BA - Vampire

Mantis

Heilende Hände
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Dieser Thread ist Teil des Projekts Bardenakadamie.
Jeder ist willkommen, seine eigene(n) Geschichte(n) zum Thema "Vampire" hier zu posten und dazu eingeladen, die Geschichten der anderen Schreiberlinge zu kommentieren.

Viel Spaß beim Schreiben und Lesen. :)

Bisherige Beiträge:

Apophis' Ende - Adriana
Der Letzte - Mantis
Twilight Zone - Timestop
Gottesdiener - Zelon
Jäger - Kraven
 
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Adriana

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Sooo, mein Versuch einer Story zum Vampir-Thema :-)



Apophis` Ende

Er fühlte sich stark. Übermächtig. Attraktiv.
Und er war es auch.
Genießend stand er im Mondlicht, überwältigt von sich selbst.
Das Blut pulsierte mit voller Kraft durch seinen Körper.
Sein Blut. Ihr Blut. Und das von noch vielen, vielen mehr.
Verachtend schaute er auf sie herab.
Mein Gott, war sie einfach gewesen. Er hatte ihr in der Disco noch nicht mal einen Drink spendieren müssen.
Zum Glück. Wer trank denn freiwillig sowas süßes wie Bier? Oder gar ... WEIN?!
Nein, es war nicht nötig gewesen.
Er hatte sie auf der Tanzfläche kurz angelächelt mit seinem schiefen Grinsen. Er wusste, sie stand darauf. Seine Augen waren kalt. Und wild. Die Frauen lagen ihm zu Füßen.
Ein Tanz lang bewusstes ignorieren, bis sie plötzlich wie zufällig neben ihm stand.
Zwei Tänze später stolperte sie neben ihm nach draußen.

Er lachte hämisch und zuckte mit den Schultern. Ihr Fehler.
Ohne Eile wandte er sich ab und lief zurück zur Straße.
Aus der Disco schallte ihm Musik entgegen, schlechter Techno. Nächstes Mal vielleicht doch wieder zur Gothic Bar. Zwischen all den Leuten, die probierten zu sein wie er, fühlte er sich noch überlegener. Diese Idioten. Als ob schwarze Klamotten und ein paar Nieten ausreichend wären, um ein Kind der Nacht zu werden.

Sein gelber Regenmantel wehte im Herbstwind, als er an den Türstehern vorbei wieder nach drinnen lief.
Die Energie pulsierte immer noch durch seinen Körper, er ließ alles raus in der Mitte der Tanzfläche.
Er sah, wie er angestarrt wurde. Alle sahen ihn an. Er stach wie ein Gott aus ihrer Masse heraus. Ihm huschte wieder ein Grinsen übers Gesicht. Er war Gott.

Wie magisch öffnete sich ihm ein Weg durch die Menge, als er eine Stunde später genug hatte.
Er sah niemanden an, als er bedächtig hindurch schritt. Ehrfürchtiges Schweigen umfing ihn, bis er das Ende der Tanzfläche erreicht hatte, die Musik wieder zu den Leuten durchdrang und sich das übliche Getümmel zurückbildete.
Morgen würden sie sich nicht mal mehr an sein Gesicht erinnern können. Aber sie würden ihn niemals vergessen.

Die Nacht draußen war noch lang. Gut.
Er schlenderte ziellos in eine Richtung, noch am überlegen, wohin als nächstes.
Plötzlich grelles Licht auf sein Gesicht, er riss die Arme vor die Augen.
„Stop, stehen bleiben!“.Was war denn jetzt los?
„Polizeikontrolle. Wo kommen Sie denn gerade her?“
Völlig verständnislos blickte er sie an und nickte dann mit dem Kopf hinter sich.
Die Stimme erklang wieder: „Können Sie sich ausweisen?“ Natürlich nicht. Er könnte ihnen seine Todesanzeige überreichen, die er vor einigen Jahren in einer Zeitung gefunden hatte.
Er schwieg und versuchte weiter durch das grelle Licht hindurch jemanden zu erkennen. Es waren nur ein paar schwarze Umrisse zu erkennen. Ungefähr fünf. Wenigstens die Lampe könnten sie endlich runter nehmen.
„Sagen Sie mal, können Sie nicht antworten? Haben Sie was getrunken?“
Ohja, das hatte er. Aber nicht, was sie dachten. Beim Gedanken daran fühlte er das Blut wieder so stark pulsieren wie vor einer Stunde noch und huschte ihm das hämische Grinsen wieder übers Gesicht.
Er fand endlich seine Stimme wieder: „Können SIE sich überhaupt ausweisen?“
„Jetzt wird er auch noch frech. Komm Hans, mach bei dem mal `nen Alkoholtest.“

„Was wollen Sie eigentlich von mir?“ wehrte er sich. „Sie werden doch wohl wissen, dass hier in den letzten drei Monaten gleich siebzehn Frauen getöten wurden? Uns wurde berichtet, man hätte fast jeden Abend Einen mit einer lächerlichen Regenjacke gesehen.“
Er fühlte, wie das Grinsen in seinem Gesicht fest fror. Das war nicht möglich. Absolut undenkbar.
Niemand konnte sich an ihn erinnern. Niemand kannte sein Gesicht. Oder seinen Regenmantel.
Niemand, außer .. ein Anderer.
Ein Neuer. Ihm war niemand aufgefallen, er war allein hier in seinem Revier. Oder doch nicht? Konnte ER so blind gewesen sein?
Außer jemand aus seinem Clan hätte ihn verraten. Aber das hätte doch keinen Sinn .. das machte alles keinen Sinn.

