Politik, 6. Staffel

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Olome Keratin

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@David: Es wird in der Praxis kein Politiker allein entscheiden, aber es muss jemand entscheiden und es wird auch ständig entschieden. Schließlich ändern sich die Lehrpläne immer wieder. Und besser, ein gewählter Politiker entscheidet als der Fachlehrerverband, oder?

Mir fehlt auch einiges an Fächern, z.B. Wirtschaft, einfach, um zu vermitteln, was ist eine Aktie, was Inflation, wie funktioniert die Börse? usw.

Grundsätzlich wäre es aber gut, mehr Spezialisierung zu haben, also Leute, die sich z.B. intensiv mit Biologie und Chemie auch im Wechselspiel befassen können, dann aber auch keine Ahnung haben dürfen, wer Caspar David Friedrich war.
Oder Leute, die sich mit Gesellschaft, Wirtschaft etc. auskennen, aber bei der Frage nach Verdi nur von der Gewerkschaft erzählen können.:shine:
 

David

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Wirtschaft gabs bei uns sogar als LK, lustigerweise ohne daß es das vorher bis zur 10. Klasse als normales Fach gegeben hätte. (Nur als Wahlpflicht gabs 'Börse und Wirtschaft')

Mir fehlen manchmal auch simple Basics ala "Wie gehe ich mit meinem Geld rum" oder "Wie werd ich mit Klingeltönen abgezockt?" zur Vorbereitung auf das reale Leben. Das soviele Jugendliche in der Schuldenfalle landen ist ja auch nicht genetisch bedingt. Für sowas könnte man dann auch mal den Kurs "Wie berechne ich eine Höhenlinie in einem dreidimensionalem Kurvengebirge ?" 10 Jahre später ausfallen lassen und den Mathe-Studenten überlassen. :D

Aber wenn man sich mal anhört, was für Fächer sonst noch so gefordert werden, und das oft zu Recht (zB die Ernährung betreffend) müsste man eigentlich 2 extra Jahre Grundschule einführen statt die Schulzeit zu verkürzen.

Was die Spezialisierungen angeht stimme ich dir zu, aber die Gefahr, daß man sich zu früh für den falschen Weg entscheidet besteht dabei natürlich auch. Meiner Meinung nach ist das aber verkraftbar, weil man das Wissen notfalls später ja auch 'nachlernen' kann, in Geschichte und Geographie hab ich vor der Uni auch bei Null angefangen, weil die Fächer in der Schule so grottig waren, daß mans auch ganz hätte lassen können.
 

Micha

Kutte
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Es wird in der Praxis kein Politiker allein entscheiden, aber es muss jemand entscheiden und es wird auch ständig entschieden. Schließlich ändern sich die Lehrpläne immer wieder. Und besser, ein gewählter Politiker entscheidet als der Fachlehrerverband, oder?

Das ist nicht dein Ernst, oder? Mein Vater ist Lehrer an einer Berufsakademie und was der ständig (!) für Geschichten erzählt, was das Ministerium und die Sesselpuper sich dort wieder für eine weltfremde Grütze ausgedacht haben (Lehrpläne, Prüfungsfragen, Prüfungsanforderungen etc.) - sorry, da wäre man mit dem Fachlehrerverband *wesentlich* besser dran.

Im Übrigen: unsere lustige Politik hat auch entschieden, Bildung quasi komplett zu dezentralisieren und die Bildungshoheit den einzelnen Bundesländern zuzuschieben - das hat die Bildungsministerin sogar persönlich mit angeschoben. Auch die geplante Privatisierung von Bildungsstätten beispielsweise ist auf politischem Mist gewachsen. Wenn du mir jetzt ernshtaft erzählst, dass du solche Entscheidungen richtig findest und der Politik auch noch weitergehende Befugnisse diesbezüglich in die Hände legen würdest, bleibt mir nur noch sprachlos die Klappe offen stehen...
 

Shao

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Grrr.

Erstmal - what Micha said.

Danach: Nichts gegen Wahlmöglichkeiten per se. Aber das Abitur ist eine allgemeine Hochschulreife. Bei noch mehr Spezialisierung ist ein Abi nicht mehr als Qualifikation für eine Hochschule zu gebrauchen, sondern maximal für ein ganz bestimmtes Studium. Es ist super, wenn man vor seiner Fachwahl (was dann im Klartext 10. Klasse heißt), weiß was man später studieren möchte, oder welche Ausbildung man anstrebt und sich dementsprechend seine Fächer aussuchen kann. Aber das ist bei einer überwältigenden Anzahl Schülern nicht drin, und sollte auch nicht erzwungen werden. Die meisten brauchen bis zum Abschluss des Zivildienstes um herauszufinden, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen, verständlich, keine leichte Entscheidung. Da ist eine allgemeine Hochschulreife ne recht praktische Sache.
Und ich denke wir sind uns doch alle einig, dass man am Gymnasium weitreichende Grundkenntnisse in Erdkunde, Geschichte, Englisch, Mathe, Musik, Deutsch, Physik, Chemie, Biologie und einer weiteren Fremdsprache vermitteln sollte. Ob man jetzt 2 Stunden Erdkunde und 3 Geschichte pro Woche unterrichtet, oder andersum, ist ne Kleinigkeit. Ob man Geschichte zwingend bis zur 10. oder 11. machen muss, ebenfalls.

Ja, ich würde mir anmaßen, zu entscheiden, was wichtig ist und was nicht, vor allem, wie viele Leute wir mit welchen Kenntnissen brauchen. Wobei hier zu berücksichtigen ist, dass bei aller Bildung das wichtigste ist, dass der Lernende etwas auch wissen will, sonst bringt alles nichts.

Also, für den Englisch-LK lieber Tortilla Curtain oder was von Shakespeare? Chronologisches Vorgehen im Geschichtsunterricht? Die alten Griechen rausnehmen und stattdessen mehr Mittelalter machen? Asiatische Geschichte?

Und "wie viele Leute wir mit welchen Kenntnissen brauchen" ist kein Regler in nem Strategiespiel. Das überlassen wir bitte noch den Leuten selbst.
 

Chinasky

Dirty old man
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@Olome:
Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wirklich religiöse Gründe die Hauptursache sind. Soweit ich weiß (lasse mich gerne belehren), war der Großteil der ursprünglichen Gastarbeiter nicht besonders religiös. Die Rückbesinnung auf den Islam hat sich wie in der gesamten islamischen Welt vor allem in den 80ern und 90ern bis heute vollzogen, getragen vor allem von der Jugend, da bilden die nach Deutschland eingewanderten bzw. hier Aufgewachsenen wahrscheinlich keine Ausnahme. Islamisierung könnte daher eher eine Reaktion auf gescheiterte Integration sein..

