@Armus Bergstein:
Trotzdem habe ich immer noch ein freundschaftliches Verhältnis zu diesen Leuten. (...) ich denke (trotzdem), dass das bedeutet, dass der Islam keine Religion ist, die mit unserer modernen Gesellschaft grundsätzlich inkompatibel wäre.
Klammern und Auslassungen von mir.
Nein, der Umstand, dass Du persönlich gut mit einigen "richtig" gläubigen Muslimen auskamst, ist in meinen Augen kein Beleg dafür, dass der Islam grundsätzlich mit unserer modernen Gesellschaft kompatibel ist. Wobei freilich "moderne Gesellschaft" erstmal definiert werden müßte.
Ich sehe es so: einen gewissen Anteil an Narren verträgt eine "gesunde", moderne, freiheitlich-wehrhafte Demokratie. Wenn Leute fünfmal am Tag ihre Verbeugungen machen und auf Alkohol, Tanzmusik und Schweinefleischkonsum verzichten, dann schadet das niemandem und ist das also auch völlig problemlos mit Demokratie und Freiheit. So, wie sich alle möglichen verqueren Ideen - von dem Glauben an Aliens und den unsterblichen Elvis bis hin zu esoterischem Glauben an Auren, Wassergedächtnis und so weiter und so fort - mit der modernen Gesellschaft vertragen. Das heißt: einzelne Gläubige (egal, welcher Irrationalität sie anhängen) sind nicht das Problem und im Grunde genommen haben alle Menschen - mich ausdrücklich mit eingeschlossen - ihre absurden Ecken, ihre ungerechtfertigten Vorstellungen und Vorurteile, die, konsequent zuende gedacht, nicht zu einem gedeihlichen Miteinander aller in der Demokratie passen würden.
Aus eben diesem Grunde sind Meinungs- und Glaubensfreiheit so unverzichtbar für die Demokratie. Was die Leute glauben, darf ihnen nicht vorgeschrieben werden, ein Religionsverbot (wie es manchen nicht zuende denkenden Atheisten vorschwebt) wäre das Ende dessen, was die freiheitliche Demokratie ausmacht, denn es hieße lediglich, dass die eine Instanz (Kirchen) durch die andere Instanz (Staat) ersetzt würde, mit dem Nachteil, dass der Staat ein einziger ist, während die Kirchen zumindest eine bestimmte Diversität anbieten - Stichwort Pluralismus.
Es kann nicht verboten werden, dass Leute sich irren. Krasser formuliert: Dummheit läßt sich nicht verbieten. Kein Mensch ist maximal intelligent, also ist kein Mensch vor Dummheit/Irrtümern/Fehlschlüssen gefeiht. Entsprechend ist auch kein Mensch maximal aufgeklärt.
Fokussiere ich auf den einzelnen Menschen, in diesem Fall also einen Deiner muslimischen Freunde - dann habe ich da jemanden, der, wie alle anderen Menschen seine intellektuellen Irrtümer verfolgt. Würde dieser einzelne Mensch deswegen nicht mit unserer modernen Gesellschaft kompatibel sein, dann würde kein Mensch mit der modernen Gesellschaft kompatibel sein. Und eine mit unperfekten Menschen inkompatible Gesellschaft wäre eine leere Menge.
Ich muß also, wenn ich politisch denke und argumentiere, vom Einzelfall absehen und die Tendenz betrachten. Insofern ja:
Mir ist natürlich klar, dass das jetzt nur Anekdoten sind
Du hast den Einwand wider Dein Argument schon selbst erkannt. Einzelne brave muslimische Staatsbürger sind nur "anekdotal evidence", die
nicht belegen, dass "der Islam" als Ideologie mit der freiheitlichen Demokratie kompatibel ist. Einzelne Muslime sind nicht der Islam.
Kompatibel mit der freiheitlichen Demokratie ist nur der marginalisierte Islam: Also Muslime, die
nicht über die Macht verfügen, die Maximen ihrer Ideologie zum allgemeinen Gesetz zu machen.