„Na, jetzt pusten Sie mal hier rein“, wurden seine Gedankengänge unsanft gestört.
Verdammt, pusten. Is‘ klar.
Verstohlen blickte er sich um. Außer dem, der die Lampe immer noch in seine Augen hielt, hatten sich die anderen Polizisten in einem Kreis um ihn gestellt. Wegrennen fiel damit weg.
„Herrje, machen Sie endlich! Hier vorne rein blasen. So schwer ist das doch nicht?!“
Wenn der nur wüsste.
Rasendschnell ging er seine Optionen durch. Alle fünf Polizisten umlegen, schaffte nicht mal er. Er könnte fliegen, aber sogar die dämlichsten Polizisten würden in dem Fall merken, dass sie es nicht mit einem Menschen zu tun hatten. Da hätte er innerhalb von 5 Sekunden seinen Clanführer am Hals. Wörtlich.
Das war doch alles zum kotzen.
Als ihm das Atemalkoholgerät unsanft in den Mund gerammt wurde, rammte er seinem Gegenüber das Knie in eine Region, wo dies noch unsanfter ist, schubste den zusammenklappenden Mann zur Seite und rannte so schnell er konnte. So schnell, wie es noch menschlich wirkte. Hinter sich hörte er Schüsse.
Er schrie auf, als ihm eine Kugel an der Schulter traf. Egal, weiter, nur um die nächste Hausecke rum.
Hier gab es keine Straßenlaternen mehr, die Polizisten waren etwas auf Abstand. Er stieg auf in die Luft und war im nächsten Moment verschwunden.

Im Dunkeln kauerte er in der Ecke eines alten Fabrikgebäudes. Den Regenmantel hatte er ein paar Häuserblocks weiter weg in einen Mülleimer gesteckt und verbrannt. Angeekelt bemerkte er, dass der Geruch von Rauch noch immer an ihm hing.
Immerhin waren die Polizisten ihm nicht mehr weiter gefolgt.

Erstmal einen neuen Mantel, dass sollte ihn wieder unkenntlich machen.
Vorsichtig steckte er seinen Kopf aus der Scheunentür, niemand zu sehen. Zwei Straßen weiter gab es einen SecondHand-Laden, der noch nie gut gesichert war. Schnell huschte er hinüber. Ein bisschen am Schloss herumspielen, schon war er drin.

Puh, wie das stank. Offenbar hatte jemand versucht den Muff von alten Kleidern mit einem noch älteren Parfüm zu überdecken. Egal. Er hatte nicht wirklich eine Wahl.
Die Auswahl war auch schonmal besser gewesen, aber nach einer Weile suchen fand er ganz hinten in einer Kiste einen neuen Regenmantel. Diesmal in grün.
Er steckte noch schnell ein Verbandsset ein für seinen Arm, dann war sein kleiner Einkauf erledigt.
Leise schlich er sich zur Tür und schloss diese hinter sich. Außer einem leisen „Klick“ war nichts zu hören gewesen.

„Na, und du denkst, das hilft?“ gefolgt van einem hämischen Lachen, ertönte von hinten. Er fuhr herum und sah sich einer großen Frau gegebenüber. Schwarze Stiefel, kurzer Rock, schwarze Lederjacke und langes, blaues Haar. Sie hätte glatt der Gothicbar entlaufen sein können, doch ihre leicht gelblichen Pupillen verrieten ihre wahre Identität.
„Ach, hab ich dich erschreckt?“ fuhr sie fort, noch genauso hämisch. „Das tut mir jetzt aber sehr leid.“ - „Was willst du?“ rang er hervor.
„Ich will, dass du verschwindest. Ich mag dieses Gebiet hier und du bist mir im Weg.
Ist nicht ohnehin die Polizei hinter dir her? Besser du suchst das Weite. Übrigens: dieses grün steht dir noch schlechter als das gelb.“
Damit drehte sie sich um und lief davon. Er rannte ihr instinktiv nach und wollte sie festhalten. Mit einer gezielten Armbewegung schleuderte sie ihn gegen die nächste Wand.
Sie war stark. Deutlich stärker als er.

Diese Nacht wurde richtig ungemütlich. Dennoch rappelte er sich auf und sprang ihr nochmal in den Weg. Diesmal war er auf einen Schlag vorbereitet und wich rechtzeitig aus.
„Du .... DU ... was fällt dir eigentlich ein? Und woher kommst du?“ – „Das geht dich einen Scheißdreck an und jetzt lass mich und hau ab“ zischte sie.
„Ooooh, hat sich da jemand im Clan unbeliebt gemacht? Oder hat dich dein Liebster verlassen und kannst du den Schmerz nicht mehr ertragen in seiner Nähe zu sein?“ Noch bevor er richtig realisierte was geschah, klebte er wieder an der Wand, ihre Hand an seiner Kehle. Von so nah dran, sah er erst, wie sexy sie war. Nur leider nicht sonderlich sympathisch.
„Hör zu, Freundchen. Entweder, du ziehst Leine oder du ziehst nirgendswo mehr hin. Haben wir uns verstanden?“
Ihren Augen sah er an, dass sie es ernst meinte. Aber er sah noch mehr. Einsamkeit. Und Durst.
Ein Versuch wäre es wert ...

