ein ernstes Gespräch vertieft, das sie in dem Augenblick unterbrachen in dem sie Hlinka bemerkten.
Irgend etwas stimmt hier nicht, dachte sie, doch die anderen nahmen das Gespräch schnell wieder auf, mit gedämpften Stimmen. Es schien um Politik zu gehen, irgend etwas von einer Kriegserklärung, die ein südlicher Staat gegen Baldurs Tor ausgesprochen hatte, oder auch nicht – darüber schienen sie sich nicht einig zu sein. Hlinka zuckte die Achseln und machte sich an die Arbeit. Männer…


Erst viel später fiel ihnen auf, dass tatsächlich etwas nicht stimmte: die junge Bardin tauchte zu keinem der Essen auf. Anders als ihr Langschläfertum war dies ganz und gar untypisch für sie, und schließlich ging Thom zu ihrem Zimmer um sie zu wecken, Verwünschungen über die faule Jugend von heute vor sich hin murmelnd.
Wenig später war er zurück. Der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben; er war bleich wie ein Leichentuch, und Hlinka meinte zu sehen, wie seine Knie zitterten. Er bewegte die Lippen, flüsterte etwas. Erst als sie ihr Ohr neben seinen Mund brachte, konnte sie verstehen, was er sagte.
Auch sie fühlte, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Es verfolgt mich, dachte sie. Und erst dann gingen ihre Gedanken zu Taskis, die sie nie wieder würde singen hören.
Tot, ermordet, auf ihrem Zimmer, in dieser Herberge. Zerfleischt, wie von einem wilden Tier. Nur ein paar Türen von ihrem eigenen Bett entfernt. Das hätte ich sein können.
Eine Erklärung hatte niemand – wie hätte ein Wolf die Tür zum Gasthaus öffnen können?
Werwolf, flüsterten die anderen, und ihre Augen huschten hin und her, vom Fenster zur Tür, zurück zum Fenster, zur Treppe.


An diesem Abend saßen sie alle lange beisammen, selbst Catherine und ihre zwei Söhne waren zu ihnen gestoßen. Offenbar fand keiner von ihnen Gefallen an dem Gedanken, ins Bett zu gehen. Wenn ein Mörder einmal in die Herberge eindringen konnte, dann würde er es wieder tun können.
Doch am Ende siegte die Müdigkeit, und sie alle zogen sich in ihre Räume zurück, nicht ohne danach sorgfältig die Türen zu verbarrikadieren.
Hlinka hatte von Skeira genug von dem Schlaftrunk bekommen um eine ganze Woche durchschlafen zu können. Dennoch zögerte sie an diesem Abend, bevor sie die kleine Flasche entkorkte die für eine Nacht ausreichen würde. Wenn in dieser Nacht jemand in ihr Zimmer eindringen würde, würde sie es nicht einmal bemerken. Sie schauderte, sah sich erneut im Zimmer um, musterte jede Ecke. Nichts. Die Schatten waren so unbeweglich wie immer, die Silhouetten vor dem Fenster vertraut. Nichts, wovor ich mich fürchten müsste. Ich bin hier sicher. – Genauso sicher wie Taskis?
Doch wenn sie schon sterben müsste, war es dann nicht besser, wenigstens nichts davon mitzukriegen? Nein, nein – besser war es doch, sich zu wehren. Nicht wach bleiben, aber auch nicht zu tief schlafen. Dem Tod ins Auge zu blicken, wenn er kam um sie zu holen. Und ich habe den Dolch. Ich kann mich verteidigen. Ich bin vorbereitet. An diesen Gedanken klammerte sie sich, während sie das Flakon zur Hälfte leerte und sich aufs Bett fallen ließ.


In dieser Nacht war es schlimmer als je zuvor. Denn als sie, wie jedes Mal, die Augen nicht länger geschlossen halten konnte, sah sie nicht ihn wie sie ihn kannte. Er war zu einem Monster geworden, halb Mensch, halb Tier, dessen Krallen über ihren Körper fuhren, seine Fangzähne nur Millimeter von ihrem Gesicht entfernt. Und dann zerriss er sie, und nicht nur sie, sondern auch all die anderen. Mutter, Vater, Bruder. Die Vertriebenen. Und schließlich Taskis. Immer wieder.
Sie wartete auf das Schwert, sehnte es sich herbei um dem Morden ein Ende zu machen, doch es erschien nicht. Sie war und blieb hilflos.


Schweißgebadet erwachte sie. Dämmerlicht, die vertrauten Umrisse im Zimmer. Es war Morgen, sie hatte überlebt. Langsam versuchte sie sich zu entspannen. Lauschte auf ihren eigenen Atem, und das Heulen des Sturmes dort draußen. Bis sie genug Kraft gesammelt hatte, um diesem Tag ins Auge zu blicken. Bis sie es endlich über sich brachte aufzustehen.
Bis ein Schreckensschrei vom Schankraum zu ihr drang.

Es war wie ein Alptraum, nur dass sie wach war. Sie alle waren wach.
Abgesehen von Rick. Aber der würde wohl nie wieder aufwachen.

Der Schock saß bei ihnen allen tief, zu tief um noch viel zu reden. Sie hoben in der halbgefrorenen Erde ein Grab für Rick aus, direkt neben der letzten Ruhestätte von Taskis. Zu Lebzeiten hatten die beiden sich gut verstanden, warum sollten sie nun also im letzten Schlaf nicht beieinander sein? Abgesehen davon wollte keiner sich weiter von der Herberge entfernen als unbedingt notwendig war. Man wusste schließlich nicht, was dort draußen in den Schneewehen lauerte…

Wieder im Warmen saßen sie zusammen und diskutierten. Hlinka hatte so etwas noch nie erlebt: Männer die am Vortag noch miteinander das Brot gebrochen hatten, beschuldigten sich jetzt gegenseitig des Mordes.
Catherine schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. Sie hörte nicht mehr auf zu zittern, sodass Skeira sie schließlich bei der Hand nahm und auf ihr Zimmer führte. Diese Art Gespräche, sagte sie streng, sei nicht geeignet für eine Hochschwangere.
Hlinka selbst blieb, brachte jedoch kein Wort heraus, beobachtete nur, wie sich der Zorn der Allgemeinheit in Blutdurst wandelte. Sie schreien nach Gerechtigkeit, doch was sie wollen, ist Vergeltung. Blut für Blut.
Mark befand sich im Fokus der Anschuldigungen. Er teilte seit jeher die Kammer mit Rick, nicht jedoch seinen Erfolg. Rick war beliebter, vor allem bei den Frauen. Es war kein Geheimnis im Gasthaus, dass Marks Gefühle für Taskis unerwidert geblieben waren, während sie dem schönen Rick schon öfter Zugang zu ihrer Kammer gewährt hatte. Da lag der Gedanke doch nahe, dass Mark sich gerächt hatte?
Als er merkte, dass seine eigenen Argumente auf taube Ohren fielen, wurde Mark wütend. Er stand auf, so schnell und heftig, dass der Stuhl hinter ihm zu Boden fiel. Er schrie und tobte – die Aufregung, und die langsam einsetzende Todesangst machten sein Geschrei unverständlich, fast nicht mehr menschlich. Als Zukathh ihn bei den Schultern packte um ihn zu beruhigen, schlug er zu. Das war mehr als genug Beweis für die anderen.