Diesbezüglich schrieb ich oben, daß ich die Diskussion um Henne oder Ei für ziemlich witzlos halte. Fakt ist, daß insbesondere Zuwanderer aus islamischen Ländern die hier diskutierten Probleme haben/verursachen. Übrigens in unterschiedlichem Maße. Meines Wissens sind die Iraner/Perser hier im Land nicht so problematisch, was Desintegration angeht. Das mag einerseits daran liegen, daß sie sich vor allem aus höheren Bildungsschichten rekrutieren und andererseits daran, daß viele vor dem islamistischen Terror in ihrem Land gerade hierher flohen und insofern vielleicht (das ist jetzt allerdings meine Mutmaßung, mit der ich auch falsch liegen mag) die säkulare Verfaßtheit unserer Gesellschaft eher zu würdigen wissen.
Möglich, daß die verstärkte Hinwendung zur Religion eine Reaktion auf irgendwas ist, und als "irgendwas" kommt durchaus die mißlungene Integration infrage. Da ich ja der Meinung bin, daß eine verstärkte Hinwendung zum Religiösen immer aus kompensatorischen Gründen stattfindet (aus welchen auch sonst? Etwa aus rationalen Überlegungen? :D ), halte ich es sogar für plausibel, daß die mißlungene und mißlingende Integration von bestimmten Gruppen dafür sorgt, daß deren Mitglieder sich ihr Selbstwertgefühl in der religiösen Identität suchen.

Wenn aber diese religiöse Indentität inhaltlich so aussieht, wie es Sarrazin kurz und schmerzhaft formulierte - nämlich eine Ablehnung des westlichen Staatsverständnisses unter gleichzeitiger Ausnutzung von dessen Vorzügen (ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben) - dann haben wir hier den Clash of civilisations mitten im Land. Der Islam ist in seiner Wurzel politisch. Und er ist - wie alle drei großen abrahamitischen Religionen - im Kern undemokratisch, ja sogar antidemokratisch (und damit nenne ich nicht alle Anhänger dieser Religionen antidemokratisch, sondern die Grundideen dieser Religionen, nur, daß da jetzt nicht gleich wieder die Wellen der Empörung hoch schlagen). Die Renaissance des Islam in seinen Ursprungsländern hängt übrigens m.M.n. ebenfalls mit kompensatorischen Gründen zusammen, läßt sich also durchaus auch mit der falschen Politik der dort Herrschenden erklären. Naja, kann man alles bei Huntington nachlesen ("Kampf der Kulturen"), über dessen Aktualität ich immer wieder erstaunt bin.
Aber was soll's? In der Vergangenheit wurden Fehler gemacht. Die sollten nicht wiederholt werden. Aber mit den traurigen Folgen jener alten Fehler muß heute nun mal auch umgegangen werden.
Symptomatisch war doch z.B. die Auswahl der kopftuchtragenden Ditib-Vertreterin für die "Hart aber fair"-Diskussion. Wer spricht für die türkischen und arabischen Minderheiten? Ausgerechnet eine Vertreterin einer dezidiert religiösen (islamischen) Organisation, die, das nur nebenbei, auf's Engste mit der türkischen Regierung verflochten ist. Achte mal darauf, wie sie diskutiert. Wie sie systematisch den konkreten Fragen (dazu, daß jüngere Türken und Araber sich zu einem größeren Anteil dagegen aussprechen, daß ihre Kinder mal deutsche Ehepartner wählen, als noch deren Elterngeneration - dazu fällt ihr überhaupt nix ein. Statt dessen lenkt sie auf ein komplett anderes Thema um, um nur ja nicht mal Überlegungen darüber zuzulassen, ob hier vielleicht ein strukturelles Mentalitätsproblem unter den angeblich von ihr Vertretenen existieren könnte. Ein trauriger Fakt übrigens, daß niemand in der Runde dieses Ausweichmanöver kritisiert, sondern statt dessen der CDU-Politikerin - Herrgott, jetzt muß ich schon CDU-Politikerinnen gegenüber Grünen-Politikern loben! :eek: - die das Thema nochmal aufgreifen will, von Herrn Ströbele ausgerechnet über den Mund gefahren wird mit der Forderung, sie solle doch bitte auf eine Frage der Ditib-Dame antworten. Arrgh, wenn ich gekonnt hätte, wäre ich dem Kerl an die Gurgel gegangen für diesen unfairen Diskussionsstil!)ausweicht. Und wie sie Integration definiert, nämlich so, daß sich die zu Integrierenden wohl fühlen (was ist mit der integrierenden Gesellschaft? Deren Wohlbefinden scheint keine Rolle zu spielen...).

Die Dame wird von allen in der Runde irgendwie als gelungenes Beispiel für Integration hingestellt - dabei ist sie ein anschauliches Beispiel für Integrationsunwilligkeit. Ja, sie spricht halbwegs gutes Deutsch. Und sonst? Zuerst behauptet sie, man dürfe nicht andauernd nur nach Schuldigen suchen und Forderungen stellen - und dann tut sie für den Rest der Sendung nichts anderes. Nur, daß sie die Schuldigen freilich nicht in den "eigenen Reihen" sucht. Wie praktisch. Den Machismo unter türkischen Jugendlichen leugnet sie schlicht. Auf die Ablehnung der Deutschen, gerade unter den Türkischstämmigen der jüngeren Generation, geht sie nicht ein. Statt dessen spielt sie mal wieder die Beleidigtenkarte, sobald die argumentatorischen Einschläge gefährlich nahe kommen. Und das alles mit dem Kopftuch oben drauf, jenem Symbol, das als religiös-politisch nicht zu verstehen nur noch bemühten Realitätsverdrängern möglich ist.
Endgültig zuviel kriegte ich dann, als ausgerechnet der Herr Matussek, der als Sarrazin-Fürsprecher eingeladen worden war, und dessen ersten paar Einlassungen ich zu meiner eigenen Überraschung zustimmen mußte, plötzlich seine katholische Gesinnung rauskehrte und - völlig ohne Not - sich mit seiner Kritik an den Mohammedkarikaturen dem islamistischen Mob anbiederte, welcher immerhin einst lauthals die Ermordung von Journalisten gefordert hatte. Und wieder: keinerlei Einspruch, aus der gesamten Runde nicht.... Arrgh! Aber ich merke gerade, wie ich in meinem heiligen (sic! :shine: ) Zorn vom Thema abkomme... Is schon spät, gute Nacht!
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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@Shao: Ja schön, dann haben wir eben jede Menge Leute ausgebildet, die in der Masse kein Mensch braucht, bspw. Floristen und Logopäden, in anderen Studiengängen schlägt man sich die Köpfe ein, um einen Platz zu bekommen und knüpft das an die Abiturnote wie in Medizin, mit dem Ergebnis, dass ein Großteil der besten Abiturienten zum Gutteil aus Geld- und Prestigegründen Arzt wird und nachher noch womöglich ins Ausland geht, obwohl nichtmal ausgemacht ist, dass sie für den Job unbedingt geeignet sind.
Und in anderen Bereichen fehlen dann Absolventen, die dringend gebraucht würden, z.B. Ingenieure.
Ein Bildungssystem, das es nicht schafft, die Leute bereit zu stellen, die zur Aufrechterhaltung der Gesellschaft gebraucht werden, verdient den Namen nicht. Das ist in meinen Augen die Hauptaufgabe. Dann ist es wünschenswert, dass jeder in etwa das machen kann, was er will, aber wenn alle Sterne gucken oder eine Praxis betreiben un dniemand ist mer in der Lage, den Wasserrohrbruch zu reparieren, ist was falsch gelaufen.
Und bezüglich Fächerwahl: Und was hilft es, wenn die Leute dann Jahre damit verbingen, in völlig unbekannte Studiengänge reinzutappen und zu merken, dass es das auch nicht ist?