„Hör mal. Wie wäre es, wenn wir uns erstmal kennen lernen. Wir gehen zu mir, ich lad dich auf ne Konserve ein, du erzählst mir von deinem dämlichen Lover ..“ Der Griff um seinen Hals wurde fester. „Ok, du brauchst nichts erzählen und nur die Konserve?“
„Nenn mir einen Grund, warum ich mich mit dir einlassen sollte. Du bist klein, schwächer und siehst zudem nicht mal gut aus.“ Er. Hässlich?! Was ging denn mit der?
„Die Frauen liegen mir zu Füßen!“ protestierte er. „Pah, Menschenfrauen“ erklang es verächtlich von ihr. Wann hattest du das letzte Mal Erfolg bei einer richtigen Frau?“ Kleinlaut gab er zu: „Bisschen her ... aber nur weil ich es einfach nicht versucht habe. Wenn ich wollen würde ..“ – „Jaja, träum weiter.“ – „Ich kenn die komplette Gegend! Alle Unterschlüpfe, alle guten Bars, alle Türsteher, alle .. Supermärkte ..“ – Sie schien kurz nachzudenken, ihr Griff lockerte sich. „Ok, ich komm mit. Aber nur auf eine Konserve. Du sagst mir alles, was ich wissen muss, danach überleg ich mir, was mit dir passiert.“

Nicht viel besser, aber ein Anfang.
Die Straßen lagen ruhig, von Polizei war nichts mehr zu sehen oder zu hören. Nach nur wenigen Minuten laufen kamen sie bei seiner Behausung an, ein kleiner Kellerraum, nicht zu sehen von der Straße, keine Fenster.
Er lief zum Kühlschrank um ihr einen Drink zu holen. „Nettes Loch hast du hier. Passt zu dir.“ erklang von ihr. Genervt sah er sie an. „Willst du jetzt was zu trinken oder nicht? Du kannst auch gehen, aber dann kannst du auch die Infos vergessen.“ Sie schmollte kurz, sagte aber nichts mehr. Er spürte, wie er langsam die Macht zurück bekam. Über sich selbst, aber auch vor ihr. Sie brauchte ihn, auch wenn sie das nie zugeben würde.
Wortlos hielt er ihr ein Glas hin, was sie ebenso wortlos entgegen nahm.
Eine Weile saßen sie sich schweigend gegenüber.

„Also, was muss ich hier alles wissen?“ frage sie irgendwann.
„Moment. Bevor ich dir irgendwas sage: warum? Es war doch wirklich nicht nötig, mich bei der Polizei anzuschwärzen, sodass sie mich erkennen können?“
Sie grinste. „Stimmt, ich könnte dich ohne weiteres auch so aus dem Weg schaffen. Was ich auch tun werde, wenn du nicht bald mit Infos raus rückst. Aber es hat einfach viel zu viel Spaß gemacht, dir zuzusehen, wie du Stückchen für Stückchen deinen Stolz verloren hast. Für jemanden wie dich bist du nämlich verdammt arrogant.“ – „Wie lange beobachtest du mich schon?“ – „Och, ein paar Tage bloß, das hat gereicht. Und jetzt zur Sache.“
„Langsam, meine Liebe“. Ihre Augen verengten sich, ihr Arm zuckte wieder leicht. Mit der musste man ja ganz schön auf der Hut sein. „Können wir uns dieses Gebiet nicht teilen?“ -
„Teilen, mit dir?! Da werd ich ja ausgelacht. Geh du dir gefälligst jemand suchen, der dich aufnehmen will.“ – „Boah. Wer ist denn jetzt zu arrogant für sein Äußeres?“ Rums. Schon landete ihre Faust zum wiederholten Male in seinem Gesicht. Wenn das so weiter ging, gewöhnte er sich noch daran.

„Also, so läuft das nicht.“ begann er dennoch. „Keine Infos ohne einen Vorteil für mich. Wir machen gemeinsame Sache. Das Gebiet ist groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen. Ich zeig dir die wichtigsten Orte, im Gegensatz dazu lässt du mich in Ruhe und hälst mir in Zukunft gefälligst die Polizei vom Hals. Wenn nicht ... ICH habe immerhin noch einen Clan. Du bist stärker als ich, aber nicht stärker als mein Clan und ich zusammen.“ Beim Wort Clan merkte er, wie sie den Blick sank, er hatte wohl den wunden Punkt getroffen.
Eine Weile war es still, sie überlegte. „Deal.“, sagte sie schließlich. „Morgen um 22:00 beim SecondHand-Laden, du zeigst mir alles, danach gehst du mir gefälligst aus dem Weg“.
„Deal“ erwiderte er. Noch keine Sekunde später war sie aus der Tür verschwunden.

Trotz der Schmerzen in seinem Gesicht, musste er grinsen. Was für ne Frau.
Ein Blick auf die Uhr. Für die Gothicbar würde es noch reichen. Und er brauchte nach diesem Erlebnis definitiv einen Drink. Einen frischen.
Er griff instinktiv nach seinem Mantel und wollte schon gehen. An der Tür hielt er inne, musterte seinen Mantel und warf ihn nach einigen Zögern zurück in die Wohnung. Sah er damit wirklich so dämlich aus? Verdammt.
 