Wieder ziehe ich zur Verdeutlichung des Gedankens das Nazi-Beispiel heran. Seit Deutschland den Krieg verlor, hat es immer einen gewissen Anteil von Nazis gegeben in unserem Land. Bedeutet dies, dass der Nazi-Faschismus kompatibel sei mit unserer freiheitlichen Demokratie? Ich möchte sagen: nein. Dabei hat der Nazi-Faschismus - wie alle Ideologien - auch seine guten Seiten. Das Gemeinschaftsgefühl, die Heimatverbundenheit, das Arbeit- oder Gesundheitsideal... Während ich diese Begriffe aufzähle, kräuseln sich schon entsetzt meine Fußnägel, denn wie die meisten hier weiß ich, in welch perverse Richtung es einst lief, als nach der Machtergreifung die Nazis anfingen, diese Ideale "gründlich zu organisieren". (Meinen Lieblingswitz erzähle ich an dieser Stelle nicht noch einmal, wiewohl er gut passen würde
).
Es gibt heute und hier genügend Nazis, die brav ihre Steuern zahlen, die sich "nichts zuschulden kommen lassen". Dennoch ist die Tendenz ihrer Ideologie nicht mit der freiheitlichen Demokratie kompatibel.
(Nebenbemerkung: Mir ist bewußt, dass Nazi-Vergleiche von manchen als argumentativer Bankerott verstanden werden und dass ich es insofern denen, die meiner Argumentationskette nicht folgen wollen, sehr leicht mache, sie mit einem lauten "Godwin's law! You failed!" abzulehnen. Aber ich bevorzuge den deutlichen Vergleich. Ich hätte statt des Nazi-Faschismus auch den Stalinismus zum Vergleich nehmen können, aber hier in Deutschland sind dessen Implikationen nicht allen so bewußt als ganz klar negativ im Bewußtsein. Wer mich mißverstehen will, wird es eh tun, ob ich nun einen einfachen oder einen komplizierteren Vergleich wähle.)
@matthewMcKane:
Und wie ist das bei Katholiken? Die Katholische Kirche versteht sich doch auch als alleinseligmachend? Muss man nicht auch als Protestant offiziell glauben, dass man nur durch das Opfer Jesu Christi errettet werden kann? Glaubt man nicht generell, wenn man was glaubt, das das der einzig wahre Glauben ist? Auch wenn mans nicht zugibt? Sonst würde man doch was anderes glauben? Selbst Polytheisten, gehen doch davon aus, dass ihre Götter die richtigen sind?
Öhm - ja?! Und nu? Worauf willst Du damit hinaus?
Nur ist Gala nach meiner Definition auch kein Christ nach deiner vieleicht auch nicht. Aber das ist eben unsere Definition. Nicht seine. Nach seiner Definition ist er einer. Und fühlt sich angesprochen, wenn über Christen hergezogen wird. Nicht anders meine ex Kollegen. Wenn du pauschal verurteilst, wirst du pauschal abgelehnt. Von Leuten, die eigentlich das gleiche wollen, wie du.
Okay, anscheinend auf die Definitionsfrage.
Ich drehe Dein Argument mal um. Denkst Du, der Begriff "Christ" bedeutet etwas Spezifisches? Falls ja, und falls Gala und ich etwas Unterschiedliches unter diesem Begriff verstehen, dann verwendet mindestens einer von uns beiden den Begriff falsch. Wir können ihn natürlich auch beide falsch verwenden.
Nun gibt es, sozusagen als Checkliste, das christliche (apostolische) Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater,
den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.
Jemand, der sich Christ nennt, aber wesentliche inhaltliche Einwände gegen diese "Basics" hat, sollte die meiner Meinung nach benennen.
Wenn man nun jemanden hat, der einem erzählt: "Ich glaube an/dass X..." - wie reagiert man dann angemessen? Bei Desinteresse sagt man:"Okay." Bei Interesse fragt man: "Warum?"
Die Standardantwort, wie ich sie von Christen kenne, die nicht a la "Keine Ahnung, ist halt so ein Gefühl und ich glaube das eben, Glauben kann man nicht erklären!" die Antwort verweigern, lautet: "Weil es in der Bibel steht, die das geoffenbarte Wort Gottes ist."
