"Humane" Strafmaßnahmen in anderen Ländern

Slartibartfaß

Nörgelnder Gnom
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@Hank:

Nö. Zum Streiten hab ich weder Zeit noch Lust :rolleyes::D
Aber:

@Cas:

Worüber willst Du mit mir aneinandergeraten?
Das würde mich dann doch mal interessieren. :)
 

Caswallon

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Über Textkritik und Überlieferungsgeschichte.;):D
das "lediglich" völlig verfälscht wurde (von nachgewiesenermaßen ca. 14.000!!!! Korrektoren), weil man den eigentlichen Sinn nicht (mehr) verstand

Cas
 

Slartibartfaß

Nörgelnder Gnom
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@Cas:

Hmmmm... was stört Dich jetzt daran?

Die Aussage, daß man den Sinn nicht mehr verstand (da imho die ursprünglichen Geschichten Geschehnisse beschrieben, die für die Altvorderen schlicht zu hoch waren, für uns wären sie's vielleicht nicht ;))? Oder doch die erwähnten 14.000 Korrektoren? Oder beides?

Weiß jetzt ehrlich nicht genau, wie ich auf diesen Deinen Beitrag antworten oder eingehen soll... wär schön, wenn Du etwas ausführlicher/deutlicher werden könntest :)
 

Reuda

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@Slarti

Einmischen darf man sich immer. Wie war das mit Kant: "Habe den Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, denn die Unmündigkeit des Menschen ist..."ähh usw. irgendwie.:confused::D

Was Aslan angesprochen hat, will ich mal versuchen mit eigenen Worten zu erklären.
Wenn ein Mensch zum Täter wird, weil er einem anderen Menschen zum Opfer macht, indem er ihm Leid angetan hat, dann hat sich dieser Mensch eine Schuld aufgeladen, die er vielleicht ignoriert,verneint oder nicht bewusst ist. Wenn später dem Täter, vielleicht durch eine Strafe oder durch Selbsterkenntnis, seine Schuld bewusst geworden ist, will er das man ihm diese Schuld von ihm nimmt, weil er mit dieser nicht mehr richtig leben kann. Er möchte das man ihm vergibt und das am besten vom Opfer. Das Opfer, das durch die Verletztung der Seele und seiner Würde durch die Tat, ebenfalls sein gewohntes Leben nicht mehr leben kann, will zur gerne vergeben um dies "abhaken zu können". Dies tut es aber nur, wenn die Sühne des Täters wirklich echt ist und von Herzen kommt. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter zeigt, das das Leid das er angetan hat, jetzt von ihm ,in Form der Schuld, selbst von ihm empfunden wird und mitleidet. Im Extremfall können Opfer und Täter mit dem erfahrenen Leid bzw. mit der Schuld auf Dauer nicht mehr weiterleben und können nur durch die Versöhnung diese Resignation/Verbitterung/Haß/Leid aufheben.
Es ist aber so das der Tod, diese Möglichkeit der Erkenntnis und Reue im Leben zur nichte machen kann. Das ist für mich auch ein Grund zu sagen, dass es ein Leben nach dem Tod geben muss. Der Tod darf nicht der Möglichkeit im Weg stehen, dass der Mensch nicht bereuen und vergeben kann. Dies entspreche nicht seinem Willen und seiner Natur. Hier bekommt die Wiederaufstehung Jesus Christus seine Bedeutung, die zeigen soll das es ein Leben nach dem Tod gibt, die die Möglichkeit der Sühne und der Vergebung wieder gibt. Auf dieser Weise ensteht das Paradies und der engültige Einklang der Menscheit.
Die Frage ist nur: Inwieweit ist Hitler bereit seiner Schuld aus tiefstem Herzen bewußt zu machen und zu 100% zu bereuen? Wenn er dies wirklich schafft, stellt sich die Frage, ob die Opfer ihm vergeben können. Wenn sie nicht vergeben wollen, ist ihr Herz aus Stein geworden, wie dies von Hitler es war und es kann nicht zu Vergebung der Sünden und Tilgung von Leid/Haß kommen. Leid und Haß würden weiter bestehen bleiben. Beides (Sühne und Vergebung) ist also von Nöten. Wenn Hitler nicht bereit ist der Wahrheit ins Auge zu blicken und aus Starrsinn nicht bereit ist zu bereuen, dann wird er weiter in einer selbstgemachten Hölle des menschenverachtenden, und damit sich selbst verachtenden(!), Haßes leben.
Das der Mensch aber nicht auf den Tod und auf das ewige Leben warten soll, um dort auf die Sühne/Vergebung zu warten, weil er im dieseitigen Leben nicht die Möglichkeiten sieht,(,wenn er dies tun würde wäre das Leben immer noch sinnlos), verkündet Jesus Christus durch die Bergpredigt. In ihr wird die Aussicht auf ein "Reich Gottes", ein Paradies auf Erden sozusagen, gezeigt, in dem es kein oder nur ein minimales von Menschen erzeugtes Leid auf der Welt gibt durch die Sühne und Vergebung. Wenn der Mensch duch Sensibislierung auf seine Mitmenschen (Nächstenliebe), durch Reue/Vergebung an sich selbst arbeitet, wird verbliebenes Leid getilgt und potentilles aufkommendes Leid vermindert, weil der Mensch eine Untat/Sünde, die er 100% bereut, aus Überzeugung(!) nicht wieder tut.
Das wir schon auf diesem Weg des "Reich Gottes" befinden, zeigt sich in fortschrittlichen Entwicklung des Menschen. Das der Mensch aber auch jederzeit diese Welt mit seiner Macht zerstören kann und diese Gefahr weiterhin besteht, zeigt das wir weiter an uns arbeiten müssen und noch lange nicht am Ziel sind.:)

Die Bibel würde ich nicht als Geschichtsbuch bezeichnen. Sie bezeichnet am wenigstens Fakten. Viel wichtiger ist sind die Gechichten und die Metaphorik, die diese bieten. Sie zeigen imho vor allem im neuen Testament die menschliche Wesenzüge, die die Bestimmung und Weg des Menschen auffzeigt. Das neue Testament zeigt einen Ausweg (kein Opium und kein Versprechen:D) aus dem empfundenen Leid des Menschen. Ob die Wundergeschichten aus dem Neuen Testament so stimmen, ist nicht relevant. Es kommt auf die Metaphorik, Symbolik und Intention der Geschichten an. Was aber auch nicht heißen, das alles aus dem neuen Testament erfunden ist.


@ Ice

Genaugenommen verlagert man die Sinnfrage mit der Antwort "Gott" einfach, denn konsequenterweise müsste man dann fragen: "Warum gibt es einen Gott?" Das tut aber kaum jemand. Dogmen..

Ich hab ja gerade in meinem vorherigen Post versucht mit rationalen Gründen und Argumenten (und nicht mit Gott) zu zeigen, was meiner Meinung der wesentliche Wesenzug und damit der Sinn des Menschen ist. Erst dann hab ich gesagt, das das Christentum (zufällig?) der gleiche Ansicht ist.