Mantis

Heilende Hände
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Der Letzte

Wir schreiben das Jahr 4353. Der achte Weltkrieg liegt seit einigen Jahren hinter uns und hat die Erde – wieder einmal – zerstört zurückgelassen. Pannationale Geoingenieure sind sich einig: der Planet ist nicht mehr zu retten.
Die Historischen Ölkatastrophen von 2040 und 45 waren ein Kinderspiel dagegen, und auch die Große Dürre von 3122, die die Weltmeere zu einigen Kubikmetern matschiger Flüssigkeit reduzierte, konnten wir überwinden, doch letztlich hat sich bewahrheitet, wovor die Hippies uns schon seit der grauen Vorzeit gewarnt haben. Seit 4500 nahezu alle Weltmächte die atomaren Sprengköpfe aufeinander richteten und niemand vernünftig genug war, um ihnen Einhalt zu gebieten, leben wir in einer postnuklearen Wüste.
Gut, das stimmt nicht. Einige von uns wohnen darunter, und viele Erdenbewohner sind schon auf die außererdlichen Kolonien umgesiedelt. Dort ist das Leben nicht unbedingt besser als hier, doch es ist immerhin ein Leben – mehr, als man bald von diesem Ort behaupten kann.
Doch vielleicht sollte ich nichts von Dingen schreiben, von denen ich nichts verstehe... schließlich liegt mein eigenes Leben schon ein paar Jahrhunderte in der Vergangenheit. Als ich noch atmete, gab es noch Meere, auch wenn die Wesen darin schon lange zu vielarmigen, schleimiggrauen Kreaturen mutiert waren, von denen nicht wenige im Dunkeln leuchteten. Wie übrigens viele der Menschen auch – und ich muss sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie meine Vorfahren in der grauen Vorzeit ohne diese durchaus praktische Sichthilfe jagen konnten.

Doch ich schweife ab.

Wir schreiben das Jahr 4353, und während ich diese Zeilen im iDict8 aufnehme, besteigen die letzten Menschen die letzten Shuttles zum Mars.
Die Temperatur im Erdkern ist schon lange über dem kritischen Level, und selbsternannte wie tatsächliche Experten sind sich sicher, dass es nur noch eine Frage von Tagen sein kann, bis hier alles in die Luft fliegt.
Wir sind nur noch wenige. Viele haben den Flug doch riskiert, trotz der Warnungen der Ältesten vor der allgegenwärtigen Sonneneinstrahlung. Wir haben nie wieder etwas von ihnen gehört, und die Optimistischen unter uns halten das für ein gutes Zeichen. Vielleicht werden die Urenkel von Cain ja auf dem Mars eine neue Parallelgesellschaft aufbauen können, wie wir sie schon seit Jahrtausenden auf der Erde hatten.
Vielleicht sind sie auch alle qualvoll verbrannt, noch bevor sie die Stratosphäre erreicht hatten.
Wir werden es wohl nie erfahren.

Ich für meinen Teil habe meinen Frieden mit dem nahenden Ende geschlossen, und während ich hier auf dem höchsten Punkt Panamerikas auf den Sonnenaufgang warte, in einer Hand den iDict8, in der anderen die letzte Packung HemoSynth 0-negativ, weiß ich, dass ich wenigstens mit Stil von dieser Welt gehen werde.
Denn welcher Vampir, der etwas auf sich hält, würde freiwillig einen Raumanzug anziehen?
 

Timestop

Running out of Time
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Twilight Zone

Er biss herzhaft zu und trank genüsslich, bis sein Opfer ausgesaugt war. Dann seufzte er glücklich. Er fühlte sich stärker, mächtiger, spürte aber auch den Verlust für das Universum und so blieb ihm letztendlich nur eine absurde Mischung von Reue und ein wohliges, warmes Gefühl. Er dachte an seine letzte wahre Liebe, diese .... wie war ihr Name … Venus.
Er war damals lange gereist, rauschte am stinkenden Außenseiter der Gruppe vorbei und war sofort auf ihre Rundungen geflogen.
Er hatte ein paar gewaltige Felsbrocken weggestoßen die auf sie zugestürzt waren, was sie mächtig beeindruckt hatte. Er, die Anomalie und sie, der helle Abendstern. Sie hatten sich schüchtern zugeflüstert, beobachtet und sie war seinem bleichem Teint schnell verfallen.
„Du glitzerst und bist so heiß, so anders“, hatte sie immer wieder fasziniert wiederholt, als er auf seiner Runde vorbeigekommen war um sie zu besuchen.
Als er hungrig wurde, kam er an sie herangeschlichen und schnüffelte an ihr.
„Liebst du mich?“, hatte sie geflüstert.
„Ja. Ich werde dich ewig lieben. Ich will dich in mir spüren.“
Das hatte sie etwas überrascht, als er sich über sie hermachte und sie aufsaugte, gerade als der Mond einen Schatten warf, der alles magisch verdeckte.
Der Rückweg war verdammt weit, aber das war es wert gewesen. Allein um die einzigartige, blaue Kugel zu sehen.

Er drehte sich im Rhythmus und schaute sich um.
Nichts zu sehen. Er war alleine im Weltraum.
„Hallo!!!!?“, rief er über Lichtjahre hinweg.
Aber niemand hörte ihn schreien.
Er war allein.
Kevin, der letzte Vampirstern der Milchstraße.
 