Wenn ich also jemanden vor mir habe, der sich Christ nennt, dann fühle ich mich berechtigt, die Bibel als Grundlage seiner Überzeugungen zu verstehen. So, wie ich eben bei jemandem, der sich laut Selbstaussage als Muslim versteht, davon ausgehe, dass die Grundlage seiner Überzeugungen das ist, was im Koran steht.
Was bleibt mir denn anderes übrig? Dass die wenigsten, die sich Christen nennen, wirklich wissen, was in der Bibel steht - ist das mein Problem? Und dass viele, die sich Muslim nennen, nicht wissen, was im Koran steht - was kann ich dafür?
Ich verurteile nicht pauschal, sondern ich verurteile spezifisch: Das, was in der Bibel steht und das, was im Koran steht, sind in der Tendenz ethisch verwerfliche Ideologien. Ich zwinge niemanden, sich Christ oder Muslim zu nennen. Aber ich muß doch irgendwelche Begrifflichkeiten verwenden, wie anders soll Kommunikation möglich sein?
Sowohl die frommen Christen als auch die frommen Muslime, die ich bislang kennenlernte, empfanden es als besonders schlimme Beleidigung, wenn man ihnen gegenüber sagte: Du bist aber eigentlich gar kein Christ/Muslim. Auf einem christlichen Diskussionsboard, wo ich lange mich an Diskussionen beteiligte, konnte man ziemlich frei und offen sprechen, bis auf zwei Einschränkungen. Einmal darf man nicht beleidigend werden und unbelegte Unterstellungen verbreiten. (Versteht sich irgendwie von selbst) Zum zweiten darf man seinem Gegenüber nicht "den Glauben" absprechen, bzw. ihm absprechen, ein Christ zu sein.
Wenn nun Gala von sich selbst sagt, er sei Christ - dann ist es ein Gebot der Höflichkeit, wenn ich erstmal diese Selbstaussage ernst nehme. So, wie ich es ja auch ernst nehmen würde, wenn er sich als Humanist oder Sozialist oder Faschist oder Buddhist bezeichnen würde.
Er kann ja im Lauf der Diskussion erläutern, warum meine Urteile/Schlußfolgerungen aus der Prämisse, dass er ein Christ ist, falsch seien. Er kann z.B. argumenativ darlegen, wie sich eine top-down-Ethik, wie sie sich nun wirklich sauber und logisch aus der Bibel herleiten läßt und wie sie seit Jahrhunderten von Christen vertreten wird, mit unserer freiheitlichen Demokratie konzeptionell vereinbaren läßt. Nach meinem Demokratieverständnis bestimmen die Menschen/Wähler/das Volk über die geltenden Gesetze. Nach dem biblischen Verständnis werden sie direkt oder indirekt von Gott verfügt, sind also beispielsweise prinzipiell nicht verhandelbar. Nach der Bibel (Römerbrief) ist auch "alle Obrigkeit von Gott eingesetzt", womit also jedes Regime gleich stark, nämlich absolut, legitimiert ist.
Selbstverständlich werden die allerwenigsten Leute, die sich selbst Christen nennen, zugeben wollen, dass Hitler, Mao oder Kim Yong Il "von Gott eingesetzt" wurden. Aber es ergibt sich nun mal logisch einwandfrei aus dem, was in der Bibel geschrieben steht.
Der Umstand, dass in der Bibel alles Mögliche geschrieben steht, sodaß sich leicht die jeweils eine Stelle durch eine andere Stelle widerlegen läßt - habe ich den zu verantworten? Selbstverständlich lassen sich mit etwas Aufwand, gutem Willen und Spucke auch die allgemeinen Menschenrechte aus der Bibel ableiten, wo doch alle Menschen "nach seinem Bilde" erschaffen wurden und ihnen demgemäß eine quasi-göttliche Würde zukommt. Mir sind so ziemlich alle apologetischen Argumentationsketten bekannt, die Christen selbst haben das Bi-Ba-Bo (Bibel-Bastel-Bogen) zum inflationär verwendeten Gegenargument gemacht, der ihre internen Diskussionen häufig so unerquicklich und ergebnisfrei werden läßt: Immer, wenn ein Christ eine beliebige Position mit Zitaten aus der Heiligen Schrift zu belegen sucht, wird sich ein anderer finden, der stock und steif darauf insistiert, dass hier das Zitat aus dem Kontext gerissen sei und dass vielmehr die Schriftstelle XYZ belege, dass die gegenteilige Behauptung zutreffe.
