Hüter der Erinnerung von Lois Lowry
Enthält Spoiler.
Als meine Schwester vor vielen Jahren nach Norwegen ging bekam ich zum Abschied einen Stapel Bücher vermacht und sie lagen jahrelang ungelesen herum, und tun das oft noch immer (aber ich schwöre, ich lese Hypathia bevor ich 30 bin!). Eines dieser Bücher, Hüter der Erinnerung, nahm ich mit in die Niederlande für den Fall das ich während des Sprachkurses Ablenkung nötig hatte.
Leider hielt das Buch nur einen Tag.
Hüter der Erinnerung ist ein Kinderbuch, doch das muss noch nichts heißen. Es spielt zu einem unbestimmten Zeit in der Zukunft. Unser Held, Jonas, ist in eine Welt geboren worden in der es keinen Krieg, keine Gewalt, kein Verbrechen und keine Angst. Das ist die ersten paar Seiten in Ordnung, aber schon bald bekommt der Leser das Gefühl, das etwas nicht stimmt. Die Menschen in dieser Welt bewegen sich klage und gedankenlos durch ein extrem reglementiertes, voraus geplantes Leben und obwohl alle tatsächlich glücklich sind wirken sie nicht ganz.. menschlich. Etwas fehlt in dieser Welt, was der Leser nicht ganz begreift. Langsam sinkt es jedoch ein, es fehlen farben, Gerüche, kleine unterschiede, fehler. Und obwohl Schritt für Schritt klar wird, dass es sich um einen Überwachungsstaat handelt, oder eher einer sich selbst überwachenden Gesellschaft ohne tatsächlichen Staat, scheint es als können Menschen gehen. Die schwerste Strafe ist es "freigelassen" zu werden, was, wie man Jonas versichert, heißt das man über die Grenzen zu einer anderen Gemeinschaft geht.
Ich schrieb von voraus geplanten Leben und ich denke ich sollte das näher erklären. Es gibt einen sehr festen Plan der direkt nach der Geburt (ausgeführt durch "Gebärerinnen") befolgt wird. Nach X Wochen muss ein Säugling dies können, nach Y dies.. wenn nicht wird er "freigelassen".
In der Schule wird anhand der Talente der Kinder ein Weg für sich festgelegt, und nach einer bestimmten Zeit im Altenheim werden die Alten ebenfalls freigelassen, bevor sie der Gemeinschaft noch mehr zur Last fallen.
All das kommt den Leser höchstens seltsam vor. Der volle Horror des ganzen wird erst klar, als Jonas als Nachfolger zum Hüter der Erinnerung ernannt wird. Der Hüter ist pro-forma der höchst Positionierte in der Gemeinschaft, da er über das Wissen aus früherer Zeit verfügt und damit die momentanen Anführer berät.
Im Zuge seiner Ausbildung fallen alle Regelbeschränkungen für Jonas weg. Er darf alles sehen, nichts darf vor im verborgen werden. Außerdem erfährt er die Erinnerungen, an Farben, an Schnee, an Gerüche, an Essen.. aber auch an Schmerzen, an Krieg, an Hass, an Verbrechen.
Und er sieht, dass..
..Freilassen die Exekution mit Giftspritze und anschließendes Stopfen in den Müllschlucker beinhaltet..
.. sein Vater als Arbeiter in der Säuglingsstation Kinder tötet die nicht rechtzeitig Fortschritte machen..
.. alles in der Gemeinschaft grau ist..
.. die Alten sich gegen ihr freilassen wehren..
.. das Menschliche Erregungen mit Medizin unterdrückt werden..
Und noch mehr abscheuliches. Zusammen mit dem alten Hüter der ihn ausbildet fasst er einen Plan..
Dieses Buch ist das verstöreste Buch für "Kinder" das ich je gelesen habe, weil es sein tiefböses Thema mit einer Ruhe und Natürlichkeit behandelt die zutiefst beunruhigend ist. Es Zeit eine Gesellschaft die alles verloren hat was uns als Menschen ausmacht, um eine sichere EXISTENZ zu ermöglichen. Es ist explizit. Es ist ins Gesicht. Es hat nciht die Nebensächliche "und dann mähten sie sie mit MGs nieder" welche "die grüne Wolke" so interessant macht, sondern eine kalte, klinische Art.
Für neugierige Erwachsene und das notwendige verstören der Kinder empfohlen. Ich würde es einem Kind jedoch eher vorlesen, und darüber reden was das Buch behandelt.