@ Hank
Ist mir schon klar.
Das hab ich nur nochmal durchgekaut, um klar zu machen, wo ich die Pointe sehe. Das Ende, wo Sieber ins Verschwörerische abgleitet, ist mir im Grunde egal. Da gibt's schlimmere Fälle, etwa den bekloppten Antiamerikanismus eines Volker Pispers, den ich mit seiner Volkstribun-Attitüde inzwischen eh nicht mehr mag. Aber sei's drum, ob's wirklich verschwörerisch ist, kann man durchaus bezweifeln... der Fernseher ist z.B. tatsächlich von der Verpfändung ausgenommen, von wegen Grundbedarf.
Es nervt mich mittlerweile auch unheimlich, dass immer so getan wird, als wenn an solchen Beispielen nichts dran wäre, wenn dabei böse Absicht unterstellt wird; als würde damit jeder Wahrheitsgehalt ausgeschlossen. Da hat der Sieber also von einer ominösen "Wir"-Gruppe gesprochen, die sich das ganze Schlamassel ausgedacht hat. Würde man ihn danach fragen, könnte er sie nicht nennen (außer er ist Antisemit). Man kann also den Punkt persönlicher Verantwortung streichen - und alles andere gleich mit? Das ist doch Blödsinn. Sobald man ein wenig drüber nachdenkt, stößt man ganz selbstverständlich auf gewisse Funktionen des Fernsehens. Eine ist die Verbreitung ungeheurer Mengen von Informationsmüll, von Formaten der Elendsbespiegelung wie "Mitten im Leben", "Frauentausch" bis zu entwürdigenden Coaching und Castings aller Art, und
natürlich ist eine der Folgen, dass sich die geistig Verarmten dann Gedanken ums perfekte Dinner machen anstatt um irgendwas von Belang. Es ist doch überhaupt keine Frage, ob dieses Dauerbombardement mit Produkten, Ideen, Handlungsweisen, die dir zu deinem kleinen privaten Glück im sonstigen Allgemeinelend fehlen, wie ein einziges Sedativum wirkt - das ist längst bewiesen. Nur weil das keiner so bestellt hat heißt das nicht, dass die Wirkungen unerwünscht wären, dass mittlerweile nicht mit ihnen gerechnet wird, dass sie in diesem engen Sinne die Verhältnisse aufrecht erhalten.
Mit dem Hinweis, dass sich die Produktion solcher Sendungen rechnet, ist angesichts kapitalistischer Verhältnisse noch nichts gesagt - das liegt in der Natur der Sache; man munkelt, dass sogar ausschließlich Sachen produziert werden, die sich rechnen. Nur,
warum rechnet es sich denn, woher kommt die Quote für diesen Dreck, wo und unter welchen Umständen werden Leute sozialisiert, die sich den Mist tonnenweise reinfahren? Werden sie womöglich dran gewöhnt, von Kindesbeinen an? Unmittelbare Nachfrage, gibt's das überhaupt, fällt die vom Himmel? Muss die nicht erst geschaffen werden? Die Antwort ist einfach: ja, muss sie, andernfalls gäbe es kein Marketing.
Und nein, die Aufklärung liegt hier ganz woanders, nämlich in der Demaskierung dieses hirnlosen Aktivierungs-Diskurses, der sich komplett als hohle Phrase und windschief zusammengezimmerte Ideologie entpuppt, wenn man sich die weitern' Umstände mal anguckt, zu denen Fernsehen und Drohgebilde aller Art nunmal gehören.
Das Kabarett-Publikum hingegen interessiert mich eigentlich nicht. Es wäre schön, wenn man's ausblenden könnte, und die Kamerafahrten ins Publikum stören mich unabhängig davon, wen die Linse gerade einfängt. Die Reaktionen sind mir im Grunde auch egal, weil's mir egal ist, ob der konkrete am Tisch sitzende Heinze Müller aus Unterstraubing sich bei der letzten Pointe grad auf den Schenkel geklopft oder an der Cola verschluckt hat. Jeder kann sich ausmalen, was die laufende Nummer für eine Wirkung haben soll, ob's einfach nur zum Lachen reizender Klamauk ist; ein bisschen hintersinnigerer Humor; die sichere Nummer, von der klar ist, dass sie im Publikum auf Bestätigung trifft oder eben solche harten Nummern, der unmittelbare Schlag in die Magengrube. Da brauch ich doch keine empirische Bestätigung. Ich weiß bloß, wo meine Vorlieben liegen, und mag kein Kabarett, dass so harmlos und anbiedernd daherkommt wie die Sozialdemokratie.