Tja - wie nun damit umgehen?
Vernünftigerweise läßt sich daraus ableiten, dass diese "Heilige" Schrift, aus der sich gleichzeitig A und das Gegenteil von A herleiten läßt, offensichtlich untauglich ist, etwas über A herauszufinden.
Wenn ich also meinem Gesprächspartner gegenüber höflich sein will, so höflich, dass ich ihn nicht belüge nur um der schönen Harmonie wegen, dann muß ich ihm die Wahrheit zumuten, die da lautet: Die Grundlagen, von denen Du laut Selbstaussage ausgehst, sind untauglich.
Wenn ein Kind was vom Weihnachtsmann erzählt, dann ist es nicht nett, wenn ich es mit der harten Realität konfrontiere, dass Mama und Papa die Geschenke aussuchen und dabei womöglich auch noch auf Sonderangebote zurückgreifen.
Aber Gala ist, wie vermutlich alle religiös Gläubigen, die hier in den Thread reinlesen, erwachsen. Ihm gegenüber so eine onkelhaftige Rücksicht walten zu lassen hieße, ihn wie ein Kleinkind zu behandeln. Mach ich nicht.
Religiöse Ideen genießen bei mir gegenüber politischen Ideen keinen Sonderrabbatt.
Religionskritik bringt uns da nicht weiter, dagegen ist man als guter Gläubiger eh immun.
Okay, das müßtest Du jetzt schon mal etwas deutlicher belegen, denn ich halte dies für eine pauschale Verunglimpfung aller, die religiös gläubig sind. Du unterstellst ihnen damit, für Vernunftgründe vollkommen unzugänglich (immun) zu sein. Das hieße, man bräuchte überhaupt nicht mehr mit ihnen zu reden - bringt ja eh nix.
Es braucht genug Mammon für alle, damit sie sich ihm hingeben können und ihren Göttern den Rücken zuwenden. Was ja hierzulande auch geschieht.
Ah, deswegen hast Du die unbelegte Behauptung, dass Religionskritik nix bringe, aufgestellt: Um dadurch Deiner monokausalen These, es gehe allein um den wirtschaftlichen Aspekt, mehr Gewicht zu verleihen.
Nun, wäre diese Thesse in ihrer monokausalen Struktur haltbar, müßte Saudiarabien ein weitestgehend von Atheisten bewohntes Land sein. Kurzer Faktencheck - nö. Also mußt Du da irgendwo einen Denkfehler gemacht haben.
Selbstverständlich gibt es beides: raffinierte Kritikimmunisierungsstrategien, die von religiösen Apologeten seit Jahrhunderten durchaus erfolgreich angewendet werden und es den Gläubigen schwer machen, sich von den Ideen, mit welchen sie häufig schon seit frühester Kindheit indoktriniert wurden, zu emanzipieren. Und einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Not und Empfänglichkeit gegenüber religiösen Verheißungen.
Aber die These, dass nur die Armen, Benachteiligten zur Religion tendieren, wurde längst eindeutig belegt. Jeder religiös Gläubige, dessen Einkommen oberhalb des Durchschnittseinkommens liegt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass die These nicht stimmen kann. Zwar korrelieren wirtschaftliche Potenz und Bildung, und Bildung wiederum korreliert mit Areligiosität. Aber das sind nur Hinweise auf einzelne, nicht alle Faktoren, die hier eine Rolle spielen.
Ich denke, einer der wichtigsten, wenn nicht DER wichtigsten Faktoren überhaupt ist ein entwicklungspsychologischer: ob und in welchem Maße jemand religiös gläubig ist, hängt wesentlich davon ab, wie er als (Klein-) Kind sozialisiert wurde. Wir haben dafür in Deutschlan einen statistischen Beleg: in den Neuen Bundesländern sind weit weniger Bürger religiös und gleichzeitig sind die Einwohner der Neuen Bundesländer immer noch vergleichweise weniger wohlhabend als die der Alten Bundesländer. Ob das wohl an der religionsfernen/feindlichen Staatsdoktrin der einstigen DDR liegen könnte?
