Ciramon
Drachenkrieger
- Registriert
- 07.09.2001
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"Wassermusik" von T. C. Boyle
Der Roman zeichnet die historischen Entdeckungsreisen des schottischen Reisenden Mungo Park in Westafrika auf der Suche nach dem Verlauf des Nigers nach, inklusive Teilen über sein Leben in Schottland davor und dazwischen. Die tatsächlichen Ereignisse werden grundsätzlich als Basis verwendet, aber in Details und Ausschmückung fiktional ergänzt oder verändert. Daneben begleiten wir als zweiten Hauptstrang Ned Rise, einen fiktiven Charakter aus der verelendeten Normalbürgerschicht Londons. Seine Bemühungen um ein menschenwürdiges Leben werden aufgrund von Bösartigkeit der Menschen im Allgemeinen und der Unterdrückung durch den Adel im Besonderen zu einem Kampf ums Überleben. Kleinere Abschnitte werden aus der Sicht von Parks Verlobter und späterer Ehefrau Ailie erzählt, manche handeln von seinem Gefährten und Afrikaführer Johnson, einem aus Westafrika stammenden und über die Vereinigten Staaten schließlich in England gelandetem ehemaligen Sklaven.
Dabei fließt die damalige Gesellschaft in die Handlungen ein, vor allem wie bereits erwähnt die Situation der einfachen Leute sowie die Rolle der Frauen. Dies aber nicht als eingeschobene Geschichtsstunde oder isolierte Gesellschaftskritik, sondern in die Handlung eingebaut oder vielmehr mit ihr verwoben, ihre Grundlage bildend. Auch die Darsteller bleiben ambivalent. Mungo Park als mutiger Entdecker, aber auch mit Zweifeln und Mängeln - seiner Ruhmsucht opfert er Familie und Menschenleben. Im Roman hadert er mit der großen Fehlentscheidung seiner zweiten Reise, die die Leben seiner Männer aufs Spiel setzt.
Wie kann ich es tiefgehender formulieren als dass die Geschichte spannend ist und voller Atmosphäre steckt? Die Seiten fliegen beim Lesen nur so vorbei und ich fühlte mich den Ereignissen und Personen sehr nah. Boyle benutzt eine sehr bildliche Sprache, die oft der Vorstellungskraft sehr gut auf die Sprünge hilft - auch wenn sie manchmal schwer vorstellbare und verständliche Bilder und Vergleiche bemüht und einen auf die Fortsetzung der Handlung hoffen lässt. Der zweite kleine negative Punkt betrifft die Rauhheiten der Sprache und Erzählung. Ich finde zwar gut, dass das Leben "echt" dargestellt wird und sich der Autor nicht aus irgendwelchen Moralvorstellungen zensiert, aber die eine oder andere Obszönität war m.E. dann doch überflüssig.
Fazit: hervorragend! Wer Geschichte und Abenteuer mag, ist hier genau richtig.
Noch zwei ergänzende Fragen an das Forum diesbezüglich:
- Ich habe auf der Karte gesehen, dass der Niger in den Atlantik mündet, was soll dann das Gerede davon, ihn zu entdecken? Die Küsten waren seit Jahrhunderten bekannt. Oder geht es schlicht darum, dass man natürlich das Flussdelta kannte, aber nicht wusste, dass das der Niger ist?
- Welche ähnlichen Werke gibt es? Einerseits natürlich Mungo Parks eigenen Reisebericht. Einige Zitate im Wikipedia-Artikel lassen vermuten, dass er trotz des Alters gut zu verstehen ist. Und ebenso "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad, aber hier habe ich gehört, dass es aufgrund seiner Sprache schwer zu lesen ist. Vielleicht weiß jemand etwas dazu oder hat einen Tip (wobei ich Karl Mays Beiträge bereits kenne und irgendwelche Schmonzetten á la Rosamunde Pilcher im Afrikagewand nicht gelten).
Der Roman zeichnet die historischen Entdeckungsreisen des schottischen Reisenden Mungo Park in Westafrika auf der Suche nach dem Verlauf des Nigers nach, inklusive Teilen über sein Leben in Schottland davor und dazwischen. Die tatsächlichen Ereignisse werden grundsätzlich als Basis verwendet, aber in Details und Ausschmückung fiktional ergänzt oder verändert. Daneben begleiten wir als zweiten Hauptstrang Ned Rise, einen fiktiven Charakter aus der verelendeten Normalbürgerschicht Londons. Seine Bemühungen um ein menschenwürdiges Leben werden aufgrund von Bösartigkeit der Menschen im Allgemeinen und der Unterdrückung durch den Adel im Besonderen zu einem Kampf ums Überleben. Kleinere Abschnitte werden aus der Sicht von Parks Verlobter und späterer Ehefrau Ailie erzählt, manche handeln von seinem Gefährten und Afrikaführer Johnson, einem aus Westafrika stammenden und über die Vereinigten Staaten schließlich in England gelandetem ehemaligen Sklaven.
Dabei fließt die damalige Gesellschaft in die Handlungen ein, vor allem wie bereits erwähnt die Situation der einfachen Leute sowie die Rolle der Frauen. Dies aber nicht als eingeschobene Geschichtsstunde oder isolierte Gesellschaftskritik, sondern in die Handlung eingebaut oder vielmehr mit ihr verwoben, ihre Grundlage bildend. Auch die Darsteller bleiben ambivalent. Mungo Park als mutiger Entdecker, aber auch mit Zweifeln und Mängeln - seiner Ruhmsucht opfert er Familie und Menschenleben. Im Roman hadert er mit der großen Fehlentscheidung seiner zweiten Reise, die die Leben seiner Männer aufs Spiel setzt.
Wie kann ich es tiefgehender formulieren als dass die Geschichte spannend ist und voller Atmosphäre steckt? Die Seiten fliegen beim Lesen nur so vorbei und ich fühlte mich den Ereignissen und Personen sehr nah. Boyle benutzt eine sehr bildliche Sprache, die oft der Vorstellungskraft sehr gut auf die Sprünge hilft - auch wenn sie manchmal schwer vorstellbare und verständliche Bilder und Vergleiche bemüht und einen auf die Fortsetzung der Handlung hoffen lässt. Der zweite kleine negative Punkt betrifft die Rauhheiten der Sprache und Erzählung. Ich finde zwar gut, dass das Leben "echt" dargestellt wird und sich der Autor nicht aus irgendwelchen Moralvorstellungen zensiert, aber die eine oder andere Obszönität war m.E. dann doch überflüssig.
Fazit: hervorragend! Wer Geschichte und Abenteuer mag, ist hier genau richtig.
Noch zwei ergänzende Fragen an das Forum diesbezüglich:
- Ich habe auf der Karte gesehen, dass der Niger in den Atlantik mündet, was soll dann das Gerede davon, ihn zu entdecken? Die Küsten waren seit Jahrhunderten bekannt. Oder geht es schlicht darum, dass man natürlich das Flussdelta kannte, aber nicht wusste, dass das der Niger ist?
- Welche ähnlichen Werke gibt es? Einerseits natürlich Mungo Parks eigenen Reisebericht. Einige Zitate im Wikipedia-Artikel lassen vermuten, dass er trotz des Alters gut zu verstehen ist. Und ebenso "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad, aber hier habe ich gehört, dass es aufgrund seiner Sprache schwer zu lesen ist. Vielleicht weiß jemand etwas dazu oder hat einen Tip (wobei ich Karl Mays Beiträge bereits kenne und irgendwelche Schmonzetten á la Rosamunde Pilcher im Afrikagewand nicht gelten).
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