@Micha: Dezentralisierung? Wo bitte? Wär schön, wenn wir die hätten. Wir haben 16 Zentralen, das ist nicht dezentral. Was mir vorschwebt, ist eine Kommunalisierung von Bildung, also z.B. eine Wahl von Bildungsbürgermeistern, die für Schulen, Universitäten etc. vor Ort zuständig sind und sich da überlegen können, was bei ihnen in der Region vor allem gebraucht wird, dann wäre der Quasizwang zur Umzieherei aus Studiengründen auch weg und die, die wollen, können.
Was deinen Vater vermutlich stört, ist, dass Leute entscheiden, die die Verhältnisse vor Ort überhaupt nicht kenne. Sowas ist immer schlecht, wäre aber noch schlimmer, wenn das Ganze an den Bund übertragen wird. Einziges Ergebnis davon wäre, dass alle gleich zu jammern haben. Deswegen hätte ich eine Kommunalsierung am liebsten. Darüber können die Betroffenen auch direkt mit abstimmen. Und Betroffene sind nicht nur Schüler, sondern z.B. auch Unternehmer.

Edit: @Hank: Ah, noch einer, der Huntington nicht verdammt, wie schön.;) Ich hab die von dir verlinkte Runde nicht gesehen, weiß auch nicht ob ich das tue, die Detailsvon dir reichen mir schon, um das als Zeitverschwendung wie bei den meisten Polittalks anzusehen. Und ernsthaft: Hast du dir von Ströbele irgendwas versprochen? Für mich einer der üblichen, überbewerteten grünen Schaumschläger.
Zur Ausgangsfrage: Ich kenn mich einfach nicht gut genug aus, um ein Urteil zu fällen, was du sagst, klingt schon plausibel. Und deine Religionskritik teile ich zum Gutteil.
 
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David

Moderner Nomade
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Hier kann man echt nichtmal nachts alleine in Ruhe was schreiben.. :D
Wie war das noch mit "der Thread füllt sich zu schnell" ? :shine:

@Shaolin:
Dem Anspruch, in all den aufgezählten Fächern eine solide Grundlage für ein mögliches Studium zu liefern, kann die Schule meiner Meinung nach gar nicht gerecht werden, das ist viel zu viel.

Das schaffen allenfalls die LKs, und wenn man da zB einen mehr von hätte, weil man im Gegenzug ein paar andere Fächer früher abgeben kann, würde davon die Welt nicht untergehen. Es ist ja auch nicht so, daß man von einem Fach gar nix mitbekommen hätte, wenn man es irgendwann mal abgibt, es spricht ja niemand davon, daß das schon nach der Grundschule passieren soll.

Wer sich zB für die LKs Mathe und Wirtschaft entscheiden würde, muss meiner Meinung nach nicht unbedingt Kunst, Musik oder Literatur machen, die Möglichkeit, diese Fächer ab der 11. Klasse ganz abzugeben um dann zB Informatik als dritten LK zu machen, wäre grade im Hinblick auf ein mögliches Studium glaub ich besser: Man hätte dann in 3 Fächern eine recht solide Grundlage, und die Gefahr, doch noch Kunst studieren zu wollen, dürfte eher gering sein. (Will man das doch machen, muss man den Stoff halt nachholen, musste ich bei meinen Fächern auch machen, und es war kein großes Problem)

In der Uni läuft das bei uns inzwischen so, daß es Grundkurse oder Kurse in den Ferien (je nach Fach) gibt, die das nachholen, was eigentlich von der Schule kommen sollte, weil man inzwischen eingesehen hat, daß Anspruch ("allgemeine Hochschulreife") und Wirklichkeit ("Das hatte ich mal in der Schule. Glaub ich.") nicht mehr zusammenpassen.
Interesse und nen paar gute Bücher lassen einen eh in einem Semester das nachholen, was man vorher in 3 Jahren Schule reingeprügelt bekommen hätte. :D
 
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Aira

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Olome

"Man muß davon ausgehen, daß menschliche Begabung zu einem Teil sozial bedingt ist, zu einem anderen Teil jedoch erblich. Der Weg, den wir gehen, führt dazu, daß der Anteil der intelligenten Leistungsträger aus demographischen Gründen kontinuierlich fällt. So kann man keine nachhaltige Gesellschaft bauen, das geht für ein, zwei, drei Generationen gut, dann nicht mehr."

Zitat aus Sarrazins Interview.

Vererbungslehre als ökonomischer Faktor...DAS ist für mich Rassistisch und weit über Diskriminierung hinaus.

Zu mehr, anderem, fehlt mir jetzt die Zeit.
 

Malik ibn Harun

Sohn der Wüste
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Ich werfe mal in den Raum, dass die ersten zwei von drei Sätzen in der Form sachlich ziemlich sicher korrekt sind... :hae:
Was nicht heißen soll, dass die Aussage nicht rassistisch und irgendwie akzeptabel für jemanden in seiner Position ist.
 

Mumme

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Darghand hat genau die Sätze herausgepickt die mir auch übel aufgestoßen sind. Bitte lest Euch die Sätze nochmal durch. Für mich ist darin ein extrem menschenverachtender und tendenziell rassistischer Unterton zu finden.