Zu keiner Bewegung fähig sah Hlinka zu, wie zwei der Männer Mark niederschlugen und festhielten, während Thom mit Hammer, Nägeln und einem Strick nach draußen ging. Kurz darauf kam er wieder und bedeutete den beiden anderen ihm zu folgen. Hlinka blieb drinnen am Feuer, trotzdem zitternd. Sie musste den anderen nicht folgen um zu wissen, was als nächstes geschehen würde. Was sie jedoch nicht aussperren konnte, war ihre eigene Vorstellungskraft. Fast war ihr, als hörte sie die Balken vom Stall unter dem plötzlichen und ungewohnten Gewicht knarzen und knacken, und vielleicht, vielleicht hatte das Knacken auch einen anderen Ursprung.

In dieser Nacht trank Hlinka zwei der kleinen Fläschchen aus. Tief und traumlos.

Morgen. Es musste Morgen sein, denn es war hell im Zimmer, und sie hatte die Augen geöffnet. Sie hob eine Hand vor ihr Gesicht um zu überprüfen ob sie noch da war. Das war sie. Die gleiche Prozedur folgte mit der anderen Hand. Auch anwesend. Das ist gut, dachte sie. Ihr fiel nicht sofort ein warum es wichtig war, beide Hände noch zu besitzen, aber bis es ihr wieder einfiel, würde sie einfach glücklich darüber sein.
Alles war anders als es gewesen war; nicht nur der Stoff wie sie ihn unter ihren Fingern und Handflächen fühlte, sondern auch das Licht im Zimmer. Auf eine andere Art hell. Präsenter. Greifbarer. Unwillkürlich streckte sie die Hand aus um einen Lichtstrahl einzufangen, aber sie war wohl zu langsam, das Licht entkam.
War auch nicht so wichtig. Anderes war wichtig. Runtergehen. Warum das wichtig war, wusste Hlinka gerade nicht, aber es würde ihr schon einfallen, wenn sie erst einmal da war.

Auch zu laufen war eine sonderbare Erfahrung; als liefe sie über weiches Moos, nicht über die harten Holzdielen. Eine verschlossene Tür, eine Möglichkeit. Eine weitere verschlossene Tür, noch eine Möglichkeit. Eine offene Tür, eine bereits getroffene Wahl. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick hinein; rot der Boden, rot die Wände. Eine kniende Gestalt, sie zuckte. Hlinka blieb stehen, drehte den Kopf, wie in Zeitlupe veränderte sich der Blickwinkel, langsamer als ihre Bewegung gewesen war.
Der Kniende war Thom, das sah sie nun. Er zuckte nicht, er weinte, schluchzte, unkontrolliert. Als sie die zwei Gestalten sah, die nun keine Gestalten mehr waren, wohl aber mal welche gewesen sein mussten, verstand sie auch, warum er schluchzte. Catherine. Oder, nein, ehemals Catherine.
Seltsam faszinierend war dieses Bild, fast schon eine Komposition. Thom drehte sich um, er hatte sie gehört. Hatte sie etwas gesagt? Sie konnte sich nicht erinnern, etwas gesagt zu haben. Ihr Gesicht fühlte sich an wie eine Maske, unbeweglich, wie aus Stein, unfähig den Ausdruck von Schrecken, Trauer und Zorn zu spiegeln den sie auf Thoms Gesicht sah.


Sie standen im Schankraum. Wie waren sie überhaupt hier herunter gekommen? Verwundert schaute Hlinka sich um, wieder ein Kreis diskutierender Gesichter, wieder dieser Zorn, der Blutdurst. Sie redeten, und Hlinka hörte was sie sagten, doch die Bedeutung blieb ihr verwehrt. Seltsam.
Über wen wollten sie dieses Mal richten? Niemand hier, der nicht die gleiche verzerrte Maske aus Wut, Angst und Mordlust im Gesicht trug. Bis sie bemerkte, dass alle Blicke auf ihr ruhten.

Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie die anderen sie sehen mussten. Die stille Küchenaushilfe, von der niemand weiß, woher sie kommt. Die Augen, in denen etwas lag, das dem Wahnsinn nicht so fern war wie es sein sollte, und die den Blickkontakt mit anderen Menschen wo möglich vermieden. Die für ihr Alter viel zu tiefen Sorgenfalten auf der Stirn, und die noch viel tieferen Augenringe. Fast so, als hätte sie in den letzten Wochen keinen Schlaf gefunden. Zum Beispiel, weil sie des Nachts umging und Menschen ermordete.

Thom stand vor ihr, Tränen der Wut oder der Trauer glitzerten in seinen Augen. Er starrte sie an, hasserfüllt, vielleicht erwartungsvoll. Jetzt, das wusste sie, war ihre letzte Chance um sich zu verteidigen. Auch wenn es vielleicht zwecklos war.
Doch es war, als wäre sie noch immer in einem ihrer Träume gefangen: Sie konnte zwar den Mund öffnen um zu sprechen, doch kein Laut kam über ihre Lippen.

Ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr, überhaupt war es, als hätte sie nun keinen eigenen Willen mehr. Keine Kontrolle. Thom gab ihr einen Stoss in Richtung Tür, und widerstandslos fügte sie sich, setzte sich in Bewegung.


Nach der letzten Nacht hatte der Schneesturm sich gelegt, und die Sonne wagte sich endlich wieder hinter den Wolken hervor. Der eisverkrustete, schmelzende Schnee warf die Sonnenstrahlen zurück und blendete sie, als sie nach draußen trat, sodass sie die Hände schützend vor die Augen heben musste. Wie von einem inneren Zwang getrieben, drehte sie den Kopf zur Seite, Richtung Stall. In Richtung des improvisierten Galgens. Es schien, als hielte nicht nur die Nacht, sondern auch der helllichte Tag seine ganz eigenen Schrecken für sie bereit.
Als Thom sie auf das schnell zusammen gezimmerte Podest zwang, wanderte ihr Blick über die Anwesenden. Sie waren alle da: Thom selbst, die Züge von Hass und Schmerz verzerrt. Thoms zwei kleine Söhne, die Gesichter noch immer tränenüberströmt. Zukathh der Magier, das Antlitz undurchdringlich wie immer. Und Skeira, deren Blick erneut ihre Gedanken zu lesen schien. Hilf mir, dachte Hlinka. Wenn du mich hören kannst, dann hilf mir!
Sie spürte den rauen Strick um ihre Kehle streichen, auf ihre Schultern fallen. Eine Wahrnehmung, seltsam isoliert vom Rest ihres Körpers.
Mutter, soll es so enden?


Das Letzte, was Hlinka sah, war das Gesicht von Skeira Hati. War das nur Einbildung, oder zwinkerte die Heilerin ihr zu?
 

Enigma

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Lisra

Skeiras Augen ruhten wachsam auf der Fremden, die wie ein Kind zusammengerollt auf der Liege schlief. Fast zärtlich glitten ihre starken Hände über den Kopf des Mädchens, bevor sie sie ruckartig zurückzog. Hatte sie zuvor die richtige Entscheidung getroffen? Sie ging ein großes Risiko ein, aber sie hatte einfach nicht wegschauen können. Es wäre gegen ihre Natur gewesen.
Kleine Zweige hingen in den Haaren, die etwas heller waren als ihre eigenen und das Gesicht war dreckig. Sie musste etwa in ihrem Alter sein. Skeira fragte sich, was ihr widerfahren war.



