Lisra
Schmusekater
- Registriert
- 06.02.2004
- Beiträge
- 6.392
Ich finde wir brauchen ein Topic wo kleine Szenen, Minidramen und Sketche drin reinkommen. Gebts zu, ihr schreibt sowas auch..
Folgendes entstand für den Deutschunterricht letztes Jahr.
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Szene
Weiße, fast leere Bühne, Schreibtisch in M mit allerlei Papier darauf, Lavalampe L, welche angeschaltet ist. Zwei Schreiberlinge.
1:Wir brauchen noch mehr. Drei ungefüllte Seiten, wenn wir das nicht bis 1700 haben haben wir den Boss im Nacken.
2: (abwesend) Ich weiß, ich weiß..
1: Was haben wir noch übrig?
2: (ein Blatt lesend) Schweden, Jazzer, punk rock kids, Mütter über 40 und die Krankenkassen.
1: Traurige Auswahl.
2: Du weißt, die Jungs geben ihr bestes..
1: (den Kopf schüttelnd) Was heißt das heutzutage schon.
2: (wirft das Blatt beiseite) Jetzt wirst du aber unfair.
1: Weshalb?
2: Denk doch mal nach. Neu ist das ganze schon gar nicht mehr. Einfach irgendwen nehmen, der uns missfällt und dann das negative so sehr überzeichnen, bis lachen der einzige Ausweg ist.
1: Chefredakteure!
2: Das können wir nicht machen!
1: Ja ebendrum.
2: Ich weiß nicht.. (holt ein gefaltetes Blatt aus einer Schublade und entfaltet es) .. das Märchen vom schwedischen Raketenbauer?
1: Alter Gernhardt, das können wir nicht bringen.
2: Die Oper „Orgeln im Tabernakel“ mit Papst Deutschland?
1: Noch immer Gernhardt. Und nicht bissig genug.
2: Eben. Was ich damit sagen will ist, alles ist schonmal gemacht worden. Es gibt nichts neues mehr.
1: Spießbürger gehen immer.
2: Das ist nun wirklich nichts neues dran. Letztes Jahr gabs ein ganzes Buch darüber und vor zweihundert Jahren hat da schon so ein dauertrauriger Spinner was drüber geschrieben.
1: Du meinst Brentano?
2: Vielleicht. Jedenfalls können wir nicht immer dasselbe runterattern.
1: Du vergisst unsere Berufung. Wir müssen die Wahrheit zeigen.
2: (frustriert) Wahrheit? Jeff, seit wann ist Satire Wahrheit? Was macht es letztlich für einen Unterschied, ob wir zeigen, dass Krankenkassen gierige Versager sind und Frauen über vierzig die Tendenz haben zu viel Lindström zu lesen? Die Wahrheit ist, dass uns nichts mehr einfällt.
1: Ausgebrannt.
1: Ausgetrocknet.
2: Völlig ahnungslos.
1: In einem Teufelskreis aus ständig neuem Verlangen und verbrauchten Ideen.
(Sie geben sich die Hand)
1: Das musste einmal gesagt werden.
2: Definitiv.
(1 spielt mit seinem Smartphone herum)
1: Wie gehts der Gemahlin?
2: Noch immer im Mutterschutz.
1: Kind Nummer zwei?
2: Drei.
1: Drei? Wie doch die Zeit vergeht.
2: Wem sagst du das. Nächstes Jahr ist das Haus abbezahlt.
1: Was, schon? Der Kredit hatte ne Laufzeit von fünfzehn Jahren.
2: Es ist fünfzehn Jahre her.
1: Clive, du bist erst 34!
2: 43, Jeff.
1: (schüttelt den Kopf) Unglaublich.
(Sie schauen wieder auf diverse Papiere)
1: Wir könnten wieder eine Insider Doku einer Skinheadgemeinschaft machen.
2: Der ganze Deal?
1: Die Wahrheit über die Glatze, das die Anführer alles Trasen sind als Ehrung für Göring, das der größte Boss verheimlicht ein vierundsechszigstel Jude zu sein..
2: Ne, zu alt, zu lasch. Unausgegoren.
(1 knüllt einen Zettel zusammen und wirft in ins Publikum. Schweigen.)
1: Wie geht es Mary?
2: Hat sich die Haare grün gefärbt.
1: (schockiert) Wirklich?
2: Wie Astroturf. Knallgrün.
1: Teens.. was hast du ihr gesagt?
2: Ich hab' sie gefragt was die Leute denken sollen.
1: Richtig so.. das geheime Sexleben von Bush Senior?
2: Interessiert doch niemanden.
(Sie suchen weiter)
2: Wie wäre es mit Fußballern? Lehrern? New Age Religionen? Diese inner child Leute klingen angemessen bescheuert.
2: Ich hätte gern Kontakt zu meinem inner child.
1: Warum das?
2: Dann könnte ich mir selber verbieten spät nach hause zukommen. Kreationisten? Livebericht aus dem Creation Zoo?
