Politik, 11. Staffel

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Lord Snow

Lord Commander
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Doch ich war schon auf einer richtigen Demo. Auf mehreren sogar, meist wegen irgendwelcher Naziaufmärsche. Aber wie gesagt, ich kann nicht verstehen, wie diese Gewalt gegen Wehrlose mit dem Verständnis eines Polizisten zu vereinbaren ist.
 

Mantis

Heilende Hände
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Gala: Kurze Verständnisfrage - wie kannst du dir sicher sein, dass da Enttäuschung auf den Gesichtern zu sehen war? Ganz abgesehen davon, dass viele von den Demo-Polizisten behelmt und halbmaskiert sind - woher weißt du, dass es Enttäuschung ist, und nicht einfach Frustration darüber, an so einem Tag auf dieser Demo zu stehen? Oder Langeweile, Genervtheit, ...? Und wenn es Enttäuschung wäre, wie kommst du zur Interpretation, wo diese Enttäuschung her kommt?

Manchmal hilft es, nicht automatisch vom Schlimmsten in den anderen auszugehen...


Aber ja, vermutlich nötiger Disclaimer: natürlich gibt's gewalttätige Mistkerle die Spaß dran haben auf wehrlose Leute einzuprügeln und die Streit suchen, auf beiden Seiten, und das ist nicht gut, undsoweiterundsofort.
 

Rhonwen

Forumsköchin
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Polizisten sind genauso Menschen wie Informatiker und Lehrer :D Manche haben einen guten, manche einen schlechten Tag.

Ich habe einige Nazidemos mit Gegendemonstrationen von den Linken mitbekommen, wo ich durch die Polizeiabsperrungen durchmusste, um von meiner Wohnung zur Arbeit und zurück zu kommen. Von Durchsuchungen bis nette Grüße, von bösen Blicken über nettes Lächeln haben ich viele Behandlungen durch die Polizisten erlebt. Und von Gummiknüppelkeinsatz bis spontanes Schleppen einer berollstuhlten Demonstrantin über drei Stufen habe ich auch schon fast die ganze Bandbreite gesehen.
 

Lord Snow

Lord Commander
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Ich hoffe inständig, dass Lehrer nicht unvermittelt Schülern ihr Lineal ins Gesicht dreschen, wenn sie mal einen schlechten Tag haben. :wunder: Um auf die Ausschreitungen in der Ukraine zurückzukommen, habe ich auch ein Video von der Gewalt von Demonstranten gegen die Polizei gesehen, die zeitlich davor lagen. Dabei fand ich es erstaunlich wie diszipliniert und passiv die Polizei minutenlange heftige Angriffe von einigen wenigen Gewalttätern hingenommen hat. Da wurden die Polizisten mit Eisenstangen malträtiert und es flogen Pflastersteine und Molotovcocktails, ohne dass die Einsatzkräfte mit der Wimper gezuckt haben. Erst als diese Chaoten weg waren und sich die Lage entspannt hat, ist die Polizei ohne Rücksicht auf Verluste auf die friedlichen Demonstranten dahinter losgegangen.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Im Grunde ging es mir genauso: wenn mans nicht selbst erlebt hat, kann mans nicht glauben.



In Blockupy 2013 hatten definitiv nicht nur ein paar Polizisten einen schlechten Tag. Beziehungsweise einzelne Polizisten sollen sich, so meine Parteifreunde, die da waren, ziemlich entsetzt geäußert haben.

Und die Polizisten, die ich erlebt habe, waren definitiv gewaltbereit. Die haben schon während der Demo dauernd Leute einfach rausgegriffen und verhaftet, als Provokation. Und als die Demo eigentlich enden sollte, haben sie einen Teil der Demo eingekesselt. Die enttäuschenden Gesichter waren zu sehen, als sie "unverrichteter Dinge" abzogen. Und im Übrigen waren diese Polizisten gar nicht vermummt.

Deshalb, einfach so auf Demos gehen ist für mich nicht mehr. Das braucht schon Überwindung.
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Das ist so lustig, warum hat das noch keiner hier verlinkt ?

FDP: Wir sind doch keine Kapitalisten !!!

Nein, wirklich ! Keine Ente ! Keine Verar***e ! Die Süddeutsche ! Und es ist NICHT der 1. April !