Eine weitere Nacht, Tage, oder vielleicht Wochen später. Wasser hatte es immer wieder gegeben, aber jetzt saß ihr der Hunger seit Tagen im Bauch. Wo sie war spielte längst keine Rolle, es führte weg von dem was hinter ihr lag. Wie lange lief sie eigentlich schon? Ich bin Müde. Es schien der erste klare Gedanke seit Stunden zu sein. Sie lehnte sich gegen den nächsten Baum. Wie sie überhaupt in der Dunkelheit so weit gekommen war, die Frage stellte sie sich gar nicht erst. Hlinkas suchende Hände fanden die Wolldecke, viel mehr war ihr nicht mehr geblieben.
Die Decke sperrte Nacht und Kälte aus, schafft eine Hülle gegen die Außenwelt, schützend wie das Kettenhemd. Ein kleines bisschen Wärme, mit dem Stoff eingefangen, gegen die Kälte, die mit jeder Minute echter wurde, und die falsche in ihrem Innern ersetzte. Bewusstlosigkeit kam wie ein Fieber, langsam, sich steigernd und letztlich alles übernehmend.
Hlinka schreckte auf. Die Decke umschloss sie noch immer und die Dunkelheit war so undurchdringlich wie zuvor. Hatte sich ihr etwas genähert? Sie hatte keine Möglichkeit es herauszufinden, ohne Sicht, gegen die leisen Hintergrundgeräusche des Waldes bei Nacht. Hatte sie es drauf angelegt, dass irgendwann ein wildes Tier kommt und sie riss, unpersönlich und ohne Häme? Aber, kam es ihr seltsam klar in den Sinn, sie hatte kein größeres Tier gesehen, weder bei Tag noch in der Dämmerung und das sie noch immer lebte, hieß das nichts in der Nacht gekommen war. Der Wald war groß genug… und jeder Wald beherbergte etwas Gefährliches. Hlinka legte den Kopf auf die angezogenen Knie. Ihr fehlte die Kraft um verängstigt zu sein.
Im Traum trug sie jemand in starken Armen davon, aber Hlinka wachte nicht auf. Es konnte sie niemand in der Dunkelheit finden. Es musste ein Traum gewesen sein.



Skeira beobachtete die Atmung der jungen Frau eine Weile. Als sie sich versichert hatte, dass sie ruhig schlief ging sie zum anderen Ende ihrer kleinen Hütte und besah ihre Vorräte. Die vertraute Apotheke aus dem Morgentempel wäre ihr lieber gewesen und Glas war sowieso schwer zu bekommen, aber sie hatte einiges geschafft herzustellen, schon allein um manche Stunden rum zu bringen. Gut das sie jetzt gebraucht wurden, alles konnte sie später unmöglich mitnehmen. Gedanken an ihre eigene Situation abschüttelnd griff sie nach einer Schale, die mit grüner Paste gefüllt war. Erstmal musste sie allerdings aufwachen, dann konnte sie sich ein genaues Bild machen, was ihr passiert war und ob sie verletzt war.
Im Licht von Kerzen und unter Skeiras wachsamen Augen, verging für Hlinka die Nacht.



Hlinkas Wahrnehmung kehrte zurück. Die ersten Sekunden vergingen in einer Masse konfuser Sinneseindrücke. Sie lag und saß nicht mehr, die Kälte war verschwunden. Jede einzelne Faser ihres Körpers schien an den Boden, oder wo auch immer sie lag, festgewachsen. Noch immer mit geschlossenen Augen nahm sie einen tiefen Atemzug. Holz, Rauch. Menschen.
Panik zuckte durch ihren Körper wie ein Blitz und gab ihr Kraft. Schlagartig öffnete sie die Augen und schwang sich seitwärts.



Skeiras Lächeln erstarrte auf halber Strecke, als sich die junge Frau erst regte und sich dann blind seitlich von der Liege stürzte. Der Tonkrug der daneben gestanden hatte zerbrach unter ihrem Gewicht. Das Mädchen schrie auf, Schmerz und Überraschung in der Stimme.
Skeira kniete sich neben sie und wollte ihr hoch helfen, doch genau so schnell wie sie sich von der Liege geworfen hatte, fuhr das Mädchen herum und stieß sie mit beiden Händen weg. Völlig überrumpelt wich Skeira zurück.
Weit aufgerissene, braune Augen blickten sie an. Die lähmende Furcht eines verwundeten Tiers hatte Bände in dieses Gesicht geschrieben.

Beschwichtigend hob Skeira ihre leeren Hände.

„Bitte, ich will dir nichts tun.“

Ihre Gegenüber blinzelte mehrmals, als würde ihr nur langsam klar werden, wer vor ihr hockte.

„Du bist in Sicherheit“ fügte sie hinzu.

Der Mund des Mädchens öffnete und schloss sich ein paar Mal, bevor etwas herauskam.

„Ich.. du..dachte.. ich..wie..“ stotterte sie. Ihr Blick glitt an Skeira hoch und runter, ohne festes Ziel.

„Wir können später reden“ sagte Skeira entschlossen. „du bist nass und du blutest. Ich kann dir helfen.“

Entgegen ihrer Erwartung fuhr der Blick der jungen Frau nicht sofort zu der Wunde an ihrem Arm, sondern blieben auf sie gerichtet. Zum ersten Mal in ihrem Leben bedauerte Skeira, nie formal in die Kirche des Lathander initiiert worden zu sein. Sie konnte nicht mal einen Anhänger vorweisen, der ihre Worte untermauerte.

„Ich bin eine Heilerin.“ sagte sie und streckte ihr einen Arm hin. „Bitte, lass mich dir helfen.“

Das Mädchen schien zu einer Entscheidung zu kommen. Zögerlich griff sie nach Skeiras Arm.


Es ging schleppend voran. Skeira hatte wenig Probleme dabei, den durch eine Tonscherbe verursachten Schnitt zu säubern und zu verbinden, aber das Mädchen wehrte sich die gesamte Zeit unterschwellig gegen ihre Berührungen. Schließlich stellte sie den Versuch ein, sie weiter zu untersuchen und hielt nur noch mit einer Hand Kontakt zu ihr, während sie leise auf sie einredete.

Die Neugier, die Skeira anfangs gefühlt hatte, mischte sich immer mehr mit Mitleid, als sie später mit neuem Wasser den Dreck von der Haut wusch. Es gab ein paar Stellen, die zeigten dass sie vor einiger Zeit geschlagen worden war. Viel mehr konnte sie nicht sehen, aber die Mühe, mit der das Mädchen die Ruhe bewahrte, ließ Skeira weiter grübeln. Sie hatten in all der Zeit kein Wort miteinander gesprochen. Nur ihren eigenen Namen, Hlinka, hatte das Mädchen geflüstert, als Skeira danach gefragt hatte.

Skeira stand an dem kleinen Regal, die Gedanken ganz auf das Ausführen ihres Handwerks gerichtet, als sie Hlinkas Stimme hinter sich hörte.