@Hank

Der Behauptung, es gebe da eine höhere Instanz, deren Ratschluß und Gesetz unanfechtbar und über den Ratschlüssen und Gesetzen der Menschen stehe. Dieser Grundansatz ist meiner Meinung nach gefährlich und der Keim für alle Exzesse, die immer wieder im Namen irgendwelcher Glaubenslehren verübt wurden: Es wird ein über den Menschen stehender Wille postuliert. Und je nach Charakteranlage können dann die Gläubigen entweder unter Berufung auf diesen höchsten Willen altruistisch handeln oder die Interessen von Ungläubigen mit Füßen treten.

Das kann ich nicht so ganz stehenlassen.;) Wenn es (irgendwo in der Bibel) heißt "Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen", dann heißt das nicht, dass Gott ein Mensch (mit Fehlern ist) ist und auch nicht ,dass der Mensch Gott ist. Sondern es wird damit gemeint, das was nicht im Sinne Gottes ist, auch nicht im Sinne der Menschheit ist. Das bedeutet aber umgekehrt im Sinne des "Ebenbilds" auch, dass was aus rationalen Gründen nicht im Sinne des Menschen ist oder sein kann, auch nicht im Sinne Gottes ist/sein kann. Die Vernunft und die Aufklärung wird also als Kritik gegenüber einer kirchlichen Lehre anerkannt und wird ihr sogar unterlegt.


Mitleid und Sorge um die Nächsten ist wahrscheinlich großteils biologisch angeboren, auch bei bestimmten Tierarten kümmert man sich um die Alten, Kranken, Schwachen und Wehrlosen (z.B. bei den Elefanten oder Affen). Dazu braucht es also keine Religion. Solidarität unter den Menschen ist im Interesse aller – statt einer göttlichen Verordnung braucht es also nur einer großzügig verteilten Portion Vernunft unter den Menschen. Oder meint jemand, nach der Hochwasserkatastrophe heuer sei soviel gespendet worden, weil die Leute die Spenden als eine gottgefällige Tat ansahen? Wohl doch eher, weil sie ihren Mitbürgern helfen wollten – im Hinterkopf den Gedanken, daß man selbst vielleicht das nächste Mal betroffen sein könnte.
Das Problem ist nur, dass der Mensch im Gegensatz zum Tier keine instinkthafte Solidarität mehr hat, sondern seine Solidarität egorational als homo ökonomicus, wie du beschrieben hast, begründet. (Menschen die nicht am Wasser gebaut haben, haben wohl am wenigsten oder gar nicht gespendet.) Auch wenn die Solidarität der Menschen durch die Vernunft weitgehend (im Sinne der Kirche) uneigennützig ist, halte ich doch die Religion für wirksamer. Die richtige Gesinnung und das richtige Handeln nur durch eigenes theoretisches Denken herausfinden ist sehr mühselig und schwierig. Die Religion hat aber durch die traditionelle Institution und vor allem durch die Bibel etwas, was aus dem Leben kommt. Die Bibel mit ihren neutestamentlichen Heilsgeschichten von Jesus Christus hat, wenn man sie richtig liest, eine wesentliche größere Überzeugungskraft, weil sie mit ihren Beispielen aus dem Handeln von Jesus Christus einen wesentlichen ,mit der Realität ähnlichen, Praxisbezug hat. (Ok, das ist ein subjektiver Eindruck von mir.;))

Wir merken, daß unsere Denkkategorien beschränkt sind, daß es strengenommen gar keiner Ursachen bedarf, um Wirkungen zu erzeugen, weil ja die Zeit selbst relativ ist, alsodurch die Schwerkraft gedehnt, gestaucht oder auch umgedreht werden kann usw. Wenn aber die Zeit relativ ist – dann machen unsere für Menschenverhältnisse zugeschnittenen Sinnkategorien keinen Sinn mehr. Wenn Vorher und Nachher austauschbar sind – wie sollte da denn dann noch eine Heilslehre bestehen bleiben?
Das ist ein Paradoxum- Wenn unsere Denkkategorien beschränkt sind, wie können sie dann Welten herausfinden, die sie gar nicht begreifen können.:confused::D. Ne, das stimmt schon. Allerdings ist rationales Denken dann auch relativ, und nach welchen Maßstäben soll dann ein Mensch sein Leben führen.:confused: Die Vorstellung von dieser relativen Welt wirkt ebenfalls absurd (nicht falsch) und somit auch irrelevant. Als Mensch muss man sich halt eine Realität aussuchen, um sich damit auseinanderzusetzten. Und dann nimm ich halt zuerst die, in der ich mich befinde und mit der ich umgehen kann.:p
 
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Caswallon

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@Slarti:
Bei der Vervielfältigungstechnik durch Abschreiben ist es normal und in besseren Schreibstuben durchaus üblich, daß man einen Korrektor beschäftigt. Der hat dann genau das zu tun, nämlich evtl. Schreibfehler zu korrigieren. Mit "verfälschen" hat das nichts zu tun.

Ich weiß nicht, wie man auf die 14.000 kommt (nicht, daß ich die Zahl bezweifle; ich habe nur keine Ahnung, wie man das rausgefunden haben will). Unser heutiger Bibeltext ist eine Kompilation aus verschiedenen Handschriften, die im Neuen Testament den Stand von spätestens 300 n.Chr. wiedergeben; fürs Alte Testament müßte ich erst nachschauen. Man kann natürlich sich eine moderne Ausgabe nehmen, die benutzten Handschriften untersuchen und die Korrektoren zusammenzählen, aber das sagt nicht viel aus; da kommt ja keine Linie hintereinander weg heraus.

So in etwa war das gemeint.
Cas
 
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Slartibartfaß

Nörgelnder Gnom
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@Reuda:

Hitler war auch ein schlechtes Beispiel... nur fällt mir leider kein besseres ein, und irgendwo kann ich Deine Argumentation auch nachvollziehen... was nicht heißt, daß ich sie als richtig erachte. Das Problem ist nur, daß ich verdammt müde bin (eigentlich wollte ich auch seit ner guten halben Stunde schlafen :rolleyes: )

Warum die Bibel (wenn ich dieses Buch erwähne, meine ich übrigens immer ausschließlich das Alte Testament, das NeueT. ist in meinen Augen nichts weiter als ein - zugegebenermaßer äußerst erfolgreicher - Versuch der frühen Kirchenväter, ihre Position zu stärken) kein Geschichtsnuch sein soll, kann man eigentlich nur fragen, wenn man die Augen vor der Tatsache verschließt, daß vieles in diesem Werk aus älteren Büchern/Legenden/Sagen/Mythen zusammengetragen (man sollte vielleicht besser "-gestohlen" sagen) ist und damit mit den sogenannten christlichen Werten bei der Entstehung nichts zu hatte.

Die Bibel wird erst ab der Stelle ein wirkliches Buch der Christenheit, als Jesus die Bühne betritt. Diese Geschichte ist afaik die erste, die originär ist, also nicht mit anderen Hauptdarstellern aus früheren Kulturen überliefert ist.
Vieles, was in der Bibel widersprüchlich erscheint, klärt sich, wenn man die Tatsache hinimmt, daß sie mit dem Ziel geschrieben wurde, aus vielen polytheistischen Religionen eine monotheistische zu machen...

Nur zwei Beispiele:

Das Wort "elohim" wird wohl jedem Christen ein egriff sein... genauso wie die Übersetzung "Gott". Nur heißt elohim "Götter"... "Gott" wird im Hebräischen durch das Wort "el" ausgedrückt...

Mancher (viele) können die Sprunghaftigkeit und die häufigen Sinneswandel Gottes nicht erklären.