Sarrazin Rassismus vorzuwerfen kann ich absolut nicht nachvollziehen, wenn du das hier getan hast. Bin mir nicht ganz sicher, wie ich dich zu verstehen habe.
Zudem pflegen sie [die Türken und Araber] eine Mentalität, die als gesamtstaatliche Mentalität aggressiv und atavistisch ist.
atavistisch: unterentwickelt, roh, primitiv verhalten

Man muß davon ausgehen, daß menschliche Begabung zu einem Teil sozial bedingt ist, zu einem anderen Teil jedoch erblich.
Das mag wissenschaftlich gesehen stimmen, in diesen Zusammenhang gesagt, ist das aber nichts anderes als krasser Rassismus. Vietnamesen und Chinesen sind schlau und fleissig, Russen wenigstens noch fleissig, aber Türken und Araber sind dumm, aggressiv und primitiv.

Daneben hat sie einen Teil von Menschen, etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung, die nicht ökonomisch gebraucht werden [....]. Dieser Teil muß sich auswachsen.
Hallo, geht's noch? Was ist das denn für eine menschenverachtende Einstellung?! Was genau meint er denn mit "auswachsen"? Geburtenbeschränkung für Harz IV -Empfänger? Oder Geldhahn zudrehen und das ganze über eine erhöhte Kindersterblichkeit in der "Unterschicht" regeln?
Was sind das denn für Lösungsvorschläge? Nein, wir ändern nicht etwa die ökonomischen Verhältnisse, denn die sind ja gottgegeben und unantastbar in alle Ewigkeit, sondern wir entsorgen einfach den humanen Restmüll, der halt ökonomisch nicht gebraucht wird. Ach Entschuldigung, natürlich war von "entsorgen" keine Rede, sondern vom "auswachsen".

Über sein Plädoyer für weniger Zuzug kann man ja diskutieren, auch mit dem gegebenen Hintergrund der mangelnden Integration. Nur, da wäre ja immernoch das Problem der dauerpoppenden kopftuchmädchenproduzierenden Unterschicht die nunmal genetisch nicht in der Lage sind vernünftiges Humankapital zu erzeugen ... tja, was machen wir denn da? :grmpf:

@Hank
Ich kann deine Argumente nachvollziehen bzgl. des Problems der Integration, auch deine Sorgen hinsichtlich der Rolle des Islam dabei - auch wenn ich deine Ansicht nicht teile. Ich bin auch verärgert über dieses Abduckertum wenn es mal um die Probleme bei der Integration geht und diese (grüne) Multikulti-heididei-wir-sind-ja-alle-so-nett-zueinander Einheitssoße.
Ich verstehe auch deine Freude, dass jemand das Problem mal kompromisslos anspricht. Aber wie du dabei diesem zynischen und menschenverachtenden Unterton applaudieren (und teilweise übernehmen) kannst, ist mir völlig unverständlich.
 

Gala

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Diarmuid

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Hmm, was ist mit den 16 Millionen Leuten die übrigbleiben? :hae:

@Mumme: Seh' ich genauso. :up:
 

Micha

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@Olome

Und ich dachte schon, mir müsste bei deinem letzten Posting wie erwähnt die Klappe offenstehen... :eek: Sorry, kommunales Bildungssystem? Wollen wir zurück ins kleinstaatende Mittelalter? Ich bin für bundesweit einheitliche Lehrpläne und ein Ende mit diesem ganzen "wir spezialisieren uns so früh wie möglich"-Hokuspokus. Ich hab nen sächsisches Abitur, welches einigermaßen rigide war (vor sieben, acht Jahren, kA wie es jetzt aussieht), was die möglichen Fächerkombinationen und wohl auch den Anspruch an die Schüler angeht. Ich hab im Studium ne Menge Freunde und Bekannte aus anderen Bundesländern gefunden: mit so exotischen Dingen wie Mathe abgewählt, Sport Leistungskurs (nein, kein Sportgymnasium) und ähnlichen Absurditäten. Ergebnis: die hatten extreme Probleme, sich in die Materie einzuarbeiten (wir hatten sehr viel Mathe bzw Matheverwandtes im Grundstudium), einige haben deshalb abbrechen müssen. Es sind auch oft nicht konkrete Kenntnisse, sondern Herangehensweisen und Methoden, die auch in der Schule schon vermittelt werden und auf die man im Studium dann zurückgreifen kann, um sich seine Wissensbasis zu konstruieren.
Es ist in meinen Augen - wie von Shao schon treffend dargelegt - nur eine verflixt kleine Minderheit von Schülern, die bis zum Abitur tatsächlich wissen, was sie machen werden oder wollen. Durch zusätzliche Spezialisiserung werden denen nur Möglichkeiten der Entfaltung genommen, auch Möglichkeiten, um vielleicht herauszufinden, was einem liegt oder nicht.

Wie du jetzt in irgendeiner Form ein kommunales Bildungssystem umsetzen willst, ist mir absolut schleierhaft. Na sicher stört es meinen Vater, dass Leute entscheiden, die die Verhältnisse nicht kennen. Schlimmer noch - die oft einfach *überhaupt* keine Ahnung haben und nach dem Mund von Lobbyisten reden oder weil sie sich gerne in Szene setzen wollen. Nur änderst du mit weiterer Aufdröselung auf kommunale Ebenen meiner Meinung nach glatt garnichts, außer einem dann komplett undurchsichtigen Wust an Möglichkeiten, Bürokratie, Bornierheit und Klüngelwirtschaft/Korruption.
 

Chinasky

Dirty old man
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@Olome: Nein, ich verdamme Huntington nicht, zumindest hat mich das genannte Buch von ihm beeindruckt und inhaltlich überzeugt. Darüber hab ich ja früher schon mal Auseinandersetzungen mit Darghand gehabt, dessen Kritik ich teilweise nachvollziehen konnte, aber für unwesentlich in der Sache hielt. Übrigens halte ich manche Konsequenzen, die Huntington aus den in dem Buch dargestellten Analysen zu ziehen vorschlägt, für falsch, insbesonderd die Besinnung auf "unsere christlichen Wurzeln". Mein Konsequenzvorschlag wäre, daß sich "der Westen" endlich darauf besinnt, was "the root of all (oder zumindest: much ;) ) evil" sei und zu einem klar säkularen-aufgeklärten, humanistischen Selbstverständnis gelangt. Weil sich m.M.n. aus einer Haltung, die durch irrationalistische Weltanschauungsanteile gewissermaßen verunklart (um das böse Wort "verseucht" zu vermeiden) ist, keine überzeugende, d.h. konsistente Gegenposition zum politischen Islam vertreten läßt. Es gibt keine validen Argumente gegen die Gültigkeit der Scharia weltweit, solange man einräumt, daß da oben ein Gott wohne, welcher unfehlbar und allmächtig und Handlungsanweisungen gebend sei. In diesem zentralen Punkt bin ich also in Opposition zu Huntington und sämtlichen "Konservativen".