„Vielen Dank.“



Hlinka beobachtete den Rücken ihrer Gastgeberin, nein Retterin, während ihr Geist in einer Kiste voller Wolle vor sich hin tickte. Sie fühlte sich besser als sie es seit Wochen getan hatte, aber es lagen ihr so viele Fragen auf der Zunge, und sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich auf alle eine Antwort haben wollte. Am meisten beschäftigte sie jedoch ihr eigenes Verhalten. Die Fremde Heilerin, kaum älter als sie selbst, hatte ihr nichts weiter als Fürsorge und Wärme entgegengebracht, und doch hatte sie bei jeder Berührung den Wunsch verspürt zurückzuweichen, sich zusammenzurollen wie ein Igel, oder die Hand beiseite zu schlagen und wieder zu flüchten.
Sie schüttelte den Kopf. So konnte es nicht bleiben. Sie betrachtete die Bandage an ihrem Arm. Das Tuch war mit einer grünlichen Tinktur getränkt worden, nachdem der Schnitt aufgehört hatte zu bluten. Es gab immer etwas zu lernen.

„Skeira?“

„Ja?“

„Woraus besteht eigentlich diese Medizin auf meinem Arm?“


Der Mittag kam, und mit ihm Aufbruchstimmung von Seiten Skeiras. Die Hütte, wohl die eines längst verstorbenen Jägers, war für sie nur ein Zwischenhalt auf dem Weg weiter. Sie hätte Hlinka lieber gerne länger ausruhen lassen, und ihre Erfahrung bestätigte das, aber es war nicht realistisch sie beide zu verpflegen. Natürlich konnte sie sich selbst versorgen, wenn sie musste… aber ihr war noch immer nicht wohl bei dem Gedanken zu jagen.
Hlinka hatte nur genickt, als sie ihr das Problem darlegte und ohne etwas zu sagen eine der zwei Säcke genommen, in denen Skeira das wenige das sie zu besitzen schien transportierte.

Der Wald schien selbst am helllichten Tage im permanenten Dämmerlicht zu liegen, doch Skeira ging sicher durch kaum sichtbare Pfade. Lange Zeit gingen sie schweigend, aber Skeira fühlte, dass Hlinka versuchte, eine Frage zu stellen. Skeira hatte nie viel über sich selbst erzählt, sondern war immer mit anderen beschäftigt gewesen, und seit der… Ansteckung fühlte sie sich noch weniger in der Lage Fragen zu ihrer Person zu beantworten. Sie entschloss sich dazu den Spieß umzudrehen, bevor er überhaupt über das Feuer gehängt worden war.

„Darf ich das was fragen, Hlinka?“

Sie fühlte, wie die junge Frau den Kopf hob und zu ihr herüberschaute.

„Sicher.“

„Was hast du eigentlich mitten im Wald gemacht?“

Wie hast du mich gefunden, dachte Hlinka. Aber anstatt zu fragen, dachte sie über eine Antwort nach.

„Wieviel weißt du von dem, was im Moment in diesen Landen geschieht?“

„Nicht viel.“

Hlinka versuchte es zu erklären. Es dauerte eine Weile, denn während sie es versuchte für Skeira verständlich zu machen, musste sie gleichzeitig versuchen es selber zu begreifen. Die Überfalle, die Kälte der Barone, die Ströme der Flüchtenden, die Hoffnungslosigkeit und stumpfe Trauer im Gesicht jener mit denen sie geflohen war. Wie sie alle starben, im Feuer und im Regen der Pfeile.

Hlinka fühlte kurz Skeiras Hand an ihrem Arm. Der sanfte Druck weckte andere, bessere Erinnerungen, und für einen Moment wünschte sie sich, sie könnte die Wärme dieser Hand noch einmal spüren.

„Aber du bist entkommen“ sagte Skeira sanft.

Hlinka nickte nur. Mehr konnte sie nicht sagen. Einige Dutzend Meter weiter deutete Skeira auf ein Stück Dickicht, das nicht anders aussah, als so viele andere.

„Wir sind fast draußen.“

Es dauerte eine Weile, denn das Gestrüpp war dicht, aber tatsächlich, eine weite, baumlose Landschaft begrüßte die beiden Frauen, als sie aus dem Unterholz stolperten. Nicht nur eine Landschaft.
Hlinka warf einen langen Blick auf das Geschehen vor ihnen, und schaffte es nur knapp sich nicht zu übergeben.

Der Wald endete auf einer Wiese, die sich noch gute hundert Meter erstreckte, bis sie von einer gepflasterten Straße durchschnitten wurde.
Dutzende Kadaver lagen auf der Wiese, Lachen getrockneten Blutes hatten Gras und Erde gefärbt, Waffen und Gegenstände lagen verstreut. Es war deutlich, dass hier schon lange niemand mehr am Leben war.

„Oh“ hörte Hlinka sich sagen. Einige Augenblicke standen die beiden wie angewurzelt vor dem Schlachtfeld.
Für einen Moment flackerten Bilder von den Überfällen die sie miterlebt hatte durch ihren Kopf, doch dann erkannte sie, dass es sich nicht um tote Flüchtlinge, sondern um Hobgoblins handelte. Auch mit Schwertwunden versehen wirkten die Gesichter nicht angenehmer.

Sie drehte sich zu Skeira um. Das Gesicht der Heilerin hatte den steinernen Ausdruck von jemand angenommen, der seit der Jugend den Tod immer wieder gesehen hat.

„Das sind sie. Oder zumindest deren Freunde“ murmelte Hlinka.

Skeira zupfte an ihrem Arm. „Lass uns weitergehen. Hier gibt es nichts mehr zu tun.“ Sie gingen weiter. „Sollen die Bären sie holen.“
Sie bahnten sich einem Weg um den Ort des Geschehens, doch kurz bevor sie die Straße erreichten, hielt Hlinka inne. Auf dem Boden lag der Fetzen einer Flagge. Sie erkannte es nicht wieder, weder gehörte es zu den Herren, denen sie begegnet war, noch zu den Hobgoblins, die nur eine weiße Hand auf ihren Schilden trugen. Der verdreckte Stoff zeigte einen roten Greifen auf weißen Grund. Sie kniete sich hin und hob ihn auf, hielt ihn unsicher in der Hand.

„Das ist das Wappen des Königs.“

Hlinka sah überrascht auf. Sie hatte das Wappen nie gesehen, und Skeira sah auch nicht aus, als sei sie bereits viel gereist, stattdessen sah sie gerade im Vergleich mit ihr selbst hier im Sonnenlicht sehr bleich aus.

„Ich komme nicht von hier, aber ich habe Erzählungen gehört“ sie zog Hlinka weiter von den Leichen weg.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte Hlinka.

„Ich würde schätzen, dass sich herumgesprochen hat, was dir und den anderen widerfahren ist, und dass jemand versucht Ordnung zu schaffen.“

Hlinka dachte an die entstellten Leichen der Kreaturen. Ordnung schaffen hatte sie nie damit verbunden.

Skeira führte Hlinka weiter die Straße entlang. Schon bald kam der Wald wieder näher an die Straße heran, und bald wurde klar, dass sie durch eine geschlagene Schneise gingen, durch die sich die Straße wand. Hlinka war fasziniert vom Orientierungssinn der anderen Frau und schlichtweg sprachlos, als Skeira sie gegen Abend plötzlich vom Weg ab führte, durch ein Stück Wald und dann auf eine Lichtung, auf der noch immer die Reste eines längst verlassenen Lagerfeuers glühten.

„Ich habe ein gutes Gespür“ sagte sie nur vage, als Hlinka sie fragte.

Das Feuer brannte schnell wieder. Hlinka fühlte sich gut dabei, endlich auch etwas Nützliches tun zu können, und Feuer hatte sie schon hunderte entzündet und brennend gehalten.
Proviant gab es fast keinen, aber Hlinka hatte bereits gelernt, sich wenig aus Hunger zu machen.