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Lisra

Schmusekater
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Der letzte Satz ist einer der grässlichsten die ich hier je gelesen hab'. :D:up:
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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@Adriana

Für einen Versuch gar nicht so schlecht. Der Tonwechsel ist ganz unterhaltsam und auch wenn man etwas das Gefühl hat, dass die Story nicht ganz weiß wohin mit ihr ( ;) ) liest sich alles recht flüssig und unterhaltsam. Wie gesagt, nicht übel für einen ersten Versuch:):up:.


@Mantis

8ter Weltkrieg? Jungejunge, da haben sich ja die Menschen doch länger gehalten, als gedacht:D.

Ein schöner, kurzer Text, der angemessen die Situation zu vermitteln weiß und mit Stil das Ende einer Ära einläutet (und sich vielleicht auch etwas über eine kleine Idee lustig macht:D). Kurz, knackig, gut.


@Timestop

Kennt einer "Ego the living Planet" von Marvel^^?

An den musste ich denken, als ich deine Version von "Vampire im Weltraum" las. Lustig, kurz, bissig (omnomnomnom), mehr kann man dazu nicht sagen. Na ja gut, ich könnte noch die ganzen merkwürdigen Gedanken, die mir bei der Lektüre kamen, ausführlich hier darlegen, aber das lass ich lieber und nehme mir stattdessen vor den zukünftigen Platz für weitere Texte zu verschwenden;).

Schönes Ding, wirklich:).
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Ein kleiner Nachtrag von mir, da ich mich inspiriert fühlte und den Post hoffentlich stehen lassen kann;):D.

Gottesdiener

,,Oh Herr, großer Vater im Himmel, Vater des Sohnes, heiliger Geist, bitte erhöre deinen Diener, der in finsterster Nacht seine Worte an dich richtet.
Ich wollte mich für dein Geschenk bedanken, oh großer Herr im Himmel. Wie närrisch ich doch war, es zunächst für einen Fluch zu halten und jemals zu glauben, dass du mich verlassen haben könntest.
Dabei warst du immer bei mir, von Anfang an, nicht wahr?
Ah, wie gut erinnere ich mich doch daran, wie alles begann.
Der schwarze Tod, dein vom Himmel gesandter Diener, der die Menschen für ihre Sünden strafen sollte, fegte über die Länder und verschonte niemanden, waren sie in deinen Augen in ihrer Sündhaftigkeit doch alle gleich. Doch nicht nur die Sünder, auch die Frommen wurden von den schwarzen Beulen dahingerafft.
Die Menschen blickten zum Himmel und fragten mit erhobenen Händen laut „Warum?“, verstanden nicht, dass du sie prüfen wolltest, dass dies nur eine weitere Hürde auf den Weg zu wahrer Glückseligkeit in diesem düsteren Jammertal auf Erden war.
Sie verstanden nicht und vergingen daher mit Verzweiflung in ihren Herzen. Auch ich gehörte dazu, Herr, schreiend wie ein schwaches Weib, um deine Gnade flehend, die du mir nicht gewährtest.
Und warum solltest du auch, hattest du doch viel größeres mit deinem bescheidenen Diener im Sinn.

Wie eng es doch in jenem Massengrab war, in dem ich erwachte, umgeben von einem Meer aus totem Fleisch, aus dem ich langsam nach oben entstieg. Ich schlug nach rechts und nach links, schnappte verzweifelt nach Luft, schmeckte Erde und Würmer, zog, schob, schrie wie ein abgestochenes Schwein, bis meine Hände endlich den Weg zur Oberfläche freigemacht hatten.
Dort oben angekommen spie ich alle Erde zunächst aus und erlitt Schmerzen wie der Heiland selbst, als sich mein Körper seiner Verwandlung unterzog. Die überall auf meinem Körper verteilten schwarzen Beulen platzten alle gleichzeitig auf, der Eiter floss zäh an mir hinab und der Schmerz war unbegreiflich, während nur der Vollmond den finsteren Nachthimmel erhellte.
In tiefster Agonie, nur die Leiden des Heilands werden wohl größer gewesen sein, schrie ich auf, flehte dich an, es doch bitte endlich enden zu lassen, mich wieder in das finstere Reich der Vorhölle zurückzusenden. Doch auch ein weiteres Mal ließest du dich nicht zur Umkehr bewegen, Herr, denn dir zu dienen heißt zu leiden, um den wahren Wert deiner unendlichen Güte ermessen zu können.