Beispiel Genesis (KEINE wörtlichen Zitate - meine Bibel ist momentan nicht erreichbar, die steht bei meinem kleinen Bruder 300km weit weg):

Und Gott besah sich den Menschen. Und siehe, sein Werk war gut." Gott ist also zufrieden mit seinem Werk und erachtete es als gelungen.

Wenig später:

"Und da gereute es ihn, daß er den Menschen geschaffen hatte, und er beschloß, ihn vom Antlitz der Erde zu tilgen."

Aha! Es dauert also nicht allzulang, bis Gott zu der völlig entgegengesetzten Ansicht gelangt, daß sein Werk doch keine so tolle Idee war...

Mal abgesehen davon, daß dieser Sinneswandel die angebliche Allwissenheit Gottes ad absurdum führt, läßt sich dieser scheinbare Widerspruch dadurch erklären, daß man in (offiziell) zweitausend Jahre älteren Keilschrifttexten DIESELBE Geschichte nachliest.
Dort sind es allerdings zwei Fraktionen von Göttern: Die Enliliten (nach ihrem Hauptgott Enlil) und die Enkiten (Enki bzw. Ea, wie er auch genannt wird). Einer ist gegen, der andere für die Erschaffung des Menschen und dieser Konflikt setzt sich durch die gesamt Geschichte Sumers hindurch fort...

So, und da ich jetzt richtig müde bin, geh ich erstmal ins Bett - vielleicht hab ich morgen abend auf Arbeit merh Ruhe als heute und kann mich nochmal ausführlicher äußern ;))

Edit:

@Cas:

(1) Das Neue Testament ist ziemlich sicher in großen Teieln auch nach 300 n.Chr. noch erweitert worden - das beweisen z.B. die Teufelsvorstellungen, die teilweise auf das (frühe bis Hoch-)Mittelalter als Entstehungszeit hindeuten...

(2) Ein Korrektor ist nicht nur dazu da, um Schreibfehler auszumerzen. Er kann genausogut den zu korrigierenden Text an die herrschenden Verhältnise anpassen, ihm unverständliche Stellen streichen etc. Bei den Übersetzungen z.B. ins Deutsche mögen weitere Fehler auftreten ...

Das entsprechende Buch ist leider bei einem meiner früheren Freunde hängengeblieben :(
 
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Caswallon

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Dann muß man aber unterscheiden zwischen dem, was in der Bibel steht, und späteren Vorstellungen, die nicht drin stehen. Ich weiß jetzt nicht genau, was du meinst, aber was man sich im Mittelalter über den Teufel gedacht hat, hat man nicht in die Bibel reingeschrieben.:rolleyes:

Natürlich kann man in einem Text auch inhaltlich korrigieren. Das haben aber nicht die 14.000 Korrektoren gemacht.
Die aktuelle Ausgabe des griechischen Neuen Testaments (Nestle-Aland, 27. Aufl., 1993) listet 96 Papyrusfragmente aus dem 2.-7. Jh. (meistens nur kurze Abschnitte), ca. 300 Majuskelhandschriften aus dem 4.-10. Jh. und über 200 Minuskelhandschriften aus dem 10.-16. Jahrhundert auf, die überprüft und verglichen wurden (und das sind nur die, die als signifikant eingestuft wurden, also die Dinger aus dem 16. Jh. z.B. nur dann, wenn sie nicht als Abschrift einer früheren Hs. erkennbar sind).
Dazu wurden noch frühe lateinische 2.-5.Jh.), syrische (3.-5.Jh.), koptische (seit dem 3.Jh.) u.a. (armenisch, georgisch, gotisch, äthiopisch, altkirchenslawisch) Übersetzungen sowie die Zitate bei den Kirchenvätern herangezogen.
Und dann hat man aus all dem nach gewissen philologischen Prinzipien einen Text gebastelt.
Selbst wenn es für eine Stelle eine große Gruppe mit Abweichungen gibt (wie es z.B. beim sog. "byzantinischen Mehrheitstext" öfters mal vorkommt), hat man immer noch genügend Vergleichsmaterial, um z.B. zu vermuten, wie es zu dieser Abweichung gekommen ist (sprachliche Varianten, Sprachentwicklung, Stilempfinden, meinetwegen hin und wieder auch dogmatische Entscheidungen). Und dann kann man sich entscheiden, welcher Text originaler ist. (Übrigens gilt nicht zwangsläufig älter=besser.)

Die Varianten bewegen sich normalerweise in etwa in folgendem Rahmen (bloß mal als Beispiel und mit dem Versuch einer wörtlichen Übersetzung):

Matth. 6
V. 9 "Vater unser, der in den Himmeln;
geheiligt werde dein Name;"
Die mittelägyptische Übersetzung und die sog. Didache (apokryphe Schrift, ca. 100 n.Chr) haben "im Himmel".

V. 10 "dein Reich komme;
dein Wille geschehe;
wie in Himmel und/auch auf Erden;"
Eine große Majuskel aus dem 5. Jh. in der unkorrigierten Fassung, einige lateinische Übersetzungen sowie zwei Kirchenväter (Tertullian, Cyprian, 3.Jh.) lassen das "wie" weg. Die meisten Hss. (Handschriften) setzen vor die Erde noch einen Artikel; da aber wichtige frühe Hss. den Artikel nicht haben, vor Himmel auch keiner steht und ein Hinzufügen (aus stilistischen Gründen) leichter zu erklären ist als ein Weglassen, hat man ihn nicht in den Text übernommen.

V. 11 "Unser benötigtes Brot gib uns heute"
Das Wort epi-ousios, das ich hier mit "benötigt" übersetzt habe, ist ziemlich selten; während der griechische Text eindeutig ist, haben sich einige Übersetzungen mit einer Deutung ziemlich schwer getan und Varianten wie "täglich; immerwährend; notwendig; kommend" produziert bzw. gar ein neues Wort erfunden. Man kann sich also Gedanken machen, was epi-ousios heißen soll, aber der Text ist sicher.

V. 12 "Und sprich uns frei von unseren Schulden;
wie auch wir unsere Schuldner freigesprochen haben;"
Die Didache schreibt "unserer Schuld"; der Kirchenvater Origenes (3.Jh.) schreibt "Fehltritten".
Viele Hss. schreiben statt Perfekt ("freigesprochen haben") Imperfekt (=Präteritum, also "freisprachen").


V. 13 "Und führe uns nicht ins Verderben,
sondern erlöse uns von dem Übel".
Einige wichtige frühe Majuskeln, frühe lateinische und ägyptische Übersetzungen sowie Origenes machen hier Schluß. Die Vulgata (latein. Übersetzung, ca. 400) setzt noch ein "Amen" hinzu. Die Didache und die meisten Hss. seit dem 5./6. Jh. ergänzen den bekannten Schluß "denn dein ist das Reich und die Kraft/Macht und der Ruhm in Ewigkeit. Amen." Hier haben wir einen der wenigen Fälle, wo einmal ein tiefgreifender Eingriff stattgefunden hat (die Ergänzung), da man offensichtlich irgendwann (in der Antike) einmal angefangen hat, im Gottesdienst den Schluß mitzusprechen. Da die frühen Hss. und Origenes ihn nicht haben, kann man davon ausgehen, daß er ursprünglich nicht dort stand.