„Man kann Mutter Mond gar nicht sehen“ sagte sie später, als die Welt bereits in Dunkelheit versunken war. Skeira antwortete nicht. Stattdessen hing sie ihren eigenen Gedanken nach. Es war kein Vollmond. Sie musste sicher sein. Der Gedanke daran, was sonst passieren könnte, bereitete ihre Übelkeit. Morgen würden sie wieder unter Leuten sein. Dann ist zumindest das Mädchen in Sicherheit.



Eine Mondlose Nacht, trotzdem silbrig hell erleuchtet, und sie allein auf einem Feld. Eine Windmühle brennt, die Flammen eisig kalt. Körper hängen an den Flügeln, die sich wie von Geisterhand drehen. Sie wendet sich ab und geht los, über das endlose Feld. Hinter ihr beginnen die Körper zu schreien, als die kalten Flammen sie erreichen, aber Hlinka dreht sich nicht um. Sie geht weiter, wie sie damals rannte. Sie weiß, dass er sie einholen wird, aber sie geht weiter, was kann sie mehr versuchen als zu entkommen. Hände wachsen aus dem Boden, knorrige, halb menschliche Hände, und greifen nach ihren Beinen. Als sie zu Boden stürzt, spürt sie, dass sie nicht allein ist. Sie fühlt einen Stiefel im Kreuz, bevor man sie herumreißt. Noch einmal Blickt sie in seine kalten Augen, sieht das verächtliche Grinsen.

Hlinka schreckte hoch. Das Feuer neben ihr war kleiner geworden, brannte jedoch noch. Das Flackern der wieder wärmenden Flammen beruhigte sie etwas, trotzdem schlug ihr Herz weiterhin stark gegen ihre Brust. Sie atmete tief ein, ausnutzend das der Rauch gerade in eine andere Richtung zog. Sie hatte nur einmal bisher davon geträumt, obwohl sie die Gedanken daran immer wieder heimsuchten, gerade in den Momenten bevor sie endlich Schlaf fand. Manchmal stahl sich auch eine andere Erinnerung in ihr Bewusstsein. Das Gefühl von der Schwere der Klinge, von dem Widerstand seines Körpers gegen jeden einzelnen Schlag, die leblosen Augen.
Sie biss die Zähne zusammen. Sie hatte das Richtige getan. Sie hatte Leben wollen. Trotzdem kam es wieder in ihre Träume, ließ sie nicht los. Selbst Menschen die mir helfen wollen machen mir Angst. Sie dachte ein Skeira und den Ausdruck von hilfloser Verwirrung als sie sie zurückgestoßen hatte. Konnte sie ihr vertrauen? Sie hat mich gerettet. Wie bei den neun Höllen hat sie mich gefunden?

„Skeira?“ fragte sie leise. Keine Antwort.

„Skeira?“ fragte sie erneut, lauter.

Ruckartig richtete Hlinka sich auf. Die andere Seite des Feuers, wo Skeira Wache gehalten hatte, war leer.

Hlinka fühlte ein brennendes Ziehen im Magen. Angst strich ihr unsanft über den Nacken.

„SKEIRA?“

Wieder keine Antwort.

Hlinka fühlte sich, als sei der Boden unter ihr weggebrochen. Das konnte nicht sein. Warum? Der einzige Mensch, der ihr in so langer Zeit Wärme gezeigt hatte, weg, verschwunden, mit Absicht?
Sie schrie erneut den Namen.

Es gab nur die leisen Geräusche des nahen Waldes zu hören. Mutter Mond, warum hasst du deine Tochter so…

Ein Gefühl stahl sich über sie, etwas, das nichts mit ihrer Angst zu tun hatte. Ein Instinkt, der schon ihren Urahnen geholfen hatte. Sie drehte sich um.

Die Dunkelheit war fast undurchdringlich, aber je mehr sie starrte, desto sicherer war sie sich. Aus den Schatten ragte ein Umriss hervor, größer als sie, größer als ein Mensch. Als hätte es ihren Blick bemerkt, schien es langsam auf sie zuzugleiten.
Einen Moment lang fühlte Hlinka sich wie erstarrt. Nein, zuckte es durch ihren Kopf, nie wieder hilflos. Ihre rechte Hand fand ihren Dolch.

Ein lautes Knurren ließ sie herumfahren. Schwere Schritte kamen aus der Dunkelheit und ein weiterer Umriss, viel solider und greifbarer als der erste, sprang aus dem Schwarz und kollidierte mit dem Schatten. Beide Kreaturen verschwanden ins Dunkel, doch Hlinka hörte lautes Knurren und ein merkwürdiges Zischen, wie von einer riesigen Schlange, Kratzgeräusche, Schritte, dumpfe Schläge.

Hlinka starrte angestrengt ins Dunkel. Was war gerade geschehen?
Ein Schrei zerriss die Nacht, als hätte ein verwundeter Wolf seine Stimme gefunden, um den Jäger Waldläufer anzuklagen, ein helles, wütendes Heulen.

Stille kehrte ein, nur das leise Knacken des Feuers hinter war zu hören. Selbst der Wald schien erstarrt. Sie sank wieder auf den kalten Boden. Ihr Herz schlug so schwer, als würde es durch ihre Rippen brechen wollen.

Leise Schritte. Wieder sah Hlinka auf, den Dolch noch immer in ihrer Hand. Überrascht weiteten sich ihre Augen erneut. Skeira, auch im Licht des Feuers bleich, und ohne eine Faser an ihrem Körper, stand vor ihr.

„Wer bist du?“ flüsterte Hlinka. „Was bist du?“
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Hmmm.

Ich bin total super unentschlossen.



Mantis Geschichte ist meiner Meinung nach viel besser geschrieben als die erste.

Inhaltlich ist es eine Werwolfrunde mit einigen hinzugefügten Extras, die ich nicht ganz einordnen kann.

Was z.B. haben diese Träume am Anfang zu bedeuten ? Die sind mir rätzelhaft. Ich habe extra nochmal den Charakter von Lisra durchgelesen, da steht davon nichts. Auch aus Lisras erster Geschichte ist nichts dergleichen zu schließen.

Wieso die Heilerin Hlinka bei ihrem Tode zuzwinkert, ist mir auch unverständlich. Dafür gibts keinen Grund. Das Hlinka zu Tode kommt, ist nicht lustig, und eine Verbündete von Skeira ist sie definitiv auch nicht. Sie ist vielmehr ein weiteres Opfer.

Warum sich die Personen in der Geschichte so unglaublich dämlich verhalten, ist auch unklar. Eine Werwolfrunde ist meiner bescheidenen Meinung nach völlig unrealistisch, wenn man halbwegs vernünftig denkende Menschen voraussetzt.

Und wirklich enttäuscht bin ich davon, das Mantis jetzt einen Bösewicht spielt. Davon war vorher keine Rede.



Lisras Geschichte ist ... mal wieder ganz und gar straight, wie schon die erste. Sein Charakter wird aufgelesen, danach gibt es ein paar Unterhaltungen, dann gibts eine Reise. Also eigentlich passiert nicht viel.



Summa summarum: bei beiden passiert eigentlich nicht viel, und beide sind gut geschrieben. Wonach soll ich jetzt entscheiden ? Werd ich nochmal drüber schlafen müssen.
 