Ich hab die von dir verlinkte Runde nicht gesehen, weiß auch nicht ob ich das tue, die Detailsvon dir reichen mir schon, um das als Zeitverschwendung wie bei den meisten Polittalks anzusehen. Und ernsthaft: Hast du dir von Ströbele irgendwas versprochen? Für mich einer der üblichen, überbewerteten grünen Schaumschläger.
Da machst Du es Dir nun ein gutes Stück zu einfach. Erstens weiß ich nicht, was Du unter den "üblichen, überbewerteten grünen Schaumschlägern" verstehst. Zu einem großen Teil vertrete ich die grünen Standpunkte, lediglich bezüglich der Integrationspolitik und dem Verhältnis zu den Religionen (es gibt auch seit der Gründung der Grünen immer einen religiös motivierten Flügel in dieser Partei, nämlich vor allem Christen, die grüne Politik als "Bewahrung der göttlichen Schöpfung" verstehen - und deren Zielen ich zustimme, selbst wenn ich ihr religiöses Motiv nicht teile). Schaumschlägerei - nun ja, Klappern gehört zum Geschäft. Daß solche Dauer-Talk-Bank-Drücker wie Ströbele leider mit der Zeit immer plakativer in ihren Argumentationen werden, stimmt. Aber häufig vertrat er - zu anderen Themen - Positionen, die ich vollumfänglich teilte. Also biedere Dich hier mal nicht bei mir durch pauschale Grünen-Schelte an! :p :fies:

Was die "Hart aber fair"-Sendung angeht, so finde ich, man sollte die sich aus dem gleichen Grund angucken, dessentwegen Du z.B. nach ausführlicheren Auszügen aus dem Sarrazin-Interview suchtest: sie ist für die Diskussion wichtig. Gala zitierte einen Artikel über die Gästebucheinträge zu dieser Sendung. Als ich die Polemik (Redebeiträge eines NPD-Parteitags) darin monierte, fragte er, wievielen und welchen Gästebucheinträgen ich denn zustimmen könne.
Spätestens da dürfte klar sein, daß man sich doch nun auch mal mit der Sendung, welche diese Gästebucheinträge provozierte, beschäftigen sollte, oder?
Und ich fand die Sendung zwar vom Niveau her mal wieder recht weit unten angesiedelt. Aber eben auch symptomatisch für die Debatte. So werden nun mal leider in Deutschland politische Diskurse geführt (oder besser: inszeniert), an deren Ende dann ein Herr Sarrazin von seinen Vorgesetzten ein bestimmtes Ressort entzogen wird, ihm also öffentlich eine Ohrfeige gegeben wird. So werden politische Entscheidungen getroffen, so läßt sich Empörung über einen "Tonfall" aufbauen und kanalisieren, so lassen sich Sachfragen in der "Darf-der-sowas-sagen?"-Soße ertränken.
Als ich gestern in der spätnächtlichen Heute-Sendung die Nachricht über die öffentliche Zurücksetzung Sarrazins sah, wurden auch wieder zwei scheinbar zufällige Passanten kurz zum Thema interviewt. Beide befürworteten die Bundesbank-Entscheidung, Sarrazin abzuwatschen. So wird also "Volkes Stimme" bezüglich der Causa von den öffentlich-rechtlichen Sendern in den sich seriös gerierenden Nachrichten dargestellt: keine Kritik an der Bundesbankentscheidung, sondern hundert Prozent Zustimmung.
Nur ist das eben schlicht falsch. Eine Mehrheit oder zumindest ein relevanter Anteil der Bürger dürfte diese Sarrazin-Watschen so sehen, wie es von den Gästebuch-Eintragern schon anklang: Daß, wenn mal einer von "denen da oben" die Wahrheit ausspricht, er dafür sofort sanktioniert wird.

Wem wird mit solcher Heuchelei in die Arme gespielt? Den rechten Rattenfängern von PI. Aber sollen sie nachher nicht wieder alle ihre Hände in Unschuld waschen! :grmpf:

Um zu sehen, wie sowas geht, finde ich, ist es schon lohnend, sich die Hart-aber-fair-Sendung anzuschauen. In der übrigens - mal abgesehen von der Ditib-Dame - alle Gäste auch vernünftige Einlassungen vorbringen.


@Mumme:
Man muß davon ausgehen, daß menschliche Begabung zu einem Teil sozial bedingt ist, zu einem anderen Teil jedoch erblich.
Das mag wissenschaftlich gesehen stimmen, in diesen Zusammenhang gesagt, ist das aber nichts anderes als krasser Rassismus. Vietnamesen und Chinesen sind schlau und fleissig, Russen wenigstens noch fleissig, aber Türken und Araber sind dumm, aggressiv und primitiv.
Eine wissenschaftlich stimmige Aussage wird also je nach Kontext falsch? Also definiert sich Rassismus so, im falschen Moment faktisch Stimmiges auszusagen?
Wobei ja die Interpretation, wie Du sie dann ausführst, nämlich daß Sarrazin den Türken und Arabern pauschal gewissermaßen minderwertige biologische (genetische) Anlagen attestiere, eben schon Deine Interpretation ist. Er hat es nicht so gesagt - seine Gegner haben es so verstehen wollen.
Er beschreibt Fakten: Vietnamesen und Chinesen integrieren sich erfolgreich, sind sogar z.B. bei Schulabschlüssen erfolgreicher als die angestammte deutsche Bevölkerung. Stimmt's, oder stimmt's nicht? Die Rußlanddeutschen haben in der ersten Generation hierzulande große Schwierigkeiten und bereiten auch große Schwierigkeiten (diesbezüglich kann man mal bei Gefängnisleitungen im Jugendstrafvollzug nachfragen...). Aber in der zweiten Generation marginalisieren sich die Probleme - die Integration gelingt. Stimmt's, oder stimmt's nicht?
Türken und Araber, bzw. deren Nachfahren, haben dagegen (immer statistisch betrachtet) in der zweiten und dritten Generation mehr Probleme und bereiten mehr Probleme. Integration gelingt bei denen also - zumindest bislang nicht (Anmerkung: bei vielen Türken und Arabern gelingt die Integration selbstverständlich sehr wohl, es geht hier um statistische Tendenzen und einzelne Gegenbeispiele lassen sich immer finden). Stimmt's oder stimmt's nicht?
Sarrazin sagt nicht, daß Türken und Araber biologisch minderwertig seien. Diese Sichtweise heimlich zu hegen, unterstellt man ihm. Wenn man mal ausführlich in dem Interview lesen würde (also bitte mal Olomes Link anklicken!), müßte man eigentlich erkennen, daß er diese Sichtweise nicht hegt. Seine Sichtweise - und die hat auch Olome hier schon näher erläutert - ist eine, die man nicht teilen muß, aber die auf langjährigen Erfahrungen als Politiker und insbesondere als berliner Finanzminister zu beruhen scheint: Daß sich bestimmte Leute nicht verändern/erziehen lassen. Auf bestimmte Bevölkerungskreise bezogen heißt das: Die sieht er in gewisser Hinsicht als "verloren" an. Ist das eine zynische, oder nicht doch eher eine resignierend-nüchterne Einschätzung? Nochmal: Man muß seine Auffassung nicht teilen. Man kann daran glauben, daß jeder Unterschichts-Angehörige durch die richtigen politischen Weichenstellungen gerettet werden kann. Glauben entgegen den frustrierenden Erfahrungen, die Sarrazin offenbar gemacht hat.
Wenn man hier anderer Ansicht ist als er - dann kann man für diese Ansicht ja vielleicht auch Sachargumente aufbringen, am liebsten unterfüttert mit aussagekräftigen Zahlen.
Ich fürchte, Sarrazin hat Recht: manche Leute sind verloren, die haben sich in ihrer unproduktiven Situation eingerichtet. Leider kenne ich da auch aus meinem Familien- und Bekanntenkreis einige, habe also Erfahrungen machen müssen, die Sarrazins Thesen bestätigen.