1: (Kopfschütteln) Was ist wirklich guter Satire geworden?
2: Wir machen gute Satire!
1: (leise) Schau uns an.
2: Jeff?
1: Schau uns an Clive. Wir sind über vierzig. Unsere Krawatten sind scheußlich. Wir haben jeder einen Parkplatz für unseren Mittelklassewagen. Jeder von uns hat mehr als zwanzig identische weiße Hemden im Schrank. Wir haben Frau und Kinder, scheinen die Frauen zu ignorieren und die Kinder falsch zu erziehen. Und für unser täglich Brot publizieren wir Satiren über andere Menschen. Siehst du es nicht, wir sind die Satire. Wir sind spießig. Wir sind langweilig. Witzfiguren.
2: Ich wähle nicht CDU.
1: Das musst du auch nicht. Du trennst den Müll. Du regst dich über grüne Haare auf. Du! Du hast früher blaue Haare und nen roten Bart gehabt. Du hast den Schulleiter vors Schienenbein getreten, nachdem er deinen Artikel zensiert hat.
2: Ja..
1: Wir liefern Satire weil wir es müssen.
2: Nicht weil wir etwas zu sagen haben. Weil man uns dafür bezahlt.
1: Gut bezahlt.
2: So gut, dass wir sicher und bequem seien können. Das wirs sind.
1: Es gibt nichts dagegen zu sagen. Im großen und ganzen. Was ist so schlimm an Frau, Haus und Kind?
2: Nicht so viel. Aber schau uns an. Du hast recht. Wir sind innerlich krepiert. Abspuler. Müllschlucker im Rückwärtsgang.
1: Das klingt gut, schreib das auf!
(hektisch kritzelt 2 Müllschlucker im Rückwärtsgang auf den Fußboden)
(Langes Schweigen. Sie reflektieren darüber. Gehen auf und ab.)
2: Wir sollten uns schnell entscheiden. Ich will nach Hause und nachdenken.
1: Ja.. was ist mit.. (er deutet auf die Schrift)
2: Wir können nicht über uns selbst schreiben.
1: Nein.
2: Nicht so. Anders vielleicht, aber nicht hier und jetzt.
2: Was machen wir dann? Bald ist deadline.
1: Wir könnten es so lassen. Das ganze mit was anderem füllen.
2: Hast du eine Idee?
1: Nein.
2: Ich auch nicht.
1: Der Chefredakteur wird explodieren.
2: Gut.
(Gegenseitiges Schulterklopfen. Beide ab durch M. Zehn Sekunden Schweigen. Die Lavalampe explodiert. Vorhang.)
Folgendes entstand für den Deutschunterricht letztes Jahr.
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Szene
Weiße, fast leere Bühne, Schreibtisch in M mit allerlei Papier darauf, Lavalampe L, welche angeschaltet ist. Zwei Schreiberlinge.
1:Wir brauchen noch mehr. Drei ungefüllte Seiten, wenn wir das nicht bis 1700 haben haben wir den Boss im Nacken.
2: (abwesend) Ich weiß, ich weiß..
1: Was haben wir noch übrig?
2: (ein Blatt lesend) Schweden, Jazzer, punk rock kids, Mütter über 40 und die Krankenkassen.
1: Traurige Auswahl.
2: Du weißt, die Jungs geben ihr bestes..
1: (den Kopf schüttelnd) Was heißt das heutzutage schon.
2: (wirft das Blatt beiseite) Jetzt wirst du aber unfair.
1: Weshalb?
2: Denk doch mal nach. Neu ist das ganze schon gar nicht mehr. Einfach irgendwen nehmen, der uns missfällt und dann das negative so sehr überzeichnen, bis lachen der einzige Ausweg ist.
1: Chefredakteure!
2: Das können wir nicht machen!
1: Ja ebendrum.
2: Ich weiß nicht.. (holt ein gefaltetes Blatt aus einer Schublade und entfaltet es) .. das Märchen vom schwedischen Raketenbauer?
1: Alter Gernhardt, das können wir nicht bringen.
2: Die Oper „Orgeln im Tabernakel“ mit Papst Deutschland?
1: Noch immer Gernhardt. Und nicht bissig genug.
2: Eben. Was ich damit sagen will ist, alles ist schonmal gemacht worden. Es gibt nichts neues mehr.
1: Spießbürger gehen immer.
2: Das ist nun wirklich nichts neues dran. Letztes Jahr gabs ein ganzes Buch darüber und vor zweihundert Jahren hat da schon so ein dauertrauriger Spinner was drüber geschrieben.
1: Du meinst Brentano?
2: Vielleicht. Jedenfalls können wir nicht immer dasselbe runterattern.
1: Du vergisst unsere Berufung. Wir müssen die Wahrheit zeigen.