Und so macht man das mit dem ganzen NT. Stark sinnverändernde Korrekturen halte ich daher für unmöglich.
Ergänzungsedit: Soll heißen, daß ich es für durchaus möglich halte, daß von den paar tausend Bibelhandschriften keine zwei exakt gleich sind. Aber dann sollte man auch hinzufügen, daß von diesen Abweichungen *mindestens* 90% Schreibfehler wie Buchstabendreher, Zeilensprünge, Doppelschreibungen etc. oder Varianten wie Plural anstatt Singular u.ä. sind.

Cas
 
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Aslan

Fauler Löwe
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*brummel*
Bin gestern den ganzen Tag nicht in's Forum gekommen, und habe genau heute voraussichtlich keine Zeit zu antworten... :rolleyes:
ma schauen ;)
 

Chinasky

Dirty old man
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Weiter, Leute, weiter! Ich will lernen! :)

@Reuda: Du begründest Deinen Glauben sehr praktisch und vernünftig. Eigentlich bräuchtest Du ihn also gar nicht... ;) Daß er, würde alle auf Deine Art glauben, sicherlich gesellschaftlich gesehen von Vorteil wäre, gebe ich sofort zu. Nur leider gehörst Du wie auch einige der anderen Gläubigen hier im Forum zu der eher untypischen Gruppe der "vernünftigen" Gläubigen.
Meine Kritik richtet sich nicht gegen den Glauben und die Religion - solange sie Privatsache bleiben, interessieren sie mich nicht. Erst wenn sie sich in gesellschaftlich-politischen Dimensionen äußern, werden Glaube und Religion interessant. Und da bleibe ich bei meinem oben skizzierten prinzipiellen Mißtrauen. Im Hinterkopf immer noch das Topic-Thema...
 

Daiween

Waldkauz
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Bist Du nicht langsam der Überzeugung, Hank, dass die Gruppe der Gläubigen hier im Forum, so "untypisch" gar nicht sein kann? ;)

Wenn man seinen Glauben praktisch und vernünftig begründen kann, braucht man ihn nicht?
Da hast Du recht, wenn es da nicht denjenigen geben würde, der alle Maßstäbe festlegt, und dem es sehr auf glauben ankommt. :D
Außerdem trifft diese Aussage auch nur auf den Glauben der Kathegorie "B" zu.

Ich verwende hier den Ausdruck "Kathegorie" nicht aus Gründen wie "besser oder schlechter", sondern um deutlich zu machen, was denn nun eigentlich den christlichen Glauben ausmacht.

Ist ist ein himmelweiter Unterschied zwischen dem Glauben an Jesus bzw. Gott (Kathegorie A), der ohne eine persönliche Beziehung nicht funktioniert, und dem Glauben an die christliche Religion (Kathegorie B). Auch der Glaube an die Kirche mag bisweilen durchaus nützlich sein, ja auch Sicherheit, Hoffnung und seelische Stabilität geben. Aber da er allein auf Prinzipien und Traditionen beruht, oft von Menschen in gutem Glauben verbessert, ist er nichts anderes als eine Lebenshilfe und eine Möglichkeit einer Gesellschaft ein ethisch/moralisches Gerüst zu geben. Und natürlich kann dieser Glaube auch eine Maske sein bzw. auch ein Mittel der Manipulation. Die amerikanischen Präsidenten sind beispielsweise auch alle "Christen". Da lobe ich mir doch Gerd Schröder, der nicht auf die Bibel schwört, weil er nicht daran glaubt. Das gefällt mir! Das ist konsequent! :up:

Allerdings ist der Glaube (Typ B) an Buchstaben, Traditionen und Prinzipien nicht der "typische" christliche Glaube, denn dieser (Typ A) ist lebendig durch den heiligen Geist. Und in DIESEM Glauben ist Gott auch im "normalen irdischen" Leben praktisch und erfahrbar.

So, hab' ich auch mal wieder ein bißchen Senf dagelassen.
 
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Aslan

Fauler Löwe
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@Hank:

Erstens mal denk ich, ich hab dich schon verstanden, ich hab ja auch Gloranor geantwortet. Denn deine Sicht ist - korrigier mich, wenn fallsch - folgende: Du sagst nicht, es gebe keinen Lebenssinn, sondern der Lebenssinn sei, wenn es ihn denn gebe, für die Menschen nicht erkennbar. Ein nicht erkennbarer Lebenssinn hat aber genausowenig wert, wie kein Lebenssinn und deshalb nennst du die Suche nach ihm für Zeitverschwendung, richtig?
Genauso enthältst du dich der kühnen Verneinung der Atheisten. Du behauptest nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern du bist sozusagen Agnostiker: Wenn es ihn gibt, ist er für uns nicht erkennbar. Daher machst du dir darüber auch nicht allzuviele Gedanken, du sagst: Wenn es ihn gibt und er etwas von uns will, soll er sich gefälligst verständlich ausdrücken, sonst muss es dich nicht kratzen... hab ich dich in etwa verstanden?
Zu dieser Ansicht kann ich nicht mehr sagen, als dass sich Gott mir persönlich genug verständlich ausgedrückt hat und ausdrückt ;)

Zum Thema logisches Denken, Vernunft, etc will ich nix mehr sagen, ich denk mal, das haben wir durchgekaut oder? :D
Letztlich ist mein Weltbild in sich schlüssig mit dem Hacken, dass es einen nicht mit menschlichem Verstand fassbaren Gott miteinbezieht und deines ist es auch, mit dem kleinen aber - für mich verheerenden - Mangel, dass deines die Vernunft durch die es aufgestellt wurde, in Frage stellt... so waren wir etwa verblieben *g*... Lassen wir's ;)

Letztlich geht's aber schon auf das hinaus, was ich Gloranor schrieb: Da wir eigentlich immer in diesem "Sinnschema" denken, kann man natürlich den Schluss ziehen, dass jeglicher Sinn, den wir in einer Sache erkennen, völlig auf unsere Denkstruktur zurückführen können. Dieser Schluss ist aber in dem Sinne ein Trugschluss, dass er nicht berücksichtigt, dass unter Umständen eine Sache tatsächlich einen Sinn haben könnte

"Daß alles einen Sinn machen müsse, ist also metertief in unserem Denken verankert, alles in uns sträubt sich dagegen, ein sinnloses Phänomen zu akzeptieren."
Wie gesagt, du hast damit Recht, dass unser Denken sinnorientiert ist. Nur: ist das ein Beweis dafür, dass es keinen Sinn gibt? Die Tatsache, dass unser Denken sinnorientiert ist, hat keinen Einfluss auf die Frage, ob es einen Sinn gibt oder nicht.