Die von Wirtschaft und Banken zum Teil mit Millionen im Jahr pro Bundestags-Abgeordneten bezahlte Kerntruppe des Kapitalismus will uns erklären, das sie keine Kapitalisten wären ! (**)

Ich brauche jetzt eigentlich eine neue Kategorie von Lustig. Also das ist nicht mehr nur lustig. Ich habe gar keine Lust, darüber noch zu lachen. Das ist einfach ZU WENIG. Ich könnte vor Lachen umkommen und es wäre immer noch ZU WENIG. Ich könnte den ganzen Rest meines Lebens lachen und es wäre immer noch ZU WENIG. Das ist einfach trans-lustig. Das ist einfach so derart extrem lustig, das eine neue Stufe erreicht wird, die mir noch nie begegnet ist.

Gerade deshalb sei Ordnungspolitik in der Wirtschaft so wichtig. "Wir sind keine Kapitalisten. Der Kapitalist liebt nicht den Markt und den Wettbewerb. Er will das Monopol, um die größtmöglichen Gewinne zu erzielen." Der Marktwirtschaftler dagegen kämpfe für den Wettbewerb, so Lindner, weil er die "Macht Einzelner über Viele begrenzt".
Ordnungspolitik, also der Ordoliberalismus, wurde von der CDU eingeführt und 1966 in der großen Koalition zugunsten den Keynesianismus aufgegeben. (*)

Ordoliberalismus war immer und zu allen Zeiten Kapitalismus.

Kapitalismus bedeutet das:

(a) Es als gegeben angenommen wird, das jemand, der Geld über hat, dieses Geld investieren kann und dafür immer noch mehr Geld bekommt, was nicht etwa als Gier und als moralisch verwerflich angesehen wird, sondern sogar als positiv und erstrebenswert und Grundlage für die "unsichtbare Hand".

(b) Der Einzelne davon abhängt, einen Job zu bekommen, um Geld zu bekommen. Es gibt also kein allgemeines Recht auf Arbeit, oder einen Mechanismus wie das bedingungslose Grundeinkommen.

Beide diese Grundpfeiler sind schon in der liberalen Wirtschafttheorie von Adam Smith aufgestellt worden. Der Ordoliberalismus steht in derselben Tradition.

Daher: keine dieser beiden Annahmen hat der Ordoliberalismus je kritisiert und angegriffen. Ganz im Gegenteil versucht der Ordoliberalismus, eine perfekte Konkurrenzsituation herzustellen und beizubehalten, unter der nach der Idee des Kapitalismus dann die Marktkräfte dafür sorgen, das maximale Effizienz erreicht wird. An dieser Aufgabe ist der Ordoliberalismus vollständig gescheitert. Er hat die Ansammlung von Marktmacht, also das Vorstadium einer Monopolsituation, nicht verhindern können.

Der Monopolmechanismus, der hier angesprochen wird, wurde von der FDP seit 1982 nie wieder aktiv bekämpft. Das war auch schon Jahrzehnte nachdem die Markt- und damit eben immer auch politische Erpressungsmacht der großen Konzerne zu groß geworden war, als das man sie noch unter Kontrolle gehabt hätte.

Die Argumentationskette der FDP hat keinen erkennbaren Bezug zur Realität.



(*) Weiter ging es ab ca 1971 mit dem Monetarismus, der zunächst den Keynesianismus systematisch unterlief und dann ab 1982 unter Kohl vollständig übernahm. Spätestens unter Schröder wird die deutsche Wirtschaftspolitik von dem beherrscht, was man gemeinhin (aber nicht akademisch) als "Neoliberalismus" tituliert, was aber eigentlich eine völlig nichtakademische, theorielose Handelsmaxime darstellt, das man die Löhne und die Steuern für Reiche so niedrig wie möglich halten muß.

(**) Okay, habe ich nicht überprüft, sondern jetzt nur approximiert. Der Westerwelle hat vor ein paar Jahren (mindestens) 2 Millionen pro Jahr von der Industrie zugesteckt bekommen. Ich gehe davon aus, das die anderen MdBs auch bedacht werden und das die Zuwendungen seitdem nicht weniger werden. Aber wie gesagt, das ist eine Vermutung, kein Wissen.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Das Entscheidende Argument für den Kapitalismus ist und bleibt: Das er funktioniert.