2: (frustriert) Wahrheit? Jeff, seit wann ist Satire Wahrheit? Was macht es letztlich für einen Unterschied, ob wir zeigen, dass Krankenkassen gierige Versager sind und Frauen über vierzig die Tendenz haben zu viel Lindström zu lesen? Die Wahrheit ist, dass uns nichts mehr einfällt.
1: Ausgebrannt.
1: Ausgetrocknet.
2: Völlig ahnungslos.
1: In einem Teufelskreis aus ständig neuem Verlangen und verbrauchten Ideen.
(Sie geben sich die Hand)
1: Das musste einmal gesagt werden.
2: Definitiv.
(1 spielt mit seinem Smartphone herum)
1: Wie gehts der Gemahlin?
2: Noch immer im Mutterschutz.
1: Kind Nummer zwei?
2: Drei.
1: Drei? Wie doch die Zeit vergeht.
2: Wem sagst du das. Nächstes Jahr ist das Haus abbezahlt.
1: Was, schon? Der Kredit hatte ne Laufzeit von fünfzehn Jahren.
2: Es ist fünfzehn Jahre her.
1: Clive, du bist erst 34!
2: 43, Jeff.
1: (schüttelt den Kopf) Unglaublich.
(Sie schauen wieder auf diverse Papiere)
1: Wir könnten wieder eine Insider Doku einer Skinheadgemeinschaft machen.
2: Der ganze Deal?
1: Die Wahrheit über die Glatze, das die Anführer alles Trasen sind als Ehrung für Göring, das der größte Boss verheimlicht ein vierundsechszigstel Jude zu sein..
2: Ne, zu alt, zu lasch. Unausgegoren.
(1 knüllt einen Zettel zusammen und wirft in ins Publikum. Schweigen.)
1: Wie geht es Mary?
2: Hat sich die Haare grün gefärbt.
1: (schockiert) Wirklich?
2: Wie Astroturf. Knallgrün.
1: Teens.. was hast du ihr gesagt?
2: Ich hab' sie gefragt was die Leute denken sollen.
1: Richtig so.. das geheime Sexleben von Bush Senior?
2: Interessiert doch niemanden.
(Sie suchen weiter)
2: Wie wäre es mit Fußballern? Lehrern? New Age Religionen? Diese inner child Leute klingen angemessen bescheuert.
2: Ich hätte gern Kontakt zu meinem inner child.
1: Warum das?
2: Dann könnte ich mir selber verbieten spät nach hause zukommen. Kreationisten? Livebericht aus dem Creation Zoo?
1: (Kopfschütteln) Was ist wirklich guter Satire geworden?
2: Wir machen gute Satire!
1: (leise) Schau uns an.
2: Jeff?
1: Schau uns an Clive. Wir sind über vierzig. Unsere Krawatten sind scheußlich. Wir haben jeder einen Parkplatz für unseren Mittelklassewagen. Jeder von uns hat mehr als zwanzig identische weiße Hemden im Schrank. Wir haben Frau und Kinder, scheinen die Frauen zu ignorieren und die Kinder falsch zu erziehen. Und für unser täglich Brot publizieren wir Satiren über andere Menschen. Siehst du es nicht, wir sind die Satire. Wir sind spießig. Wir sind langweilig. Witzfiguren.
2: Ich wähle nicht CDU.
1: Das musst du auch nicht. Du trennst den Müll. Du regst dich über grüne Haare auf. Du! Du hast früher blaue Haare und nen roten Bart gehabt. Du hast den Schulleiter vors Schienenbein getreten, nachdem er deinen Artikel zensiert hat.
2: Ja..
1: Wir liefern Satire weil wir es müssen.
2: Nicht weil wir etwas zu sagen haben. Weil man uns dafür bezahlt.
1: Gut bezahlt.
2: So gut, dass wir sicher und bequem seien können. Das wirs sind.
1: Es gibt nichts dagegen zu sagen. Im großen und ganzen. Was ist so schlimm an Frau, Haus und Kind?
2: Nicht so viel. Aber schau uns an. Du hast recht. Wir sind innerlich krepiert. Abspuler. Müllschlucker im Rückwärtsgang.
1: Das klingt gut, schreib das auf!
(hektisch kritzelt 2 Müllschlucker im Rückwärtsgang auf den Fußboden)
(Langes Schweigen. Sie reflektieren darüber. Gehen auf und ab.)
2: Wir sollten uns schnell entscheiden. Ich will nach Hause und nachdenken.
1: Ja.. was ist mit.. (er deutet auf die Schrift)
2: Wir können nicht über uns selbst schreiben.
1: Nein.
2: Nicht so. Anders vielleicht, aber nicht hier und jetzt.
2: Was machen wir dann? Bald ist deadline.
1: Wir könnten es so lassen. Das ganze mit was anderem füllen.
2: Hast du eine Idee?
1: Nein.
2: Ich auch nicht.
1: Der Chefredakteur wird explodieren.
2: Gut.
(Gegenseitiges Schulterklopfen. Beide ab durch M. Zehn Sekunden Schweigen. Die Lavalampe explodiert. Vorhang.)