"Inzwischen wissen wir aber – beispielsweise aus der allgemeinen Relativitätstheorie – daß die Welt nicht exakt so aufgebaut ist, daß sie mit unserem Denken restlos erfahr- und erkennbar ist. Wir merken, daß unsere Denkkategorien beschränkt sind, daß es strengenommen gar keiner Ursachen bedarf, um Wirkungen zu erzeugen, weil ja die Zeit selbst relativ ist, alsodurch die Schwerkraft gedehnt, gestaucht oder auch umgedreht werden kann usw. Wenn aber die Zeit relativ ist – dann machen unsere für Menschenverhältnisse zugeschnittenen Sinnkategorien keinen Sinn mehr."
Auch hier der selbe Trugschluss. Genausogut, kann es sein, dass Gott die Sinnkategorien extra auf Menschenverhältnisse zugeschnitten hat. Ja, die Zeit ist relativ. Ich gehe ja auch davon aus, dass Gott auserhalb der Zeit existiert. Nur: Wir Menschen leben in der Zeit und so relativ die Zeit auch sein mag, wir können keinen Einfluss auf sie nehmen.
Und so halte ich auch deine Ansicht mit "die Zeit rückwärtslaufenlassen und das Sündenkonto abtragen" für - sorry - Unsinn. Wenn Gott uns in diese Umstände gestellt hat, mit Zeit und Raum, dann hat er logischerweise auch unsere Denkschemen an die Umstände angepasst und auch seine Forderungen. Wenn wir Menschen tatsächlich die Zeit zurücklaufenlassen könnten, dann würde vielleicht unsere Art zu Denken und zu Handeln ganz anders aussehen.

@ Slarti:

Vom Thema "Geschichte" lass ich lieber die Finger :eek: Diskutier lieber mit Cas und Daiween, die haben da definitiv mehr Fachwissen als ich ;)

Mit Hitler fährst du natürlich ein schweres Geschütz auf. Ich würd's mal so sagen: nach meinem biblischen Verständnis wäre ein Hitler, wenn er auf dem Sterbebett aus tiefstem Herzen bereut hätte und von Gott Vergebung erlangt hätte, tatsächlich rechtschaffen vor Gott. Er hätte einen Gesinnungswechsel durchgemacht. (@die anderen Christen: korrigiert mich, wenn ich falsch liege ;)). Bekannt ist ja die Geschichte mit Saulus, der Christen auf den Tod verfolgt hat und dann durch Gotteserkenntnis, Reue und Vergebung zu Saulus wurde, einem vor Gott rechtschaffenen Mann.
Nun ist dieses Bild von Hitler, der auf dem Sterbebett einen Gesinnungswandel durchmacht imho unrealistisch und rein theoretisch. Erstens kenn ich kein Beispiel, wo ein so durchwegs schlechter Mensch zu Reue überhaupt fähig war, zweitens können wir eigentlich an keinem Massstab messen, ein wie schlechter Mensch HItler tatsächlich war. Nicht jeder Mensch hat die gleichen Voraussetzungen, oder das gleiche "Rohmaterial" zum gut, respektive schlecht sein. ZUm Rohmaterial zähle ich körperliche und psychische Umstände, für die ein Mensch nichts kann, sowie die Umgebung, in der ein Mensch aufgewachsen ist, dazu gehört Erziehung, etc...
Was nun z.B. ich mit Hitlers "Rohmaterial" und seiner Macht alles angestellt hätte, kann ich schlichtweg nicht wissen. Achtung: ich will Hitler nicht rechtfertigen, nur dass das klar ist, und ich hoffe auch mal schwer, dass ich mit Hitlers "Rohmaterial" um einiges besser gewesen wäre. ABer hier liegt das Problem, weshalb man Menschen nicht vorschnell verurteilen soll: Weil verschiedene Menschen verschiedene Voraussetzungen für ihre Charakterentwicklung haben. So kann es für einen physisch und psychisch gesunden Menschen, der von klein auf geliebt wurde, weniger Überwindung kosten, die beste Tat zu vollbringen, als es einen Menschen mit psychischen Problemen, Verdauungsstörungen und Rabeneltern kostet, jemandem auch nur ein nettes Wort zu sagen.

Nebenbei will ich auch noch die in manchen Christlichen Chreisen vertretene Ansicht anführen, dass Gott die Herzen von allzubösen Menschen verstockt, auf dass sie nicht mehr bereuen können. Was ich davon allerdings halten soll, weiss ich nicht wirklich ;)

Und nochmals zum Thema Hitler: Du bist dir bewusst, dass ich ganz einfach den Spiess drehen könnte und das konsequente atheistische Menschenbild mit einem ähnlichen Hitlerargument als Menschenverachtend darstellen könnte? Denn Moral hat nach atheistischem Weltbild keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Hitler einen schlechten Menschen zu nennen, wäre eine genauso subjektive Ansicht, wie Guiness ein gutes Bier zu nennen. Denn wenn sich Moral tatsächlich nur durch Selektion gebildet hat, durch den Umstand, dass ethisch "gute" Menschen besser überleben, dann ist gut und schlecht etwas völlig subjektives und Hitlers Taten waren zwar Lebensfeindlich, aber man könnte sie nach keinem Massstab, den nicht Menschen selbst erstellt haben, "schlecht" nennen.

So, das war's vorerst von meiner Seite, bin mal wieder unsicher, ob ich mich verständlich ausgedrückt habe ;)
 

Aslan

Fauler Löwe
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*brummel*
*hochschieb*
Ich werd in der Übersicht mal wieder nicht angezeigt :rolleyes:
 

Caswallon

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Noch ein bißchen Philologie...

Edit @Aslan: :up: Zustimmung auf der ganzen Linie.;):D

Um meine regelmäßig wiederkehrende Verärgerung über die regelmäßig wiederkehrende Behauptung, die Bibel sei im Mittelalter von der Kirche (womöglich bis zur Unkenntlichkeit) verändert und verfälscht worden, ein wenig zu begründen, gibt's noch eine kleine Einführung in Textkritik und Überlieferungsgeschichte.:)

vC = vor Christus
nC = nach Christus
Hss. = Handschriften
NT = Neues Testament
AT = Altes Testament

1. Neues Testament
Als Ergänzung zu meinem letzten Post:
Bei der Untersuchung und Herausgabe eines handschriftlich überlieferten Textes versucht man immer, durch Vergleich der überlieferten Hss. den Ausgangspunkt der Überlieferung zu rekonstruieren. Im Idealfall ist das der Text des Autors selbst, und bei der Mehrzahl der antiken Schriften kommt man dem Ideal ziemlich nahe. Ausgangspunkt der Überlieferung kann aber auch ein Text irgendwo aus dem Verlauf der Überlieferungsgeschichte sein, und der ursprüngliche Text ist nicht mehr zu rekonstruieren. Das gilt z.B. für Homers Ilias und Odyssee, und vermutlich auch für das NT. "Vermutlich", weil man über Entstehung und Überlieferung der Bibel im 1.Jh.nC immer noch nicht allzuviele definitive Aussagen machen kann, dennoch aber die Lücke zwischen Entstehung und erkennbarer Überlieferung klein genug ist, um auf Rekonstruktion des Originaltextes zumindest hoffen zu können.

Beim Umgang mit einem Text (z.B. einer Geschichte aus dem Leben Jesu) hatte man im Prinzip zwei Möglichkeiten:
1. Man erzählt sie nach, mehr oder weniger frei, aber im eigenen Stil und evtl. unter Ausschmückungen, Auslassungen oder Vermischung verschiedener Geschichten. Wie man an den Evangelien sehen kann, sind sie das Produkt derartiger Prozesse.
2. Man schreibt sie wortwörtlich ab.
Wann genau man angefangen hat, Variante 1 für ungebührlich zu erachten und Variante 2 allein anzuwenden, ist nicht bekannt. Es muß allerdings spätestens um 150 nC geschehen sein, höchstwahrscheinlich ein paar Jahre früher. Das schließt keineswegs aus, daß es textgetreue Überlieferung nicht schon von Anfang an gegeben hat (was sehr wahrscheinlich ist); ab ca. 150 (um bei dem Datum zu bleiben) aber ist sie die alleinige Überlieferungsform. Seit dem Ende des 2.Jh.nC wird in den Kirchenvätern schon ein einigermaßen einheitliches Textkorpus vorausgesetzt, obwohl es noch einige Unsicherheiten gab, was denn nun alles dazugehört.