So also geschah es, dass ich neu geformt, neu geboren wurde und bald schon schlossen sich die aufgeplatzten Wunden und wurden zu gewaltigen Narben, die ich heute mit Stolz, damals mit Schande trug. Die Anstrengungen meiner Verwandlung hatten mich sehr erschöpft und ich war zunächst noch orientierungslos. Dann erwachten meine natürlichen Instinkte und rieten mir ein Versteck für die restliche Nacht zu suchen. Noch zu geschwächt von dem Prozess der Verwandlung, tat ich wie mir befohlen, ohne groß nachzudenken und verbarg mich in einem dunklen Loch, unterhalb eines großen Steins. Dort fiel ich in einen traumlosen Schlaf, der gleiche, den ich seitdem habe und als die Nacht hereinbrach, begab ich mich zum ersten Mal auf die Jagd.
Wie ein Tier kroch ich auf allen Vieren am Boden, die Kordel meiner Mönchskutte durch den Dreck ziehend, erfüllt von einer Gier die mir noch so fremd war, jedoch mein ganzes Wesen ausfüllte.
Ich spürte weder Kälte noch Wärme, mein eigenes Fleisch war bar jeglichen Gefühls, mein eigener Herzschlag nichts weiter als eine dumpfe Erinnerung. Aber den Hunger, ja, wie ich schon sagte, der Hunger war allgegenwärtig und dominierte alle Teile meiner selbst.
Schließlich fand ich, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu wissen, meine erste Beute: einen Hasen, der nervös die Ohren spitzte und angespannt in die Nacht hinein lauschte.

Ich ließ meine Instinkte mein Handeln führen, rannte einfach drauflos, den Mund weit aufgerissen, die Augen nur auf das Ziel gerichtet. Der Hase hoppelte davon, schlug Haken, war so schnell wie es ihm seine gewaltigen Beine erlaubten, doch am Ende war er mir, seinem Jäger, unterlegen.
Nie werde ich vergessen, wie köstlich sein Blut schmeckte, welch Euphorie sich meiner bei diesem ersten, glorreichen Mahle bemächtigte, wie erhaben es sich doch anfühlte, meine Zähnen in seinen Nacken zu bohren.
Es war, als wäre ich den Himmelsreich so nah wie noch nie.
Nie wieder sollte sich dieses Erlebnis wiederholen, obgleich der rote Nektar noch unzählige Male meine Kehle hinunterlaufen sollte.

Von da an schlich ich jede Nacht umher, war eine Bestie unter dummen Tieren und gab mich mit dem, was ich hatte, genügsam zufrieden. Niederer als die niederste Kreatur auf Erden verlebte ich mein Dasein, bis dein Wirken mich an meine eigentliche Aufgabe heranführte. In dieser Nacht fand ich kein Tier, weder Reh noch Hase, weder Wolf noch Fuchs und der Hunger verzehrte mich, trieb mich beinahe in den Wahnsinn. Dann erblickte ich von weitem ein kleines Licht, dem ich mich von Neugierde getrieben näherte. Es war ein kleines Lagerfeuer, an dem eine einsame Gestalt saß und sich die Hände wärmte. War es ein Krämer, ein Scharlatan, ein entflohener Sträfling oder ein Minnesänger in jener Nacht? Ich weiß es nicht mehr, wichtig ist nur, dass ich mich auf die Gestalt stürzte und ihr bis zum letzten Tropfen das Blut aussaugte. Wie sehr war ich doch von Schuld erfüllt, als ich gewahr wurde, dass durch meine Gier ein Menschenleben ausgelöscht worden war! Ich hatte eines deiner obersten Gebote gebrochen, die Schuld, die ich in meinem Innern fühlte, wog unermesslich auf meinen Schultern. Auf Knien die Hände zum Himmel erhoben flehte ich dich um Vergebung an, zum ersten Mal seit langem meiner wieder wirklich bewusst und wieder erhielt ich keine Antwort von dir, denn selbstverständlich hattest du es bereits vorausgesehen und akzeptiert. Von da an waren die Tiere nicht mehr in der Lage meinen Durst zu stillen, war das Blut des armen Menschen doch tausend Mal süßer, als das jeder Bestie und so trieb mich der düstere Hunger wieder in die Nähe der Städte.

Zwischen den dunklen Gassen und leeren Häuserruinen innerhalb der Stadtmauern fand ich meine neue Zuflucht, um erneut nach Einbruch der Nach wieder auf die Jagd zu gehen. Zunächst hielt ich mich von den guten Christenmenschen fern, hielt ich meine neue Existenz doch immer noch für einen Fluch. Stattdessen waren es die Ungläubigen, die Huren, die Gaukler und die Aussätzigen an denen ich mich labte, um zu überleben. Wie sehr ich mich doch dafür hasste. Wie groß doch meine Zweifel waren, welch große Schmerzen es mir doch bereitete, als eine Kreatur der Nacht, deinem strahlenden Lichte fern, umherzustreifen. Ich fragte mich, welche Sünden ich begangen haben musste, um von dir so gestraft zu werden. Hatte ich nicht das gesamte Vermögen meiner Familie hergegeben, um mich dem Dienst an dir zu verschreiben?
War ich nicht immer treu deinen Geboten gefolgt?
Erfüllten mich deine heiligen Worte nicht immer all auf meinen Wegen?
Und versuchte ich trotz meiner dunklen Neigungen nicht weiterhin daran, dir so gut zu dienen, wie es mir in meinem derzeitigen Zustand möglich war?
Ist es nicht wahr, dass du allmächtig und allwissend bist und nichts auf Erden und ohne dein Wirken geschieht?
Stimmt es nicht, dass alles, was du tust, einen Zweck zu erfüllen hat, um uns schwache Kreaturen des Fleisches wieder auf den rechten Pfad deiner transzendenten Herrlichkeit zurückzuführen?