Die Aufgabe des Staates ist immer eine doppelte: Diese Funktion insofern zu erhalten, dass nicht durch Gewalt, Betrug und Unrecht die Funktion beeinträchtigt wird (Nachtwächterfunktion) und andererseits die system-immanenten Ungleich-Verteilungen nicht zum menschen-unwürdigem Elend auf der Verliererseite führen (Sozialfunktion).

Beide Aspekte haben die Gefahr der Hytertrophie. Dass die Nachtwächterfunktion zur Totalüberwachung wird - und dass über die Sozialfunktion zur völligen Nivellierung aller Unterschiede angestrebt wird.

Guter Liberalismus wendet sich gegen beides.
ZORA
 

Lord Snow

Lord Commander
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Die Argumentationskette der FDP hat keinen erkennbaren Bezug zur Realität.
Hatte irgendeine Argumentationskette der FDP seit 1982 einen erkennbaren Bezug zur Realität? Dieses Jahr ist das erstmalig auch vielen FDP-Wählern klar geworden. Nur die FDP hat das anscheinend noch nicht kapiert, zumindest nach dem zu urteilen, was der Lindner am Wochenende zum Besten gegeben hat. :D
Das Entscheidende Argument für den Kapitalismus ist und bleibt: Das er funktioniert.
Aus Sicht der Manager und der Großindustrie läuft es im Moment ganz gut, da muss ich dir Recht geben. Ob das System damit zukunftsfähig ist, wird sich erst noch rausstellen müssen. Die Schweinereien und Katastrophen der letzten Jahre im Bereich Wirtschaft, lassen mich da sehr, sehr skeptisch in die Zukunft blicken. Deshalb werde ich noch ein paar Jährchen abwarten, bevor ich mir in der Frage eine abschliessende Beurteilung erlaube. ;)
 

David

Moderner Nomade
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Aus Sicht des durchschnittlichen Deutschen läuft es bei uns auch deutlich besser als zB aus Sicht des durchschnittlichen Spaniers in Spanien..

@Zora:
Ich glaube nicht dass es Lindner darum ging, dass er kein Kapitalist im Sinne von "Kapitalismus vs. Kommunismus" sei (was wirklich ziemlich lächerlich wäre), sondern nur darum, dass man nicht dem von Gala beschriebenem Zerrbild eines Kapitalisten (so ala lange Nase, spitze Zähne, mit Fledermausflügeln und sich die Hände reibend ehe er dem Bettler den Becher mit dem Kleingeld klaut.. :D ) entsprechen muss, um FDP-Anhänger oder genereller Wirtschaftsliberaler zu sein..

Mit Wortschöpfungen wie "Anschlussverwendung" in Bezug auf die Schlecker-Mitarbeiter oder der "spätrömischen Dekadenz" hat man sich ja auch wirklich viel Mühe gegeben möglichst herzlos zu erscheinen, selbst wenn diese Aussagen wenn man sie sachlich betrachtet durchaus berechtigt waren.
Es ist nicht Aufgabe des Staates schlecht geführte Unternehmen zu retten und Politiker die einfach mit dem Füllhorn Geld verteilen (bzw. das versprechen) sind auch nicht sonderlich seriös. Dass die "Dekadenz" an diese Politiker gerichtet war und nicht an die Bezieher der Sozialleiestungen geht aber unter wenn man sich so ungeschickt ausdrückt.
 
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Tim

Streichel-Mod
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Klar funktioniert Kapitalismus. Er funktioniert weil die zig Prozent der Weltbevölkerung das Joch des Kapitalismus aushalten müssen um die elitären kleinen Prozentsätze noch mächtiger im System zu machen.

Nunja... "guter" Liberalismus... dazu muss ich was sagen.

Zu jeder politischen Anschauung gibt es eine perfekte theoretische Ausgestaltung. Dummerweise hat es in der Weltgeschichte niemals ein Staat oder eine Partei geschafft diese perfekte Ausgestaltung hinzubekommen. Jeder Versuch wurde von den Menschen durch Machtgier, Geldgier, Extremismus und dergleichen unterlaufen. Es KANN meines Erachtens per Definition zu keiner politischen Richtung eine "gute" Variante in der Realität geben. Es kann nur Kompromisse zwischen bestimmten guten theoretischen Varianten geben. Ob diese Kompromisse dann aber gut sind... ist die andere Frage.