Gleichzeitig gibt es in den Neuen Bundesländern allerdings auch eine höhere Affinität zu linken und rechten Ideologien: der Hang, das eigene Nachdenken sein zu lassen und lieber anderen "Vordenkern" hinterherzutraben ist unter Ex-DDR-Bürgern vermutlich ebensoweit verbreitet wie unter uns Wessis.
Ganz gewiss hängen die drei Aspekte miteinander zusammen: wirtschaftliche Macht, Bildung und Bereitschaft, einer Ideologie nachzufolgen. Ich erinnere an den Cartoon, wo der Geistliche zum Politiker sagt: "Halte du sie arm, ich halte sie dumm!" (Oder der Politiker sagt's umgekehrt - you get it...)
Und insofern liegst Du sicherlich richtig damit, dass wirtschaftliche Verbesserungen dazu führen können, dass der Rückbezug auf's Religiöse nachläßt. Dem widerspricht ja auch gar nicht das, was Lord Snow und Veldryn in den Fokus rücken, nämlich die Bildung. Bildung braucht wirtschaftliche Voraussetzungen, umso mehr, je weniger intellektuelle angeborene Fähigkeiten im konkreten individuellen Fall vorliegen. Auch dies gilt entsprechend lediglich tendenziell, nicht absolut: Es gibt hochgebildete reiche Ideologen. Jede gauss'sche Normalverteilungsglocke hat ihre Ränder...
@Rink:
Diskriminierung aufgrund angeborener versus gewählter Eigenschaften: aus meiner Sicht ist es wie erwähnt nicht relevant, aufgrund welcher Eigenschaften jemand diskriminiert wird. Nehmen wir den Einreiseban und wenden diesen mal für Eigenschaften an, welche die Personen selber gewählt haben: Ist es fair, wenn alle Personen, die kein Schweinefleisch essen nicht mehr einreisen können? (...)
Ich habe mich vielleicht immer noch nicht unmißverständlich genug ausgedrückt. Jede Diskriminierung ist falsch! Ich verteidige den Einreiseban nicht, ich halte ihn für falsch/ungerecht/diskriminierend und für kontraproduktiv.
Aber ich kann nachvollziehen, warum viele Europäer nicht noch mehr muslimische Nachbarn wollen. Ich sehe den Islam als Gefahr, aber diskriminierende Maßnahmen, gerade wenn sie nur den Islam und nicht alle anderen Ideologien betreffen, als untaugliches Mittel, dieser Gefahr zu begegnen.
Ich weiß nicht, wie ich diese Unterscheidung noch deutlicher formulieren soll?
Wenn Du mich fragen würdest, welche Maßnahmen ich vorschlagen würde, um der von mir identifizierten Gefahr zu begegnen, würde ich auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedliche Maßnahmen vorschlagen.
Der Gesetzgeber sollte endlich, endlich, endlich!!!! - eine vollständige Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen realisieren. Keine Steuermittel mehr aufwenden für die Besoldung von Bischöfen etc. Keine konfessionsorientierte Religionslehre mehr in staatlichen Schulen. Keine Ausbildung von Propagandisten (Theologen) mehr aus Steuermitteln. Keine Einziehung des "Zehnt" (Kirchensteuer) mehr durch staatliche Institutionen.
Keine Sonderbehandlung der religiösen Organisationen mehr beispielsweise bei der Besetzung von Gremien wie dem Rundfunkrat, dem Ethikrat und so weiter und so fort. Das ganze Kirche-Staatsvertrags-Unwesen gehört meiner Meinung nach beendet. Womöglich sind dann noch einige Zahlungen an die Kirchen fällig, auch wenn es da dann um Forderungen aus der Napoleon-Zeit sich drehen mag. Da sollte sich der Staat mal die Investition in ein paar gute Wirtschafts- und Staatsrecht-Anwälte leisten, dann bräuchte man sich nicht mehr so vor den horrenden Summen fürchten, die noch an die Kirchen geleistet werden müssen (angeblich).
Dann: keine Sonderrechte mehr für weltanschaulich orientierte Arbeitgeber.