All diese Gedanken erfüllten mein Wesen und schon bald kamen mir andere Gedanken, die etwas Licht ins Dunkel brachten. Und nach vielen dunklen Stunden des Nachdenkens, verstand ich endlich, oh Herr, endlich wurde mir gewahr, was du damit bezwecktest.
So wie meine Glaubensstärke und Willenskraft gefordert wurden, so sollte nun auch ich, als dein Engel der Finsternis, deine Prüfung an die anderen Sterblichen herantragen. An diejenigen, die stark im Glauben sind, die deren Tugend so groß ist, dass sie über alle Ländergrenzen hinweg gelobt werden. Denn wenn uns auch der Glaube Schwert und Schild zugleich sein mag, so gibt es doch immer wieder größere Hürden, die es zu überwinden gilt, um das ewige Seelenheil zu erfahren.

Oh Herr, wie erfreut ich doch darüber bin, dass du mich, den niedrigsten unter all deinen Dienern, dazu auserwählt hast, als der personifizierte schwarze Tod durch die Lande zu reisen, um Menschen von nah und fern zu prüfen! Wie glücklich es mich doch macht, das Werkzeug deiner väterlichen Strenge zu sein, wie schön es doch ist, dass du dir weiterhin um die Standhaftigkeit deiner Kinder Gedanken machst und nicht müde wirst, uns auf so mannigfaltige Art und Weise zu prüfen!
Ich werde dich nicht enttäuschen.

Noch heute werde ich meiner Pflicht nachkommen und ein Nonnenkloster in der Nähe aufsuchen. Die Frauen dort werden deine prüfende Berührung zu spüren bekommen und von da an wird es an ihnen liegen, auch weiterhin auf deinen Pfaden zu wandeln.
So unbescheiden es auch klingen mag, ich kann es kaum erwarten, als dein Werkzeug deinen Willen zu vollziehen, dein treuer Diener immerdar.
In deinen Namen, dem deines Sohnes und des großen Geistes der du bist.

Amen.
 

Alvadea

Schattenläuferin
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Ist zwar schon zwei Jahre her, aber ich will noch mal sagen, dass ich deinen Text echt gelungen finde, Zelon. Du schreibst sehr anschaulich, besonders seinen Aufstieg aus dem Grab und die Verwandlung hab ich sehr gefeiert. Schön ekelig. xD
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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@Alvadea

Dankeschön. Sowas ist immer schön zu lesen:).
 

Kraven

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Ich habe nichts zu dem Thema zu sagen, was nicht bereits gesagt worden wäre.
Aber ich wollte mal wieder was schreiben, und hier lief gerade Short Change Hero in einer Schleife... :D

Jäger

Diese Art von Arbeit ist nichts für die zart besaiteten.
Noch ist es diese Art von Existenz, was die Sache vereinfacht. Im weitesten Sinne.

Für lange Zeit – die längste, wirklich – wurden wir als Monster dargestellt. Das Ungetüm im Dunkeln, das kleine Kinder aus der Krippe klaut. Eine Bestie, die die Nacht durchzieht, nichts zurücklassend außer totem Fleisch und dem Geruch von Blut.

Doch wie jede Art von Geschichte, die man Menschen in die Hand drückt, veränderte sich auch unsere schließlich. Wenn man sich Dracula durchliest, vor allem die zweite Hälfte, dann sind die Spuren bereits zu erkennen: die von unterdrückter Sexualität, dem Blut als Symbol der Erotik und Fruchtbarkeit, der tierische Trieb, der in uns schlummert und nur von einer schmalen Grenze aus Zivilisation zurückgehalten wird.

Wir waren auf einmal sexy.

Es ist ernüchternd, wirklich. Unsere Vorfahren, so beengt in ihrem Horizont sie auch gewesen sein mochten, hatten einen ganz gewissen Instinkt in Bezug auf Raubtiere.
Du versuchst nicht, sie zu verstehen. Du erlegst sie, damit du und die deinen in Ruhe schlafen können.
Heutzutage betrachten wir das Raubtier als missverstanden, und wenn wir nur sanft genug zu ihm sind, wird es sich ändern.
Sagte das Schaf und legte sich zum Wolf.

Die Sache ist die: wenn man dann eines nachts daliegt, mit geöffneter Kehle, und spürt, wie das Blut und das Leben aus einem rinnen, und dann beugt sich diese große, dunkle Gestalt über einen und macht einem ein Angebot... das Angebot, weiterzuleben, oder zumindest nah genug dran. Und man lebt nicht nur weiter, sondern wird eingeführt in diese neue, aufregende Welt, die man vorher nicht kannte. Man hat Superkräfte. Man ist auf einmal ganz oben in der Nahrungskette.

Und alles, was man dafür tun muss, ist, ab und zu jemanden umzubringen.

Natürlich ist das nicht zwangsläufig. Natürlich nicht. Der Tod ist keine Notwendigkeit, denn man kann sich in Selbstdisziplin üben. Nur nippen, nie einen gewissen Punkt überschreiten. Oder man gründet eine Bande und überfällt Krankenhäuser auf der Suche nach Blutkonserven, oder schmiert jemanden, der dort arbeitet. Natürlich.
Kleine, wunderschöne Lügen, die wir uns selbst erzählen, obwohl wir bereits zu diesem Zeitpunkt den Hunger spüren, der sich für solche Feinheiten nicht ansatzweise interessiert. Du weißt es bereits in diesem Moment, egal, was du dir selbst vorlügen magst. Du weißt: eines Tages wirst du die Kontrolle verlieren und jemanden umbringen.