Ich meine... folgende "gute" politschen Richtungen fallen mir ein:

Guter Marxismus --> Eine Welt in der die Menschen gemeinsam an ihrem Wohl und Wohlstand arbeiten. Eine Welt in der Eigentum nicht wichtig ist weil die Gesellschaft durch ihre eigenen Hände alles hat um glücklich zu sein.

Guter Nationalismus --> Eine Welt in der sich eine Bevölkerungsgruppe der Erde entschlossen hat sich in ihr Schneckenhaus zurückzuziehen um ihr eigenes Ding zu machen. Die Grenzen sind geschlossen und rein kann nur wer rigide Tests besteht. Innen herrscht eine Einigkeit über die Identität der Gesellschaft und niemand wird wegen irgendetwas ausgegrenzt. Denn wer einmal drin ist, gehört einfach dazu.

Guter Kapitalismus --> Eine Welt in der der Finanzmarkt und der Markt allgemein fair genutzt wird. Jeder finanziell Mächtige weiß um die Nöte der weniger mächtigen und versucht durch Angebote die Nöte zu lindern. Der Markt in dieser Welt regelt durch faire Löhne und faire Preise überall auf der Welt die Armut und lässt es nicht zu dass skrupelos Geschäfte gemacht werden.

Und jetzt frage ich euch? Wie soll denn eine dieser drei Varianten mit der Menschheit funktionieren? Alle drei Utopien sind probiert worden. Und keins davon hat in seiner reinen Form funktioniert. Und es wird auch nie funktionieren. Weil wir Menschen leider doch sehr auf unseren eigenen Vorteil bedacht sind. Manche mehr manche weniger.
 

David

Moderner Nomade
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Aber wenn man Letzteres als gegeben annimmt und nicht versucht die Menschen notfalls mit Gewalt umzuerziehen, ist es schonmal ganz hilfreich, wenn ein Wirtschaftssystem das akzeptiert und zu nutzen versucht.

Das Problem sehe ich eher in der globalen und langfristigen Perspektive, denn weder ein Manager noch ein Politiker werden dafür eingesetzt bzw. gewählt, dass sie sich darum kümmern. Beiden geht es darum, dass es den Menschen im Land bzw. den Eigentümern des Unternehmens kurz- bis mittelfristig gut geht.

Das war in der Planwirtschaft auch nicht anders, das Problem ist hier meiner Meinung nach wieder der Mensch, der als sterbliches und natürliches Wesen hauptsächlich auf das Hier und Heute ausgerichtet ist und nur mit dem rational denkendem Teil seines Gehirns begreifen kann, dass sein Handeln darüber hinaus Folgen hat.
Aber wie schwer es ist auf diesen Teil des Gehirns auch wirklich zu hören sieht man schon daran, wie schwer es Vielen fällt, den Versuchungen des Überangebotes an Nahrung zu widerstehen, obwohl sie genau wissen, dass das ungesund ist. ;)

Wenn man nichtmal das hinbekommt, wie soll man dann sein Handeln danach ausrichten, welche Folgen das in Afrika und/oder in 200 Jahren haben könnte ?
 

Lord Snow

Lord Commander
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@David

Ich weiss nicht, ob ich dich richtig verstanden habe. Dass es aus Sicht des durchschnittlichen Deutschen bei uns auch deutlich besser läuft als aus Sicht des durchschnittlichen Spaniers in Spanien, ist für mich persönlich jetzt kein Argument für das Funktionieren des Kapitalismus. Ganz im Gegenteil.

Ich sehe eben, dass es momentan so viele wirtschaftliche bzw. wirtschaftspolitische und damit verflochten, sozialpolitische Fehlentwicklungen bundes-, europa- und weltweit gibt, die uns irgendwann derart heftig in den Hintern beissen werden, dass wir eigentlich schon jetzt nicht mehr ruhig sitzen können.
 