Lisra

Schmusekater
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Ich will ja eigentlich nicht so früh etwas dazu sagen, aber das kann ich einfach nicht stehen lassen:

Was z.B. haben diese Träume am Anfang zu bedeuten ? Die sind mir rätzelhaft. Ich habe extra nochmal den Charakter von Lisra durchgelesen, da steht davon nichts. Auch aus Lisras erster Geschichte ist nichts dergleichen zu schließen.

Muss ich das wirklich erklären? Natürlich kann man aus meiner ersten Geschichte daraus schließen. Das ist der gesamte Sinn der ersten Geschichte.

Hlinka ist traumatisiert. Sie wurde von einem überlegenen Gegner sexuell missbraucht. Die Träume sind ein Wiederkehren dieses Erlebnisses. Sie sind nicht 100% mit dem Erlebten identisch, denn so funktioniert verarbeiten. Sie erlebt das Gefühl der Hilflosigkeit, und die Schuld nachdem sie ihn getötet hat. Das bot sich so groß mit Hut an. Auch in meiner Geschichte wird durch den Alptraum darauf angespielt, wenn auch viel abstrakter, weil ich mich nicht dazu bringen konnte, die Szene so nachzustellen, wie es Mantis getan hat.

So, jetzt bin ich wieder still, bis ein paar mehr kommentiert haben. Wünsche viel vergnügen. :)
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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@Lisra: Nö, mußt du nicht erklären, ich habe nämlich Mantis Geschichte gemeint.
 

Lisra

Schmusekater
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Ja. Ich auch. Ich möchte es erklären, weil ich nicht möchte, dass ein Missverständnis dir ihre gute Geschichte versauert. Es macht alles Sinn.

Lies meinen Post noch einmal durch.
 
Zuletzt bearbeitet:

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Hmmmmmm oooookaaaay ... so kann ich das vielleicht akzeptieren.

Sorry, aber anscheinend fehlt mir im Vergleich zu euch beiden schlicht das medizinische Fachwissen.

Das ein Opfer einer einmaligen und schlußendlich verhinderten Vergewaltigung sich eine offensichtlich langjährige Vergewaltigungskette zusammenfantasiert, fand ich abwegig... und wieso sie in ihrer Fantasie dann noch ihre Familie getötet haben sollte, erst recht.

Jedenfalls hab ich nach einmal drüber schlafen entschlossen, das mir Mantis Geschichte eindeutig mehr Spaß gemacht hat. Der Einfall mit der Werwolfrunde ist einfach witzig.

Punkt an Mantis.
 

Timestop

Running out of Time
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Hm, subjektiv.:D

Mantis "Werwolfrunde", die für Nichtkenner dieses Spiels einfache ein "Isolierte Gruppe und ein(?) Mörder"-Thema ist, hat natürlich Probleme das ganze als Kurzgeschichte so zu gestalten, dass es auf die anderen Figuren Bezug nimmt, ohne den Rahmen zu sprengen. Und daher wird das gleich völlig ignoriert. So ist es ganz auf Hlinka konzentriert, deren dunkle Träume und (über)hellen Tage.

Und wie sich das ganze dann ausgestaltet und dieses psychisch kaputte Mädchen in dem Szenario unweigerlich auf ein Ende hinsteuert, ist schon düster tragisch. Und doch bleibt mit dem Ende, das offen und doch kein Cliffhanger ist, ein interessantes Fragezeichen ob etwas Neues wartet.
Und Skeira als offensichtliche Strippenzieherin im Hintergrund ist so eine harte Umwandlung der Figur, dass man sich fragt was inzwischen passiert ist.


Bei Lisra gefällt mir wie seine Figur sich in einer erdrückend kalten Welt, mit immer mehr Rückschlägen, noch versucht aufzuraffen und dank eines plötzlichen und seltsamen Verbündeten noch Hoffnung bleibt. Viel mehr bleibt aber auch nicht, hier lauert die Verzweiflung und Leid an jeder Ecke.

Der Punkt geht aber an Mantis, denn da steckt noch eine (neue) Geschichte hinter dem Drama.
 

Sheera Li

Kaleidoskop
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Mein Punkt geht an Mantis.
Und jaah! Ich hab schwere Gewissensbisse mich zwischen diesen beiden Schreiberlingen zu entscheiden.
Ich kenne das Spiel Werwolf und finde die Geschichte gut darum herum erzählt. Einige Lücken sind mir aufgefallen: Warum kommt Thom aus einem Schneesturm und kleckert den Boden voll und Skeira nicht?
Warum hat Taskis den einen Stallburchen schon öfter in ihr Zimmer gelassen wenn sie angeblich erst seit 2 Tagen da ist? Wie die Karnickel?? :D
Und das mit dem Zuzwinkern verstehe ich auch nicht. Und das ist echt gemein, weil ich will wissen: Rettet Skeira sie? Oder steht das Zwinkern für: Byebye Baby? Besser du als ich?

Lissy Text knüpft ja an den Ereignissen seiner ersten Geschichte an. Dessen bin ich mir fast sicher. Ich finde diese Geschichte sehr, hmm, realistisch. Ich kann mir sehr gut vorstellen und es ist auch gut beschrieben, wie die beiden sich kennenlernen. Das könnte so ganz genau passiert sein.
Allerdings fehlt mir neben dem Kennenlernen und der Bewältigung der Vergangenheit noch ein klein bisschen mehr Handlung.
Daher meine Entscheidung.
 

Micha

Kutte
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Oh mann, warum nur schafft es in diesem Wettbewerb so gut wie keiner der Schreiberlinge, eine Geschichte mal zu Ende zu schreiben? :D Ich will doch wissen, wie es weitergeht!!!

Und nun hier... zwei Geschichten, die mir beide sehr, sehr gut gefallen haben. Dabei gefällt mir allerdings Lisras Geschichte, bei mich nur einige Kleinigkeiten gestört haben (einmal ne Wortwiederholung, ein paarmal die Verwendung von... äh... "falschen" Worten - Beispiel: „Darf ich das was fragen, Hlinka?“) einen Tick besser als die von Mantis, bei der mir einige Details der Geschichte unklar geblieben sind (Was hatte Skeira zB. in den letzten beiden Tagen gemacht? auf sie wurde nur kurz und dann wieder am Ende eingegangen) Und mir hat nicht so gefallen, wieviele Leute in die Geschichte eingeführt wurden. Hat schon irgendwie StarTrek-Charakter... das mit der Sprechrolle und so. ;)
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Ich schließ mich mal dem allgemeinen Tenor mal an: Beide sind gut, aber es war schwer mich zu entscheiden.

Lisra setzt seine Geschichte schön fort und mir gefällt das Zusammenspiel der beiden. Auf der einen Seite das traumatisierte Mädchen, welches nicht weiß wie es in dieser feindseligen Umgebung überleben soll, auf der anderen Seite die Heilerin, die irgendwie in Hlinka eine Art Anker findet um sich sicher zu sein, nicht ihrer "dunklen" Seite zu verfallen.

Das Ganze gewürzt mit der gleichen finsteren Atmosphäre wie zuvor und einem Cliffhangerende und schwupps will man wissen wie es weitergeht:D.

Mantis...boah.

Wann hat sich Skeira denn in Satan verwandelt:wunder:?