Wen der schwule Krankenpfleger fickt, ist ebenso seine Privatangelegenheit wie es die Privatangelegenheit der Kindergärtnerin ist, ob sie nach der Scheidung erneut heiratet. Und ob die Belegschaft eines Betriebs streiken darf oder nicht, darf auch nicht durch Extrawürste für Religionsgemeinschaften eingeschränkt werden.
Das ist die staatliche/gesetzgeberische Ebene. (Leute, die tiefer in der Materie stecken, dürften noch mehr und noch konkretere Vorschläge haben als ich...)
Dann die breitere gesellschaftliche Ebene: Der verlogene Respekt vor unbegründeten Ideen sollte mal zurückgefahren werden. Das Kind, welches auf darauf hinweis, dass des Kaisers neue Kleider aus Luft zu bestehen scheinen, sollte da als Rollenvorbild dienen. Wenn einer Bullshit erzählt, dann sollte offen, deutlich und unverdruckst widersprochen werden, denn Schweigen wird gern als Zustimmung mißverstanden. Überall dort, wo ungerechtfertig Respekt eingefordert wird, sollte widersprochen werden und entsprechend sollte man sich auch solidarisieren im Konfliktfall. Prominente und Medienschaffenden stehen da besonders in der Verantwortung. Dass beispielsweise nicht sämtliche wichtigen Zeitungen im Gefolge des Karikaturenstreits die inkriminierten Zeichnungen veröffentlichten, um dadurch das Risiko (von fanatisierten Glaubenskriegern gewaltsam angegriffen zu werden) möglichst breit zu streuen, halte ich nach wie vor für ein breitflächiges moralisches Versagen.
Wenn einer Unfug erzählt, sollte es zum "guten Ton" gehören, entweder ihn darüber zu informieren, warum das, was er erzählt, Unfug ist, oder, falls davon ausgegangen werden kann, dass er vernünftigen Einwänden gegenüber unempfindlich ist, ihn ob dieses Unfugs auszulachen.
Respekt ist eine Gewöhnungssache. Einst war es selbstverständlich, sich vor Leuten tief zu verbeugen, deren ganzes Verdienst darin bestand, dass ihre Eltern schon zum Adel gehörten. Das ganze wilhelminische Untertanengewese, wie wir es aus Heinrich Mann's Bestseller kennen, ist eine lächerliche Angelegenheit. Und ebenso lächerlich ist der Untertanengeist gegenüber "geistlichen Autoritäten" und anderen Gesslerhüten.
Auf dieser breiten gesellschaftlichen Ebene meine ich auch die Religionskritik als sinnvoll verorten zu können. Den religiösen Positionen, von welcher Spezialreligion auch gerade ihr Vertreter herstammen mag, sollte deutlich, entschieden und unermüdlich (der Prozeß der Aufklärung ist nie zuende) per Argument entgegengetreten werden. Unermüdlich ist hier das Stichwort. Man sollte sich nicht dadurch entmutigen lassen, dass die engagierten Apologeten sich nicht überzeugen lassen. Es gibt fast immer - mal mehr, mal weniger - stille Mithörer, Mitleser, Mitgucker, die - gerade weil sie kein Gesicht zu verlieren haben, wenn sie ihre bislang vertretenen Positionen revidieren - durchaus empfänglich für gute Argumente sind.
Auf dieser breiten gesellschaftlichen Ebene ist es allerdings - und unsere Diskussion hier zeigt mir, dass dieser Punkt noch wichtiger ist, als ich gedacht hätte - wichtig, ehrlich zu sein und alle falschen Unterstellungen unbedingt zu vermeiden. Zu behaupten, alle religiös gläubigen Menschen seien dumm oder ungebildet oder moralisch verworfen, hieße zu lügen und zu hetzen. Man muß wohl noch stärker, als ich mir dessen bisher bewußt war, aufpassen, dass man nicht einmal so formuliert, dass sich Mißverstehen förmlich aufdrängt. Man muß also streng zwischen der Sache und den Personen unterscheiden. Wenn ich also vom Islam spreche, muß ich aufpassen, nicht zwischendurch aus Gründen der sprachlichen Nachlässigkeit mal von "den Muslimen" zu reden. Denn wenngleich die Behauptung, dass der Islam für Apostasie die Todesstrafe als default-Reaktion beinhaltet, so wäre es ganz sicher falsch zu behaupten, "die Muslime" oder "die Mehrheit der Muslime" würde es für richtig halten, dass ein Apostat getötet werden soll.