Mit dem biologischen Argument hätte er allerdings nicht kommen brauchen - hier läuft er unnötigerweise in das Messer des Biologismus-Vorwurfs, und das ist ja gleich neben dem Nazismus-Vorwurf-Messer aufgeklappt. Aber nochmal: Nicht er nennt Türken und Araber biologisch/genetisch minderwertig. Sondern das wird in seine Worte hineininterpretiert. Und zwar hierzulande reflexhaft.

Ich bin ja der Ansicht, daß die Genetik hier eine sehr, sehr untergeordnete Rolle spielt (vielleicht 5 oder 10%, aber das ist eine rein gefühlsmäßige Einschätzung, auch der ich nicht beharren will), und das Umfeld, in das die Kinder geboren werden, derartig hauptverantwortlich für seine Entwicklung ist, daß die genetischen Faktoren als irrelevant beiseitegelassen werden können. Was ich mich nur frage: Falls da tatsächlich gravierendere Zusammenhänge in biologisch-genetischer Hinsicht existieren sollten - dürften die hierzulande dann trotzdem nicht angesprochen werden? Oder dürften Politiker über solche Fragen nicht öffentlich nachdenken? Wieviele Denkverbote sollen wir uns auferlegen? Wieviel Denkfaulheit gestehen wir uns zu und begründen sie mit historischen Rücksichtnahmen? Wie würden Sarrazins Aussagen in der Öffentlichkeit wahrgenommen, wenn sie von einem britischen oder amerikanischen Politiker geäußert worden wären? Wenn z.B. ein englischer Politiker, der lange in der Kommunalregierung von London gearbeitet hätte, über die dortigen "Türken", also die Pakistani, so geredet hätte? Hätte der dann auch gleich von seinen Vorgesetzten öffentlich 'ne Ohrfeige bekommen, oder wäre man eher in eine Sachdiskussion darüber, wo er Recht und wo er Unrecht hat, eingetreten?

Daneben hat sie einen Teil von Menschen, etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung, die nicht ökonomisch gebraucht werden [....]. Dieser Teil muß sich auswachsen.
Hallo, geht's noch? Was ist das denn für eine menschenverachtende Einstellung?!
Über dieses "Auswachsen" hat Olome schon einiges geschrieben und es wird in der Debatte ja auch immer wieder thematisiert. auch hier wieder scheint "auswachsen" mit "ausmerzen" verwechselt zu werden. Dabei ist's inhaltlich eben so, daß Sarrazin (man mag ihm hier zustimmen oder nicht), bestimmte erwachsene Leute für nicht mehr "erziehbar" hält. Ausführlicheres dazu im Wortlaut des Interviews. Auswachsen bedeutet also: es muß zugesehen werden, daß die nachfolgenden Generationen im Sinne der Integration erzogen werden, und daß sich dann das Desintegrationsproblem biologisch dadurch löst, daß die willentlich Desintegrierten irgendwann altersbedingt wegsterben. So, wie sich z.B. das "Vertriebenenproblem", welches über Jahrzehnte unser Verhältnis zu Polen, der Tschechei usw. stark belastete, irgendwann "auswuchs" - die unverbesserlichen "Berufsvertriebenen" sterben weg. Auch das "Erbfeinds"-Problem zwischen Deutschland und Frankreich wuchs sich aus. Und zwar dadurch, daß die Jugend in einem anderen Sinne erzogen wurde.

Es geht also nicht, wie unterstellt, darum, daß Sarrazin Geburtenkontrolle bei Leuten mit niedrigem IQ oder bei Türken und Arabern fordert. Sondern darum, daß man Familienpolitik so gestaltet, daß Kindergeld und Familienförderung sich nicht gerade für Leute aus der Unterschicht als vergleichsweise vorzuziehende Option der Lebensfinanzierung anbietet (Stützeempfänger in zweiter und dritter Generation...). Darum, daß man den Zuzug von "Import-Bräuten" verhindert. Darum, daß man in der Bildungspolitik dafür sorgt, daß die Herkunft aus einer sozial schwachen Familie eben nicht automatisch in präkere Verhältnisse führt.
All diese Interpretationen von Sarrazins Worten bieten sich für mich an, denn sie machen Sinn, wenn man ihm nicht von vornherein Boshaftigkeit und Menschenverachtung unterstellt.
Deine Interpretation macht erst dann Sinn, wenn man ihm von vornherein Zynismus unterstellt. Dann kann man in seine Aussagen auch ein Plädyoer dafür hineinlesen, die Kindersterblichkeit in der Unterschicht vorsätzlich zu erhöhen.

Und das von jemanden, der bei anderen die "Untertöne" kritisiert... :confused:
 

David

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@Micha:
Die von dir angesprochenen Methoden und Kompetenzen halte ich auch für sehr wichtig, für viel wichtiger als möglichst viel Stoff auswendig zu lernen.
Aber grade für solche Methoden kanns doch auch nützlich sein, nicht von 10 Fächern in 1-2 Wochenstunden nen groben Überblick zu bekommen, der sich dann fast zwangsläufig auf die reinen Fakten beschränken muss, sondern in weniger Fächern intensiver zu arbeiten.