Ich bin ja erstaunt wie böse diese Geschichte ist, was weniger an den Morden, sondern vielmehr an den Reaktionen des Lynchmobs liegt. Und dazwischen die arme Hlinka, deren Tod noch sinnloser ist als die restlichen Hinrichtungen es sowieso schon waren:(.

Logikfehler fielen mir jetzt keine auf, ich war viel zu sehr damit beschäftigt zum Ende zu springen und entsetzt dreinzuschauen(wegen Skeiras Transformation).

Aus dem Bauch heraus habe ich mich jetzt für Lisras Geschichte entschieden.

Ohne besonderen Grund, es war reiner Zufall:).
 

Rote Zora

Pfefferklinge
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Beides großes Kino, düster, beklemmend, und mit unglaublich liebevoll gezeichneten Figuren, die voller Zerissenheit und doch innerer Kraft sind.
Das mag ich.
Ein klein bisschen besser gelungen ist es Mantis gelungen, eine richtige Geschichte zu schreiben, Lisra bringt eine weitere Episode der unsteten Flucht ihrer entwurzelten Heldin.
Insofern bekommt bei mir Mantis den Punkt, weil dieses "Zehn kleine Negerlein" gerade dadurch so böse wird, weil der Werwolf nicht alle reißen muss, sondern die Menschlein sich auch noch gegenseitig lynchen.
Besonders beeindruckt hat mich, dass beide als erstes die Erzählperspektive aus der Sicht des Fremdcharakters wählen, das zeigt, wie sehr sie sich in ihn hineinversetzt haben. Und Mantis bleibt konsequent dabei, auch das hat mir extrem gut gefallen.

Weiter so!
ZORA
 

skull

Thronfolger
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*wild weiter Schweine aus Grashäusern wirft*

Tja, das Wichtigste wurde eigentlich schon gesagt. Ich möchte aber in Bezug auf Galas Post noch einmal darauf hinweisen, dass Mantis keinen Charakter spielt, sondern eine eigenständige Kurzgeschichte geschrieben hat.

Wir können im Rahmen dieses Wettbewerbs erwarten, dass alle Geschichten eines Autors auf einem bestimmten Hauptcharakter basieren. Es steht aber nirgends geschrieben, ob und wie die Geschichten temporär oder kausal verknüpft sein müssen.

Als eigenständige Geschichte mit einer najaschoneinbisschen bösen Skeira gefällt mir die Idee mit der in die Literatur überführten Werwolfrunde jedenfalls ziemlich gut. Vor allem wegen des herrlich fiesen Endes:D, als Hlinkas Passivität und Naivität ihr schließlich zum Verhängnis werden.

Als einzige Kritikpunkte würde ich anführen, dass einige der, äh, Nebendarsteller etwas farblos daherkommen und dass der Lynchmob sich etwas unmotiviert bildet. Aber das liegt zum einen am Format und zum anderen, hey, Werwolf.:fies:

Lisra schreibt wieder konsequent und stilsicher weiter an seiner World of Darkness, aber Hlinka bleibt mir dabei zu blass und ich muss es leider sagen uninteressant. Wie sie da wieder naiv leidend zu 'Mutter Mond' fleht wünsche ich mir nur, dass endlich einer ein gnädiges Ende mit ihr macht.

Also, stilistisch sehr gut, aber leider ein wenig ereignislos in Bezug auf Plot— und Charakterentwicklung.
 

Kraven

Lernender
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Okay... als ich gestern die Geschichten gelesen habe, kam nicht mehr dabei raus als begeisterte Lobhudeleien, und ich dachte mir, bevor ich mich zu sehr nach Fanboy anhöre, geh ich erst nochmal schlafen.
Joah... eine Nacht und die erste Hälfte des Arbeitstages liegen hinter mir.
Was soll's ;)

Auch mit ein bisschen Abstand hat Mantis da eine hammermäßige Geschichte geschrieben. Sich vollkommen dem Problem bewusst seiend, dass die zehn kleinen Negerlein nicht funktionieren, wenn man ihnen nicht genug Raum zur Charaktereinführung lassen kann, umgeht sie das Problem einfach, indem sie den Fokus ganz allein auf Hlinka richtet. Und keinen Krimi oder keine klassische Horrorgeschichte aus der Sache macht, sondern völlig auf Schockmomente verzichtet, und stattdessen eine melancholische, auswegslose Stimmung erschafft. Die Geschichte wirkt, passend zu den Temperaturen um die Hütte herum, kühl und mitleidslos, und die Figur der Skeira, die auf einmal einfach zum mitleidlosesten, manipulierendsten und gemeinsten... dieser Erde wird - ich bin begeistert.

Wobei ich es ein bisschen schade für Lisra finde, weil mir seine Geschichte auch sehr gut gefallen hat. Glaubwürdige Figuren, eine schöne Fortführung... ich kann nirgends den Finger drauf legen, wo er was falsch gemacht macht.
Es fehlt seiner Geschichte nur leider dieser Schuss Genialität, die Mantis' Geschichte auszeichnet.
Darum, ich weiß, es ist kein Trost, wenn man 'nur knapp' verliert, aber die Geschichte hat sich im Vergleich zur ersten wirklich enorm gesteigert.

Den Punkt kriegt trotzdem Mantis, für eine Skeira, die in einem Minimum an Leinwandzeit eine Hassenswürdigkeit gewinnt, die sonst nur Jared für sich verbuchen kann.
 

Maus

Senior Member
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Respekt.

Mantis Geschichte funktioniert auch ohne, dass man Werwolf als Spiel kennt. Das gibt nur ne nette Fussnote meiner Meinung nach. Lis Geschichte ist aber auch gut.

Für mich waren beide Geschichten sehr ähnlich, da beide aus Hlinkas Sicht geschrieben sind und sich auch um deren Trauma drehen. Die Handlung ist zwar grundverschieden, die Geschichte aber dieselbe. Das Ende ist bei Lis offener als bei Mantis, aber der Unterschied ist klein.
Man könnte hier also gut beide Geschichten vergleichen, aber das macht die Entscheidung nicht einfacher. Da man nix gegeneinander abwägen muss, hilft drüber schlafen auch nicht.

Ich geb den Punkt an Lis, weil die Geschichte klarer ist. Bei Mantis sind halt noch so Sachen drin wie: ist die Benommenheit von Skeira beabsichtigt gewesen? Oder liegts an der doppelten Dosis Schlaftrunk?
Hätten aber beide den Punkt verdient gehabt.
 

Aurelia

Lichtbringerin*
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Um es mal mit Lenas Worten zu sagen:
"Whow! Verdammte Axt! Ist das geil!"

Als ich Mantis Geschichte gelesen hab, dachte ich bei mir: "Das ist die beste Geschichte dieser Runde!"
Aber dann las ich Lisras und dachte: "Hui, die ist aber auch echt verdammt gut!!!"
Und es ist echt sooo gemein, dass man hier nur einen Punkt vergeben darf! :c:

Beide Geschichten sind sehr schön geschrieben und bringen die Gefühls- und Gedankenwelt der traumatisierten Hlinka sehr authentisch rüber. Obwohl Lisra das noch einen kleinen Tick besser hinkriegt, da sich seine Hlinka gegen sämtliche Berührungen sträubt.

Von Mantis war ich beeindruckt, dass sie den Mut hatte ihre Skeira mal komplett umzukrempeln und böse zu machen. Das hat man nach der ersten Geschichte gar nicht erwartet, so schüchtern und verunsichert wie Skeira war.