Chinasky

Dirty old man
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Sascha Lobo im SPON.
Immer, wenn ich seine Kolummne lese, weiß ich, warum ich noch SPON gebookmarked habe. Folgt mal dem Link bezüglich der Frau im Rollstuhl! Wenn ich den verlinkten Artikel lese, wenn ich Lobos Kolumnen lese, wenn ich lese, wie glasklar viele Leute im Netz erkennen, was hier falsch läuft - und wenn ich dann merke, daß "die Politik" sich nicht drum schert, sondern stur alles weiter in diese falsche Richtung läuft, dann...

Dann erinnert mich das an weite Passagen aus Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft." In denen er all jene zitiert, die schon ganz zu Anfang des Hitler-Faschismus in Deutschland klar erkannten, wie übel die Nazi-Sache ausgehen werde. "Das konnte doch keiner wissen!" - diese Ausrede vieler Deutscher nach 45 war immer falsch. Man konnte alles wissen und zwar frühzeitig. Wenn man denn hingeschaut hätte.

Auch heute kann man schon wissen, wohin dieser Überwachungswahnsinn unsere Gesellschaften führen wird, wenn dem niemand Einhalt gebietet: in den Faschismus 2.0.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Oooops da habe ich ja was losgetreten.

Der Kommunismus (eigentlich Staatskapitalismus) ist geschichtlich an den eigenen Widersprüchen gescheitert. Insbesondere war er eine Diktatur und ein Unrechtsstaat. Die Alternative zum Kapitalismus lautet für mich eindeutig: Demokratie (und Rechtsstaat).

Sowohl Staats- als auch normaler Kapitalismus haben sich als Feind von Demokratie und Rechtsstaat erwiesen. Beim Staatskapitalismus war das offensichtlich genug.

Der normale Kapitalimus ist aber auch ein Feind. Man erkennt das daran, das es seit Jahrzehnten bei uns auf keinem wichtigen Gebiet einen Fortschritt gibt: Arbeitsrechte, Rente, Gesundheitswesen, Bildung, Frieden, egal welches Politikfeld man betrachtet, in den letzten Jahrzehnten (besonders der Zeit seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion) ist es in Deutschland schlechter geworden. Das liegt daran, das unsere Oberschicht unsere Medien kontrolliert und unsere Medien de facto ganz extremen Einfluß auf die Politik haben. Und es liegt an der enormen Erpressungsmacht, die man hat, wenn man zehntausende oder hunderttausende von Arbeitsplätze kontrolliert.

Insbesondere auch die demokatischen und die Freiheitsrechte stehen unter ständigem Angriff. Zum Beispiel diskutiert aktuell die durch keine demokratische Legitimation belastete EU-Kommission, ob sie (unter Anderem) die Privatkopie wieder abschaffen möchte.

Schon die Bibel fordert Demokratie:
Markus 10, 42+43, Übersetzung Luther 1912:
Aber Jesus rief sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisset, daß die weltlichen Fürsten herrschen und die Mächtigen unter ihnen haben Gewalt. Aber also soll es unter euch nicht sein. Sondern welcher will groß werden unter euch, der soll euer Diener sein;

Wenn wir eine Demokratie wollen, brauchen wir insbesondere eine Entmachtung des Geldes, also z.B.:

- Freigeld das über die Zeit den Wert verliert und dadurch den Liquiditätsvorteil und damit den grundsätzlichen Gesellschaftserpressungscharakter verliert. Dadurch verschwindet die Notwendigkeit, Investitionskapital etwa durch Zinsen anzulocken. Preise würden stabiler und Finanzgeschäfte wie z.B. Währungsspekulationen würden stark erschwert bzw verunmöglicht.

- Bedingungsloses Grundeinkommen (oder ein wieder restaurierte, funktionierende Sozialhilfe, oder ein vergleichbares Konzept), die den Menschen die Angst vor der Arbeitslosigkeit nimmt und sie freier macht in der Wahl des Lebens, das sie führen wollen. Ein BGE/Sozialhilfe soll natürlich nur ein bescheidenes Leben in Würde garantieren - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

- Eine Demokratisierung der Wirtschaft. Wirtschaft ist die Basis aller materiellen Gestaltung unseres Lebens. Daher kann man nicht einseitig nur die Politik demokratisieren - auch die Wirtschaft muß demokratisiert werden. Wer also in einem Betrieb arbeitet, hat Mitspracherecht darin, wie dieser Betrieb geleitet wird. Es gibt ein Recht auf Arbeit (gibts formal seit ehedem, das ist Teil der Menschenrechte).