Wenn ich zB in Wirtschaft gelernt hab, mich intensiver (und vor allem auch selbstständig!) in ein Thema einzuarbeiten, kann ich das später auch genauso für Geschichte, Soziologie oder jedes andere Fach, daß hauptsächlich mit Texten arbeitet, machen.
Sowas mal gemacht zu haben ist glaub ich hilfreicher, als irgendwann schonmal die Kaiser des Mittelalters auswendig gelernt zu haben, die kann man problemlos nachschlagen, wenn man sie wieder braucht.

Grob gesagt: Wenn man zB ein "textbasiertes Fach" (zB Geschichte) und ein Fach, daß "strukturiertes Denken" und Umgang mit Formeln verlangt (zB Mathe oder Physik) für 5 Wochenstunden belegen muss, lernt man vielleicht mehr Methodenkompetenz, als wenn man je 3 ähnliche Fächer a 2 Wochenstunden machen muss. Wenn man dann eines dieser Fächer studiert: perfekt, aber ansonsten hat man zumindest die Vorraussetzungen, sich selbstständig einzuarbeiten. Die meisten Unis helfen dabei ja auch, weil man mit dem Problem nicht alleine ist.

Ich hab natürlich auch kein voll ausgearbeitetes Konzept in der Schublade, aber eine thematische Spezialisierung, um vor allem das selbstständige Lernen zu lernen, ist für meinen Geschmack eine bessere Uni-Vorbereitung als möglichst viel Faktenwissen reingeprügelt zu bekommen.
Mir persönlich haben jedenfalls nur die LKs und damit verbundenen GKs wirklich was gebracht, während die anderen Fächer im Grunde reine Auswendiglern-Veranstaltungen waren, die keinen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

PS.:
Was die Vereinheitlichung angeht stimme ich dir natürlich zu: Was auch immer man entscheidet, das sollte schon alleine deshalb bundesweit gleich (oder wenigstens vergleichbar) sein, weil es ja auch schonmal vorkommen soll, daß Familien umziehen müssen, ehe die Kinder mit der Schule durch sind.
 
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Micha

Kutte
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Nun, ich bin ein Verfechter einer möglichst breit aufgestellten "Allgemeinbildung" und bei weitem nicht der Meinung, dass dieses "Konzept des 18. Jahrhunderts" im Mülleimer der Geschichte entsorgt werden muss.

Man kann sicher im Einzelnen diskutieren, welche Fächerspezialisierungen angeboten werden, in welchem Umfang bestimmte Kurse belegt werden müssen etc.* Kunst und Musik zB. könnte ich mir problemlos als reine "Wer Lust hat"-Fächer vorstellen - Sport halte ich hingegen für wichtig (es wird doch ständig über zu wenig Bewegung von Kindern gemeckert), nur würde ich dort verstärkt auf die Wünsche der Schüler eingehen: Sport hat bei uns bspw. erst Spaß gemacht, als wir uns in der Oberstufe die Sportkurse selbst zusammenstellen konnten und zum größten Teil Spielsportarten zur Auswahl hatten. Es gab trotzdem Leichtathletikkurse etc, aber halt nur für die, die's auch wollten. Macht in diesem Fach für mich viel mehr Sinn. Das sind aber Detailfragen, die für mich nichts am umfassenden Bildungsauftrag der Schule ändern.**

*Man könnte auch überlegen, ab welchem Alter man Wahlmöglichkeiten zulässt. Unterhalb der achten Klasse würde ich es jetzt nicht so gut finden, denn eine "ich lerne weil es mich interessiert"-Einstellung entwickelt sich meiner Erfahrung nach eher später: früher herrscht mehr die "oh, ich kann was abwählen"-Einstellung vor. Ist aber jetzt nur ne sehr gewagte Hypothese, ich übergebe das Wort den angehenden Pädagogen :)

**Meine Ausführungen sind auch hauptsächlich auf gymnasiale Bildung ausgerichtet - ich habe keine Ahnung von Integrationsproblemen (sowas gabs mangels Migrantenkindern auf unserem Gymnasium nicht) und dem Haupt/Realschulsystem.


---------
Edit zu Davids Edit:

Ich sehe es halt eher von der Seite aus, dass ich keine "Bildungsidioten" heranwachsen lassen möchte, die nicht in der Lage sind, über den Tellerrand zu schauen. Probleme in der Uni wie auch in der Schule lassen sich seltenst nur aus einem Blickwinkel betrachten: Chemie und Physik bzw. Biologie gehen oft Hand in Hand, Deutsch, Geschichte, in diesem Zusammenhang auch Kunst und zum gewissen Teil Musik steuern jeweils ihre Sichtweise beispielsweise zur Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene und geschichter Entwicklungen bei. Diese Art von "integrierter Wissensvermittlung" halte ich für absolut notwendig und sie wird in meinen Augen bisher viel zu wenig betrachtet bzw. angewandt. Dort jetzt noch zusätzlich einige Sichtweisen "herauszubrechen" und abwählbar zu machen halte ich für keine gute Idee, da es meiner Meinung nach eben diese Entwicklung von "Fachidioten" begünstigt.
 
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Olome Keratin

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@Hank: Danke, du hast mir viel Schreibarbeit erspart.:) Ich muss zu Huntington noch sagen, dass ich im letzten Drittel irgendwann mit Lesen aufgehört habe, die Rückbesinnung auf christliche Werte steht wahrscheinlich da irgendwo.

Zu der Sendung: Ich sag nichts dagegen, dass du sie geschaut hast, das ist gut so.:up: Allerdings reichen mir deine Beschreibungen daraus, verbunden mit Erinnerungen an ähnliche Sendungen (bspw. Kerner mit Eva Herrmann), um mir vorstellen zu können, wie die Sendung lief.

Zu Grünen-Politikern: Ähm ja, ich erlebs halt immer wieder (les wahrscheinlich die falsche Zeitung), dass Grüne pauschal über den grünen Klee gelobt werden und ich mich immer frage, wofür. Seit Oswald Metzger raus ist, kann ich den Grünen nichts mehr abgewinnen. Und Ströbele hat sich in meinen Augen völlig blamiert, indem er vor dem BVerfG auftrat und behauptete, Brüsseler Richtlinien müssten umgesetzt werden und dieser Zwang lasse Parlamentariern keien Mitwirkungsmöglichkeiten. Er hat bloß übersehen, dass der Bundestag den ministern beim Verhandeln der Richtlinien strikte Vorschirften machen darf.:rolleyes:

@Micha: Ich sehs nicht als Vorteil an, bundesweite Mobilität zu ermöglichen bzw. oft auch zu erzwingen. Für Führungskräfte ist sowas ok, aber wenn die breite Masse der Bevölkerung auch so einbezogen wird, sind die sozialen Folgekosten enorm, z.B. weil Familien viele Aufgaben an den Staat übergeben müssen wie Kinderbetreuung, Pflege usw.
Ich halte es für erstrebenswerter, zu versuchen, den Menschen, die in einem Gebiet aufwachsen, auch dort ein Auskommen zu geben. Dazu muss noch mehr passieren als nur Änderungen im Bildungssystem, es ist aber ein wesentlicher Punkt. Z.B. könnte über eine kommunale Verantwortlichkeit die tchnische Ausbildung bspw. in Haupt- und Realschulen stärker auf die örtlich ansässigen Betriebe zugeschniten werden. Wenn darunter dann die bundesweite Konkurrenz aller Absolventen etwas leidet, macht das in meinen Augen nichts.