Das heißt kurz: Im Prinzip kann man den Text des 2.Jh.s rekonstruieren, und an einigen Stellen hat man ihn auch. Möglicherweise kommt man auch noch weiter zurück.

Dazu sammelt man alles verfügbare Material in Form von Handschriften, Papyri und Zitaten bei Kirchenvätern u.a. frühchristlichen Schriften. Einige wenige Papyri sind aus dem 2.Jh. oder um 200; allerdings sind das immer nur kleine Fetzen von ein paar Versen. Mit den Zitaten kommt man theoretisch fast bis ans Jahr 100 heran; allerdings haben gerade die frühen Väter (also bis ca. 200) häufig eher sinngemäß umschrieben als wörtlich zitiert, so daß sie für den genauen Wortlaut nur selten herangezogen werden können. Einige der frühen Übersetzungen aus dem Grch. können bei manchen Entscheidungen auch helfen.

Und dann beginnt die Arbeit.
Man sammelt die Handschriften und vergleicht sie. Man sucht Unterschiede, die nicht durch Verschreiber o.ä. zu erklären sind, man sucht Fehler, die sich irgendwann mal eingeschlichen haben und in einer bestimmten Handschriftengruppe immer wieder abgeschrieben wurden; und dann versucht man, die Hss. in Gruppen einzuteilen, Stammbäume aufzustellen und bestimmte Überlieferungsstränge und -traditionen zu erkennen. Dabei kann es durchaus vorkommen, daß eine spätere Handschrift einen Text bietet, der einen anderen Überlieferungsstrang erkennen läßt (von dem die früheren Hss. nicht erhalten sind), und so trotz des späten Datums noch in die Reihe der zu verwendenden Hss. gehört.

Ist man der Meinung, genügend gesammelt zu haben, versucht man, einen Text herzustellen. Das ist dann solche Kleinarbeit wie z.B. beim Vaterunser oben die Entscheidung, welche Zeitform wohl die originale ist. Gewisse Kriterien hat man dafür, z.B.: es ist wahrscheinlicher, daß eine schwer verständliche oder stilistisch ausgefallene Form die originale ist, weil man beim Abschreiben höchstens glättet, aber (außer durch Schreibfehler) nicht eine kompliziertere Form in den Text bringt.

Was vielleicht deutlich geworden ist: Zusätze, wissentliche Veränderungen, dogmatische Anpassungen u.ä. sind ziemlich gut zu erkennen. Wenn solche Dinge in unserem heutigen NT-Text drin sind, dann sind sie in den ersten beiden Jahrhunderten hineingekommen. Damit kommt man aber schon in den Grenzbereich zwischen Entstehung des Textes und Überlieferung.

2. Altes Testament
Da kann ich nicht ganz so viel sagen; ich kann kein Hebräisch.:rolleyes:
Allerdings sieht die Sache hier etwas anders aus.

Im Judentum hat man irgendwann angefangen, den Text der hebräischen Bibel zu standardisieren; herausgekommen ist der sogen. masoretische Text, dem alle vollständig erhaltenen Bibelhandschriften folgen. Die heutigen Textausgaben folgen im wes. zwei Hss. aus dem 10./11.Jh.nC. Aufgrund von fragmentarischen Hss.-funden kann man vermuten, daß sich der masoretische Text um ca. 100 nC durchgesetzt hatte.

Was davor war, ist so bruchstückhaft erhalten, daß man nur schlußfolgern, aber keinen Text herstellen kann.
An Quellen hat man v.a. die Hss. aus Qumran, die von ca. 200 vC bis 68 nC reichen und Texte aus fast allen Büchern des AT enthalten, aber nur ein Buch (Jesaja) vollständig; sowie ein paar weitere Papyri. Dazu kommen die Übersetzungen, die die Juden z.T. schon vC angefertigt haben; es gibt eine berühmte Übersetzung des AT ins Griechische, die sog. Septuaginta, die in Alexandria/Ägypten im 3.-2.Jh.vC angefertigt wurde und in der Antike weit verbreitet war; dazu noch weitere Übersetzungen ins Griechische, Aramäische u.a.

Anhand dieser Quellen kann man sehen, daß vC im Judentum voneinander abweichende Versionen des AT im Umlauf waren. Was man nicht weiß, ist:
- Ob der später maßgebliche masoretische Text schon zu dieser Zeit vorhanden war (als eine der Versionen) und sich dann durchgesetzt hat, oder ob er aus verschiedenen Versionen zusammengeschrieben wurde, und wenn ja, wann das war.
- Wie diese Versionen zu bewerten sind - ob es regionale Abweichungen sind, d.h. daß es z.B. einen "alexandrinischen" Text gab (auf dem die Septuaginta beruht), einen palästinensischen (evtl. Qumran), einen babylonischen usw.; oder ob die verschiedenen Strömungen des Judentums "ihren" Text hatten, also ein pharisäischer Text, ein sadduzäischer, ein Tempeltext usw.; oder ob alle Versionen überall durcheinander verwendet wurden.
- Wann überhaupt der Sprung von Textentstehung zu Textüberlieferung stattgefunden hat. Für die Fixierung der Texte wichtig war mit Sicherheit die babylonische Gefangenschaft ab 587 vC; aber wie die Texte vorher aussahen, wieviel (und ob) verändert wurde, und wie lange sich dieser Prozeß evtl. hinzog, ist nicht bekannt.

Kurz gesagt: Der heutige hebräische Text des AT ist dem Wortlaut nach zwar spätestens mittelalterlich, im Prinzip aber antik und inhaltlich ein paar Jahrhunderte vC entstanden. Wenn sich da inhaltlich was dran getan haben sollte, dann ist aber nicht die Kirche dran schuld, denn die konnte im Mittelalter kein Hebräisch.;)

Cas
 
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Slartibartfaß

Nörgelnder Gnom
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@Cas:

Ich hab nicht behauptet, daß die Bibel "bis zur Unkenntlichkeit" verstümmelt und umgeschrieben wurde - nur ist es z.B. ein himmelweiter (:D) Unterscheid, ob ich von "el" (Gott) oder "elohim" (Götter) spreche... solche kleinen Veränderungen ändern den Sinn und die Aussage eines Satzes grundlegend. Ich bin leider nicht bewandert genug im Hebräischen, um Dir weitere Beispiele anführen zu können (ganz davon abgesehen davon, daß ich keine urhebräische Bibel zur Hand habe).

Ich streite ganz sicher nicht ab, daß Gott (bzw., um in meinem Verständnis der Ereignisse zu bleiben, "die Götter") eine sehr reale Erfahrung für die Menschen war, auf deren Erzählungen die Überlieferungen beruhen, die in der Bibel zusammengefaßt wurden. Gleiches gilt für das Popol Vuh, für das Mahabharata - genaugenommen für alle "alten Religionen.
Nur bin ich eben der Meinung, daß sie für uns heutige, in der Technik wesentlich weiter fortgeschrittene Menschen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Götter wären, da wir die Technologie hinter ihren "Wundern" zumindest im Ansatz verstehen würden...