Es braucht eine sehr spezielle Sorte Mensch, um zu so einem Angebot Ja zu sagen.
Es braucht eine noch viel speziellere Sorte, um nach den ersten drei Monaten und damit mit ziemlicher Sicherheit dem ersten Opfer immer noch da zu sein.

Nach meinem ersten, einem Junky irgendwo in Brooklyn, der sich für zwanzig Dollar in eine dunkle Gasse hat führen lassen, wäre es die einzig anständige Wahl gewesen, mir am folgenden Morgen den Sonnenaufgang anzuschauen.
Aber ich bin immer noch hier.

Es ist schwer, die Leute zu verurteilen, die ich jage. Die Unantastbarkeit der menschlichen Würde geht als erstes aus dem Fenster, wenn der Hunger zum ersten Mal richtig erwacht. Irgendwann sehe ich keine einzigartige Schneeflocke mehr vor mir, voller Träume und Hoffnungen und Leistungen. Ich sehe nicht einmal schön und hässlich, blond, rot oder braun.
Ich sehe Fleisch, und nach einer Weile klingt jede Form von moralischer Debatte viel zu schnell nach einer Frage um artgerechte Schlachtung. Man fühlt sich danach vielleicht besser, aber es ändert nicht das geringste am Endergebnis.

Wenn ich den unartigen Kindern der Nacht also ab und zu einen Besuch abstatte, dann hat das keine ethischen Gründe. Wenn sich einer dieser anämischen Soziopathen nach einigen Jahren der Einsamkeit und der ewigen Dunkelheit langweilt und anfängt, mit seinem Essen zu spielen – wer bin ich, darüber zu urteilen. Geht mich doch nichts an, was jemand in seinen eigenen vier Wänden so treibt.

Nur, dass das nicht stimmt. Sollten diese Spinner diese Form der Zerstreuung allen Ernstes in ihren eigenen vier Wänden abziehen, hätten wir da bereits das erste Problem. Früher oder später wird irgendjemand die Schreie hören oder den Geruch bemerken.

Regel Nummer eins. Du scheißt nicht dort, wo du isst.

Jedes Jahr verschwinden in den USA etwa neunhundert Tausend Leute ohne jede Spur. Gehen zur Tür raus und sind nie wieder gesehen. Bei einer Gesamtpopulation von dreihundert Millionen sind das einer von etwa 320 Menschen. Jedes Jahr.
Diese Zahl verrät uns zwei Dinge: Erstens, dass ein Großteil unserer Gemeinschaft es schafft, diskret zu sein. Zweitens, dass die Polizei in der Regel nicht allzu hart arbeitet, so lange sie keine Leiche gefunden hat.

Es ist nicht schwer. Du hältst den Unsinn fern von deinem Häuserblock, und immer in Gegenden, wo du den Körper später ohne größere Umstände entsorgen kannst. Keine Leiche, keine Aufmerksamkeit.

Und solltest du das versauen, solltest du allen Ernstes Aufmerksamkeit auf dich ziehen, werde ich an deine Tür klopfen.

Es ist noch nicht alles verloren, wenn die Polizei dann irgendwann diese Lagerhalle voller Körperteile findet, mit Blut an den Wänden und Kaffeetischen, die mit Menschenhaut bespannt sind oder was auch immer diesen Monat gerade en vogue ist. Das war dann ein durchgeknallter Serienkiller auf PCP, eine Weile wird das ganze durch die Medien gejagt, und dann wird es wieder vergessen. Damit kommen wir klar.

Hässlich wird es in dem Moment, wo sie den Kerl dann allen Ernstes erwischen und in eine Zelle sperren. Durchgeknallte Serienkiller auf PCP explodieren nicht, wenn das Sonnenlicht auf sie scheint, egal, wie durchgeknallt sind. Diese Art von Vorkommnis bringt Menschen dazu, Fragen zu stellen, und hier sind wir endgültig in dem Bereich angelangt, wo es mich sehr wohl etwas angeht, was der Kerl in seiner Freizeit so anstellt. Wenn der Mob mit Fackeln und Mistgabeln erst mal vor der Tür steht, haben wir alle ein Problem.

Und darum stehe ich jetzt hier, vor diesem schicken Anwesen in den Hills, mit einem Schnappmesser, einem .45er Revolver und einer schweren Feuermannsaxt. Weil manche von uns einfach nicht wissen, wann Schluss ist.

Was gleich passieren wird, wird nicht schön anzusehen sein. Man tötet einen Vampir genauso, wie man alles andere auch tötet. Man braucht nur mehr davon.

Wenn man eines nachts mit geöffneter Kehle daliegt und dieses Angebot hört, braucht es eine sehr spezielle Sorte Mensch, um Ja zu sagen. Es braucht Jäger. Es braucht Killer.

Doch wer jagt die Jäger?

Ich. Ich bin der Schatten, vor dem sich die Bestie, die die Nacht durchzieht, fürchtet. Ich bin es, dessen Name von den Schrecken der Dunkelheit nur geflüstert wird. Wenn du lange genug in den Abgrund schaust, bin ich es, der zurück blickt.

Und wenn du dich nicht an die Regeln hältst, werde ich eine Botschaft senden, die von all deinen Freunden verstanden wird.

Diese Art von Arbeit ist nichts für die zart besaiteten.
 
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