Ansonsten stimme ich David bezüglich Kompetenzen zu.
 

Gala

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Es gibt keine validen Argumente gegen die Gültigkeit der Scharia weltweit, solange man einräumt, daß da oben ein Gott wohne, welcher unfehlbar und allmächtig und Handlungsanweisungen gebend sei.
Das kann man allesamt glauben und trotzdem nicht der Meinung sein, das die Scharia irgend etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat, sondern das Produkt ihrer Zeit ist.

Warum z.B. sollte Gott ausgerechnet Mohammed die richtigen Gesetze gegeben haben und den Juden, Christen, Hindus und Buddhisten dann die falschen ? Das ergibt keinen Sinn.

Erst wenn man ein religiöser Fanatiker ist, der Logik nicht mehr zugänglich ist, kommt man auf solche Ideen.
 

Micha

Kutte
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@Olome

Ich stimme dir zu, dass ich die Forderung von absoluter Mobilität nicht teile, die zwangsweise Zerschlagung und Zersplitterung von Familien als Folge daraus sogar für extrem gesellschaftsschädlich halte. Die Ausbildungsbetriebe und Realschulen verfolgen aber doch meiner Ansicht nach schon genau die Positionen, die du aufbaust: Konzentration auf die Region. Wer in eine Berufsschule geht, braucht einen Arbeitgeber, der natürlich in der Nähe liegen muss (nicht zwingend, aber darauf läuft es trotzdem in der überwiegenden Mehrheit hinaus). Diese Ausbildungsbetriebe haben aber ja dann wieder selbst einen Bedarf an Arbeitskräften und bilden ja zum guten Teil für den eigenen Betrieb aus (zumindest ist das die Idealforderung). Das ist doch regional gebundene Ausbildung? Spezialisierte Ausbildungen (Ärzte, Architekten, halt die meisten Universitätsabschlüsse) hingegen können doch gar nicht regional ausgebildet werden: einerseits durch die wesentlich längere Dauer der Ausbildung, andererseits durch die Verteilung der Hochschulen und letztlich auch durch einen viel geringeren Bedarf.

In diesem Zusammenhang stimme ich dir natürlich zu, dass die nachschulische Ausbildung tatsächlich wieder stärker regionale Zugehörigkeiten berücksichtigen sollte. Klar ist das kein Bildungsproblem alleine und deshalb denke ich auch nicht, dass "Bildungsbürgermeister" irgendeine Verbesserung bringen würden.

Was die Zentralisierung angeht, würde ich aber durchaus auch Universitäten einbeziehen. Auch dort sollten einheitlichere Lehrpläne das Ziel sein*, die Trennung von Lehrpersonal und Forschungspersonal halte ich bspw. auch für wünschenswert.

*EinheitlichERE, nicht einheitliche Lehrpläne. Ob diese Forderung wirklich sinnvoll bzw. durchsetzbar wäre, weiß ich allerdings nicht. Nur mag ich solche "Eliteuni"-Gedanken überhaupt nicht, was durch Vereinheitlichung zumindest teilweise abgefangen werden könnte. Steht natürlich der "Freiheit der Forschung und Lehre" zumindest teilweise im Wege - ist auch mehr ein Denkansatz von mir als eine konkrete Forderung.
 

David

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Vor der 8. Klasse will ich außer vielleicht Religion auch keine Wahlfreiheit, da ist man noch nicht reif genug. Aber so ab der 9. oder 10. Klasse erste kleinere Optionen und dann ab der 11. (wo man ja eh die LKs wählen muss) eine weitergehende Spezialisierung halte ich schon für ganz sinnvoll. Bis dahin hat man auch die Grundlagen einer "Allgemeinbildung" gelegt und kann dann etwas mehr in Richtung Vorbereitung auf die Uni bzw. das Berufsleben gehen.

Was die "integrierte Bildung" angeht gabs bei uns nen interesanntes Konzept, wo immer zwei LKs und zwei GKs (bei mir Lks Mathe und Wirtschaft, zusammen mit den GKs Englisch und Informatik) im "Paket" angeboten wurden, und in denen dann fächerübergreifend unterrichtet wurde. Daneben gabs natürlich auch noch die anderen Fächer.

Beim Sport hab ichs auch so erlebt, daß es erst mit der freien Wahl gut wurde: Der normale Schulsport hatte eher was von Drill und hat def. keine Lust auf Bewegung gemacht, aber als wir dann wählen durften (ich hatte Schwimmen, wir hatten das Glück, daß die Schule so groß war, daß sie nen eigenes Schwimmbad hatte) hats richtig Spass gemacht und war ne nette Abwechslung. :up:
Sowas hätte es viel früher geben müssen, und ich frag mich auch, warums für Sport überhaupt Noten geben muss. Sport sollte der Freude an der Bewegung dienen, und nicht dazu, daß die Lehrer ihre Schüler über seltsame Geräte oder durch komische Sportarten quälen und dabei Punkte verteilen. :rolleyes:

Was die Mobilität angeht:
Es ist sicher nicht immer schön für die Betroffenen (vor allem die Jugendlichen) wenn sie umziehen müssen. Aber es kommt nunmal vor, und da muss man den Familien, die dann eh schon genug Stress haben, nicht auch noch zumuten, sich in ein völlig anderes Schulsystem einarbeiten zu müssen oder gar riskieren, daß nur deshalb die Leistungen so sehr nachlassen, daß am Ende sogar der Abschluss in Gefahr gerät.
Aber was die Schüler selbst angeht, wenn die nach der Schulzeit wegziehen, um woanders zu studieren oder die Ausbildung zu machen, ist das doch völlig normal, die Meisten wollen doch sogar weg und nicht ewig daheim bleiben. Aus meinem Jahrgang sind vielleicht 10% dagebleiben, wenns hochkommt. (Hängt aber natürlich auch vom Ort ab, bei uns gibts außer nen paar Logistikfirmen und Altenheimen keine nennenswerten Arbeitgeber)
 
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