Ansonsten: Ich weiß nicht, warum ich mich immer wieder auf eine Diskussion über Religion einlasse. Das ist genauso fruchtlos und unintelligent wie eine selbige über Politik.
Versteht mich nicht falsch, ich meine nicht "Mit denen kann man ja eh nicht diskutieren", sondern" Darüber kann man nicht emotionslos reden"... :)

@Aslan:

Kannst Du mir mal erklären, wieso ein konsequent atheistisches Weltbild keine grundlegende Moralvorstellung zulassen sollte? Ich kann Dir nicht folgen... ;):)
Du wirfst imho auch zwei Dinge durcheinander: Evolutionstheorie und Atheismus.

Moral hat sich nach meinem Verständnis nicht durch Selektion gebildet, Deine Sichtweise dazu würde ich hier gern lesen :)
 

Daiween

Waldkauz
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Ich schließe mich den Aussagen von Aslan und Cas an. :)


Und noch eine kleine Ergänzung, die ich schon einmal gebracht hatte, will ich hier nochmal hineinkopieren:

Verglichen mit anderen Schriften des Altertums hat die Bibel mehr Manuskriptbelege, als 10 beliebige andere Schriftstücke klassischer Literatur zusammen.

Einige Beispiele:

Autor / wann geschrieben / früheste Abschrift / Anzahl der Abschriften

Cäsar / 100-44 v. Chr. / 900 n. Chr. / 10
Plato / 427-347 v. Chr. / 900 n. Chr. / 7
Herodot / 480-425 v. Chr. / 900 n. Chr. / 8
Aristoteles / 384-322 v. Chr. / 1100 n. Chr. / 5

NEUES Testament / 60-100 n. Chr. / 400 n. Chr. / 13.000

Kein Dokument des Altertums ist bibliographisch so gut belegt wie das neue Testament!


@Aslan

Du tust mir Unrecht, zuviel der Ehre. Ich bin eher der Naturwissenschaftler unserer christlichen Fraktion. ;)
Geschichte ist leider eine schwache Seite von mir und ich muß für jede Aussage Bücher wälzen, weil es nicht in meinem Kopf hängen bleibt. :rolleyes:
(Außerdem habe ich ein miserables Zahlengedächtnis.)
 

Caswallon

Chronist
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@Slarti nur ganz kurz:

Gott IST für mich eine reale Erfahrung.
Jetzt, hier, heute. Das ist das Problem.

Das gilt völlig unabhängig von Wundern oder fortgeschrittener Technik.

Cas
 

Aslan

Fauler Löwe
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@ Cas und Daiween: Erstaunlich, wie wir uns ergänzen :D Einen Historiker und einem Naturwissenschaftler, beide Klasse 5 mit 18 Punkten auf allen sechs Chareigenschaften, in der Truppe zu haben, gefällt mir :D:D:up:

@Daiween:
Wenistens weisst du, welche Bücher du wälzen musst, oder? ;) Bei solchen Geschichtsfragen bin ich echt in's kalte Wasser geworfen, da kann ich mir nicht einfach ein C.S. Lewis Buch schnappen, und daraus zitieren, so wie ich das nun gleich bei Slarti ansatzweise mache, damit ich das verständlich hinkriege :rolleyes::D

@Slarti:
erstens mal: Wie hat sich denn Moral deiner Meinung nach gebildet, wenn nicht durch Selektion? *Das* würde mich nun echt interessieren ;)


Also, ich versuch das mal zu erklären ;)
Ich trenne Evolutionstheorie und Atheismus insofern, dass sie zwei verschiedene Dinge sind. Von Evolution kann man zwar nicht zwingend auf Atheismus schliessen, aber vom ATheismus muss man zwingend auf den Grundgedanken der Evolution schliessen.
Und so kann ein Atheist die Enstehung der Moral letztlich nur durch die Evolution erklären. Bevor es denkende Wesen gab, gab es keine Moral. Und letztlich muss der Erklärungsversuch der Moral so ähnlich aussehen:
Chemische Voraussetzungen (banal gesagt) erzeugen Leben. Das Leben erzeugt unter dem Einfluss der natürlichen Auslese Bewusstsein. Bewusste Organismen mit einer bestimmten Verhaltensweise leben länger als solche mit einer anderen. Sie leben länger und werden vermutlich mehr Nachkommen haben. Ihre Lebensweise wird durch Vererbung und Belehrung an ihre Nachkommen übertragen und so wird in jeder Gattung ein Verhaltensmuster aufgebaut. In der Gattung Mensch spielt das bewusste Lehren beim Aufbau des Musters eine grössere Rolle, und die Sippe stärkt es noch zusätzlich, indem sie unfügsame Individuen tötet. Ausserdem "erfinden" die Menschen noch Götter, die Abweichungen von der Norm angeblich bestrafen. Und so entsteht mit der Zeit der starke menschliche Impuls, sich anzupassen. Da dieser Impuls jedoch häufig mit anderen Impulsen in Widerspruch gerät, kommt es zu geistigen Konflikten, und der Mensch drückt dieses aus, indem er sagt: "Ich möchte A tun, doch ich sollte B tun." Das wäre dann die Moral.
Vielleicht erklärt diese Darstellung (vielleicht aber auch nicht ;)) warum der Mensch moralische Urteile fällt. Sie erklärt aber nicht, inwieweit er damit Recht haben könnte. Und tatsächlich schliesst sie die Möglichkeit sogar aus, dass er Recht haben könnte. Wenn aber ein Mensch sagt: "Ich sollte" und zwar im Sinne einer ethischen/moralischen Entscheidung, dann glaubt er gewiss, dass er damit eine Aussage, und zwar eine wahre Aussage (!), über das Wesen der beabsichtigten moralischen Handlung zu machen und nicht nur über seine Gefühle.
Wenn nun diese Entwicklungsgeschichte der Moral tatsächlich stimmt, dann ist Moral ansich eine für das Überleben vorteilhafte Illusion und "ich sollte" ist eine ebensolche Feststellung wie "mich juckt es" oder "mir ist übel".
Anders gesagt: Wenn die Moral evolutiv entstanden ist, dann ist sie weder gut noch schlecht, sondern einfach vorteilhaft für's Überleben. Die Frage, ob Leben an sich gut oder schlecht ist, ist jedoch auch eine moralische Frage. Und kann deshalb weder mit "gut" noch mit "schlecht" beantwortet werden, denn die Ansicht, dass Leben "gut" ist stammt nur daher, dass eine lebensbejahende Sicht vorteilhaft ist, für das Überleben.

Fazit:
Der Atheismus kann KEINEN allgemeingültigen Massstab für Moral liefern und nach konsequent atheistischer Sicht können wir zwar gegen Menschen wie Hitler kämpfen, weil sie unsere Existenz bedrohen, aber zu sagen, diese Menschen seien "schlecht" ist eine Illusion. Sie haben eben ein Verständnis von Moral, das nicht mit dem unseren übereinstimmt, aber ob ihre Moral oder die unsere die bessere Moral ist, kann an keinem Massstab gemessen werden.
 
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Daiween

Waldkauz
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dito Cas! :)

Einen Gott, den man nur aus Erzählungen kennt?