Und, ganz ehrlich, am allerwohlsten fühle ich mich, wenn ich hier keinen Punkt vergebe, weil ich beide Geschichten genial finde und an keiner auch nur eine Kleinigkeit auszusetzen habe.
 

Mantis

Heilende Hände
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Schön, dass es euch gefällt :)

Ich bin übrigens erstaunt, dass Skeira als so über-böse interpretiert wird. Aber vielleicht liegt das daran, dass alle anderen ausser mir davon ausgehen, dass sie sich und das sich-verwandeln unter Kontrolle hat. :shine:

Mal sehen...

@Gala: Ich kann da nur für mich selbst sprechen: mein medizinisches Fachwissen geht nicht in Richtung Psychologie (wenn man mal von einem klitzekleinem bisschen Verhaltensänderungszeugs absieht), und erst recht nicht in Richtung Traumforschung. Expertin auf dem Gebiet von Träumen wäre ich also höchstens durch eigene Erfahrung damit. Aber von den Träumen ausgehend, die ich bis jetzt so hatte, kann ich schon sagen, dass es bei mir kaum oder sogar nie vorkam, dass ich konkrete, bereits erlebte Situationen eins zu eins im Traum wiederfinden konnte.
Daher die Traumszene... eine Mischung aus Verlustängsten, mitgemachtem Trauma und Rachegedanken. (die zusammenfantasierte langjährige Vergewaltigungskette kann ich übrigens in meinem Text nicht wiederfinden... was meintest du?)

Zum "spielen" hat skull ja schon was geschrieben... und als "Bösewicht" würde ich Skeira nun auch nicht unbedingt bezeichnen. Es sind mehr die Umstände als ihre Absicht, die so viele Opfer mit sich bringen. Zumindest dachte ich mir das so, siehe oben ^^

unrealistische Handlung, tja, so ähnlich wie in den Werwolfrunden, nicht wahr? Und wer ist schon rational, wenn er in einer Hütte in einem zugeschneiten Tal mit einem Mörder eingeschlossen ist? Aber das kann ich eigentlich auch nicht beurteilen, mitgemacht habe ich eine solche Situation ja schliesslich auch noch nicht ^^


@Timey: was inzwischen passiert ist? ooch, gar nichts... wirklich, es sind nur die äusseren Umstände.
Oder vielleicht kann Skeira auch nicht mit Liebeskummer und Zurückweisung umgehen :D:fies:


@ Shee: Pass auf, nächste Runde schreiben wir zwei bestimmt mit- und gegeneinander ;)
Die Details... tja, mit dem Schneesturm hast du mich ertappt.^^ Vielleicht ist sie auch einfach ein ordentlicher Werwolf, und hat sich die Tatzen abgetrocknet bevor sie wieder zurück in den Gasthof ging? ;)
Und, ja, du hast es erfasst - wie die Karnickel :D
Was das Zuzwinkern betrifft... ich muss ganz ehrlich zugeben, ich weiss immer noch nicht so genau, was eigentlich danach passiert. Ich habe es bewusst so offen enden lassen - theoretisch könnte Skeira in letzter Minute Gewissensbisse kriegen und sie retten, dann müsste sie allerdings ihre eigene Deckung aufgeben. Warum sollte sie das tun, wenn sie auch am selben Tag noch abreisen könnte? Nachdem das Wetter sich gebessert hat, und ihr eigentlicher Aufenthaltsgrund (die schwangere Frau) nicht mehr existiert (ahem), kann sie auch einfach weiterziehen.
Also, ja, vermutlich ist es eher das "besser du als ich" ;)


@Micha: Tja, das mit den vielen eingeführten Charakteren liess sich leider für dieses Szenario nicht vermeiden. Man braucht ja genügend Leute als Opfer, und um hinterher noch einen Mob formen zu können...
und nicht alle Sprechrollen sind gestorben :D
Dass Skeira selbst so wenig vorkam, war schon Absicht. Sie hält sich mit gutem Grund im Hintergrund, kümmert sich (wie irgendwo am Anfang erwähnt) um die schwangere Frau des Wirts, und das wars auch schon.


@Zelon: "Satan" finde ich *etwas* übertrieben ^^ ich sah ihre Motivation jetzt mehr im Überleben an sich, nicht im töten-und-nicht-erwischt-werden.
Und ja, es ist böse, es ist grausam, es ist ungerecht... da kann ich auch nichts gegen sagen.


@Kraven: hehe - also lag ich doch richtig mit der Vermutung, dass ich dich mit den etwas düsteren Geschichten mehr überzeugen kann. ^^ Schön :)


@Maus: gerade diese Sachen waren ja auch von mir beabsichtigt: dass es eben unklar ist, ob Skeira nun absichtlich dafür sorgt, dass Hlinka am nächsten Tag handlungsunfähig ist. Aber andererseits - wie hätte sie das voraussehen, planen können, dass Hlinka die doppelte Dosis nimmt? Hätte sie, wie empfohlen, einfach die normale Dosis verwendet, hätte sie auch keine Probleme gehabt sich auszudrücken.
Aber dann hätte ich ein Problem mit meinem Ende bekommen ^^
 

Lisra

Schmusekater
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So.. es war doch nicht so eindeutig wie ich dachte, das ist schön. Nach meiner ersten Runde, die mehr von zwei Wochen Neon Genesis Evangelion schauen und lesen kam als von irgendwas anderem, wollte ich dem ganzen etwas mehr Licht geben. Das es noch immer offensichtlich düster war, ist mir selber gar nicht mehr aufgefallen.

Auch diese Story war nicht so einfach zu schreiben, allerdings mehr wegen dem Zeitlimit und nicht weil mir das Thema so schwer viel. Naja, passiert. Deshalb hört es auch relativ plötzlich auf. Ein paar Menschen haben interesse angemeldet wies denn weitergeht, also schreibe ich irgendwann ganz unabhngig von diesem Wettbewerb ein bisschen mehr dazu, denn ich finde die Kombination gerade zu schön um es einfach aufhören zu lassen.

Schade das es wieder nichts für mich wurde, aber mir war nach den ersten zwei Absätzen klar, dass ich bereits deklassiert war, und das mit meinem eigenen Charakter, in meinem eigenen Gebiet. Dank Shee habe ich sogar einen Hut, den ich vor Mantis' ziehen kann. Meine Achtung, Zusje.

Mal schauen..

@Gala
Wait - das hatten wir schon. Und Mantis hat auch genug selber hinzugefügt.

@Time
Überall? Wie gesagt, ich habs selber gar nicht gemerkt. Aber schön, dass es trotzdem auch gefallen hat!

@Sheera-Li
Eiskalt das Problem meiner Story erkannt, nämlich das es keine ist, sondern ein Stück Fortsetzung ohne richtiges Ende. Bessere Rechtfertigung gibts eigentlich nicht.

@Micha
Dankeschön.

@Zora
Das haben wir unabsichtlich geübt. :D

@skully
Tja.. der Wettbewerb hat leider noch ein paar Runden, ein Ende ist nicht abzusehen. Aber: Fair enough, das verstehe ich gut.

@Kraven/Maus
Vielen dank, auch wenns nur einen Punkt von zweien gab.

@Aurelia
Gibt wohl kaum ein besseres Lob.

Mal sehen wies weitergeht, diesmal gegen Durin. Hm...
 
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