Ebenso darf das inhaltlich korrekte Argument, dass nach dem Islam ein Mann wertvoller ist als eine Frau und dass Frauen daher weniger und eingeschränktere Rechte haben als Männer, nicht zu dem Kurzschluß verleiten, dass alle Menschen, die sich als Muslime verstehen, Frauen als Menschen zweiter Klasse betrachten und es okay finden, wenn ein Mann seine Ehefrau entsprechend den Anweisungen aus Koran und Hadithen schlägt. Ihr habt hier ja die unterschiedlichsten Belege dafür vorgebracht, dass solche Schlüsse von der Ideologie auf das Verhalten aller selbsterklärten Anhänger der Ideologie häufig falsch sind.
Was nun die persönliche Ebene anbelangt: Im privaten Umgang mit ideologisch gläubigen Menschen versuche ich so ehrlich und so verständnisvoll wie möglich zu sein. Wenn die weltanschaulichen Differenzen zu groß werden muß ich den Kontakt womöglich beenden. So, wie ich den Kontakt zu einem meiner besten Freunde aus Kindheitstagen abbrach, als ich merken mußte, dass er sich in einer Phase, wo der Kontakt mal für ein paar Jahre praktisch eingeschlafen war, zu einem Antisemiten und Fremdenhasser entwickelt hatte: die anfängliche Freue, wieder von ihm zu hören und ihn mal wieder zu treffen, schlug irgendwann in kopfschüttelnde Enttäuschung um. Der größte persönliche Verlust, den ich bislang wegen politischen Gründen erfahren habe.
Gemeinhin aber halte ich eine Menge Meinungsverschiedenheiten aus, wenn die persönliche Beziehung auf "menschlicher Ebene" gut ist. Ich habe mehrere christliche Freunde, die ich aber nicht mehr bezüglich ihres Glaubens piesacke, als andere wegen ihres Rauchens, ihres schlechten Musikgeschmacks oder sonstiger "kleiner Macken". Über Sachthemen streite ich mit ihnen ganz normal engagiert. Aber ich ducke mich auch nicht weg, wenn das Thema ihrer Religion auf den Tisch gerät. Wer mit mir über Religion diskutieren möchte, darf sich darauf einstellen, dass ich durchhalte und nicht den (Sach-) Streit um des lieben Friedens willen für beendet erkläre. Höchstens Faulheit und Langeweile können mich manchmal bewegen, einzulenken, falls das Detail, um das der Streit ging, unwichtig genug ist. Gemeinhin aber bin ich da schon ein ziemlicher Terrier, der sich verbeißt und nicht losläßt, bevor der Opponent sich überzeugt erklärt oder seinerseits den mehr oder weniger geordneten Rückzug einleitet.
Das ist nicht immer schön und angenehm, es widerstrebt eigentlich auch meinem ästhetischen Empfinden. Niemand mag Klugscheißer und Rechthaber und so muß ich mir selbst öfter mal Abzüge in der B-Note attestieren. Aber hey - es ist doch ein Opfer für das Große Ganze!
So, jetzt erstmal Schluß, nur noch eine ganz kurze Replik:
Muslime in Deutschland Du behauptest also, dass „der Mainstream“ der Muslime alle kein Bier trinken, fünf Mal am Tag Verbeugungsübungen machen und ganz nebenbei die Macht in Deutschland übernehmen wollen, um die Scharia hardlinermässig durchzusetzen und danach wie die Nazis vorzugehen? Wie gross ist denn die Stichprobe an Muslimen, welche du kennst und genau so sind?
Nein, das behauptete ich nicht. Du kannst ja meine Ausführungen bzgl. der verlinkten Umfrage nochmal überfliegen und überdenken, ob sich aus ihnen tatsächliche diese Behauptung, die Du mir hier zuordnest, abzuleiten sei.
Falls Du zu solchem Schluß kommst, dann erkläre ich mich am Ende meiner Artikulationskünste angelangt.