Das wäre mir zuwenig.


@Slarti

Man kann darüber schon recht gut diskutieren, wenn man sich darauf beschränkt die eigene Sichtweise, die eigene Lebensanschauung, das eigene Denken, darzulegen.
Und wenn man nicht versucht den anderen zu überzeugen (meines Erachtens in einem solchen Rahmen unmöglich) und die Ansichten seines Diskussionspartners respektiert.

Normalerweise gelingt das hier in diesem Forum ganz gut.


@Aslan

Eben wollte ich gerade auf das Entstehen von Denkweisen aus evolutionistischer Sicht eingehen, aber Du hast mir die Sache abgenommen und ausführlicher erklärt, als ich das vorhatte. :)
 

Chinasky

Dirty old man
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@Aslan: Genau! Du hast das, was ich meine, und worauf es mir ankommt, sehr gut zusammengefaßt! Slarti soll meinetwegen diesen aussichtslosen Strauß ausfechten, zu belegen, daß es auch aus atheistischer Sicht eine "echte" Moral, ein Gut und Böse gebe - ich sagen: Gut und böse sind religiöse Kategorien, nicht etwa moralischer Natur. Daher ist es auch müßig darüber zu spekulieren, ob Hitler nun gut oder böse war: Er verhielt sich jedenfalls den Interessen der Gattung/Art zuwiderhandelnd. Ich muß eine Tat nicht als "böse" bezeichnen, um sie abzulehnen.

Das ist doch genau der Punkt, dessentwegen ich mich immer wieder auf die Kritik des religiösen Denkens einlasse (obwohl Ihr ja alle doch eh nicht zu überzeugen seid :D ) : Weil das religiöse Denken die Illusion einer absolut existierenden Moral als Fakt hinstellt. Wer an eine absolut gültige Moral (ob nun der Liebe, des Hasses oder der Ehrfurcht) glaubt, und sich diesem Glauben entsprechend verhält - der ist nicht mehr wirklich fähig zu Kompromissen.

Wir sehen das gerade in der Irak-Frage. Die Insistenz, mit der G.W.Bush darauf herumreitet, daß S. Hussein ein "evil" sei, einer Achse des Bösen zuzuordnen... Das ist religiöses Denken in der Praxis!

Saddam Hussein ist nicht böse. Er ist selbstsüchtig, er ist rücksichtslos, er ist sadistisch, er ist alles mögliche. Aber wenn wir ihn als "böse" hinstellen, dann wechseln wir die Verhandlungsebene, dann treten wir vom Politischen ins Religiöse über. Dasselbe mit Hitler: Ist doch egal, ob er böse war. Böse - das Wort erklärt nix, sondern mystifiziert nur. Dieses Wort ist ein Instrument, Sachverhalte zu verschleiern, es spricht lediglich unser Unbewußtes, unsere Emotionen an.

Wenn ich im reallife natürlich auch ab und an gut und böse unterscheide - dann nur, um komplizierte Sachverhalte ein bißchen abzukürzen. Man hat ja nicht ewig Zeit, so als Ungläubiger... :fies: ;)
Aber ich bin mir dessen bewußt, daß es eigentlich nicht korrekt ist, diese Kategorien zu nutzen. Ich mache es also wider besseres Wissen. Frage an die Religionsethiker unter Euch Gläubigen: Ist das dann Sünde oder nur Pragmatik? ;)

@Aslan: Du hattest mich nicht wirklich verstanden, aber aus Deiner Darstellung meiner Position ersehe ich, daß es aus Deiner Sicht wohl unmöglich sein muß. Ich darf Dich zitieren:

Du sagst nicht, es gebe keinen Lebenssinn, sondern der Lebenssinn sei, wenn es ihn denn gebe, für die Menschen nicht erkennbar. Ein nicht erkennbarer Lebenssinn hat aber genausowenig wert, wie kein Lebenssinn und deshalb nennst du die Suche nach ihm für Zeitverschwendung, richtig?

Nein, leider nicht ganz richtig. Denn so, wie Du da formulierst, hört es sich an, als sei meine Position: Ja, vielleicht ist da was, wir haben nur noch keine Instrumente, es zu erkennen, so, wie früheren Generationen auch keine Instrumente zur Verfügung standen, Neutrinos nachzuweisen.

So meine ich es aber nicht, wenn ich sage, der Lebenssinn sei nicht erkennbar. Genaugenommen dürfte ich gar nicht über den Lebenssinn räsonieren, weil ich, indem ich darüber spreche, ja schon so tue, als gäbe es tatsächlich ein konkretes Phänomen "Lebenssinn". Hier finde ich mich in einem typischen sprachphilosophischen Dilemma, welches eigentlich nur auf Wittgensteins Weise behandelt werden dürfte: Wovon man nicht sprechen kann, davon soll man schweigen. Der Lebenssinn - das ist für mich etwas Ähnliches wie der "Bluntschli" in einem lustigen Lied von Georg Kreisler, vielleicht kennst Du das ja?! Ich würde ja gern meine Kassette hervorholen, und den Text mal raushören, aber seit Tagen komme ich wegen irgendwelcher technischer Macken kaum mal ins Forum, und wenn ich's jetzt mal hier rein geschafft habe, dann will ich schnell posten, bevor die Verbindung wieder unterbrochen wird... :rolleyes:

@Daiween: Nichts für ungut - aber Ihr seid keine typischen Vertreter der Gläubigen-Fraktion. Das ist eine einfache quantitative Frage. Es gibt einfach mehr Gläubige in den 3.-Welt-Staaten, in Indien, in Pakistan, in Südamerika, in Ägypten... Euer Glaube ist ein hoch intellektuell geprägter, durch alle Stürme der westlichen Aufklärung gefahrener Glaube. Die meisten Gläubigen können sich so einen Glauben schon rein aus materiellen Gründen nicht leisten... :(
 

Daiween

Waldkauz
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Hm?

Deine Aussage war:
"Nur leider gehörst Du wie auch einige der anderen Gläubigen hier im Forum zu der eher untypischen Gruppe der "vernünftigen" Gläubigen."

Ich bin somit eigentlich von der naheliegenden Vermutung ausgegangen, daß Du dich auf "typische" Christen deines Dunstkreises bzw. Erfahrungshorizonts beziehst.

Und was Christen in den 3.Welt-Staaten betrifft, so können sie vielleicht bei Stellungnahmen nicht so gut mit geschichtlichen und philosophischen Argumenten kontern, aber dennoch ist ihr Glaube dadurch nicht zwangsläufig naiv oder "unvernünftig", sondern sogar sehr auf das alltägliche praktische Leben bezogen. Auch unter den Leuten dort, gibt es (trotz mangelnder Bildungsmöglichkeiten) sehr kritische und scharfe Denker. Ich hatte zumindest schon zeitweilig recht guten Kontakt zu Christen aus Ghana, Sierra Leone und Südafrika, die mir diesen Eindruck bestädigten.

Andererseits ... in Wuppertal scheint ja auch jeder Zweite von ... äh ... sehr weit her zu kommen. ;) So war zumindest mein Eindruck während der wenigen Besuche in dieser Stadt. Hast Du da Kontakte oder Freundschaften (vielleicht zu Studenten) aus solchen Gebieten? Finde ich immer interessant sowas. :)
 
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