- Der Dollar als Weltwährung gehört abgeschafft (bleibt natürlich als Nationalwährung der USA bestehen). Stattdessen gibt es ein unabhängiges globales Geldmittel, das zu nationalen Währungen nur noch einen relativen Bezug hat (feste Wechselkurse zur Bekämpfung von Währungsspekulationen). Auch diese Währung ist ein Freigeld.



@Tim:
Ich meine... folgende "gute" politschen Richtungen fallen mir ein:

Guter Marxismus --> Eine Welt in der die Menschen gemeinsam an ihrem Wohl und Wohlstand arbeiten. Eine Welt in der Eigentum nicht wichtig ist weil die Gesellschaft durch ihre eigenen Hände alles hat um glücklich zu sein.

Guter Nationalismus --> Eine Welt in der sich eine Bevölkerungsgruppe der Erde entschlossen hat sich in ihr Schneckenhaus zurückzuziehen um ihr eigenes Ding zu machen. Die Grenzen sind geschlossen und rein kann nur wer rigide Tests besteht. Innen herrscht eine Einigkeit über die Identität der Gesellschaft und niemand wird wegen irgendetwas ausgegrenzt. Denn wer einmal drin ist, gehört einfach dazu.

Guter Kapitalismus --> Eine Welt in der der Finanzmarkt und der Markt allgemein fair genutzt wird. Jeder finanziell Mächtige weiß um die Nöte der weniger mächtigen und versucht durch Angebote die Nöte zu lindern. Der Markt in dieser Welt regelt durch faire Löhne und faire Preise überall auf der Welt die Armut und lässt es nicht zu dass skrupelos Geschäfte gemacht werden.
Marxismus ist keine Staatsform oder Wirtschaftsform ... es ist eine Wirtschaftstheorie, die ohne eigenen Vorschlag auskommt, wie genau man die Wirtschaft denn führen sollte. Marx hat vielmehr sehr genau analysiert, warum der Kapitalismus immer selbstzerstörerisch sein muß. Seine Vorschläge zu Alternativen zum Kapitalismus sind allerdings von weit geringerer Qualität, und auch nicht neu oder originell, deshalb nennt man sie auch Sozialismus und Kommunismus, und nicht Marxismus. Marx war insbesondere ein ausgebildeter Philosoph und kein Psychologe, besonders kein Massenpsychologe. Deshalb sind seine diesbezüglichen Ideen nicht sehr überzeugend.

Nationalismus in der von dir beschriebenen Form hat es nur einmal in China gegeben. Was China von einer der führenden Zivilisationen der Welt zu einer der zurückgebliebenen Nationen reduzierte. Was wir normalerweise unter "Nationalismus" verstehen ist Faschismus: die Idee, das es eine privilegierte Klasse gibt, welche der Faschist selbst natürlich angehört, die die politische Macht in Händen hält und den Nichtprivilegierten nichts schuldet (und sie in der Regel schlicht und einfach verachtet und ausbeuten will).

Der Kapitalismus hat noch nie versprochen, das die Reichen den weniger Reichen gedenken. Tun sie ja auch nicht. Sondern das Versprechen des Kapitalismus ist die absolute Konkurrenz: jeder konkurriert mit jedem, und der die beste Arbeit leistet, setzt sich durch. Das nennt man die "Unsichtbare Hand". In der Realität ist es natürlich ganz anders: es bildet sich immer Marktmacht, also die Vorstadien der Monopole. Und wer erstmal zehn- oder gar hunderttausende Arbeitsplätze kontrolliert, bekommt durch diese wirtschaftliche Macht auch eine enorme politische Erpressungsmacht. Von dem Privatbesitz von Medien ganz zu schweigen. Genau dies hat der Ordoliberalismus erkannt und zu verhindern gesucht.
 

Sol

Mönch/Assassine
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Das ist mir alles zu linksradikal von den Forderungen her und ich kann es leider nicht ernst nehmen.

Mit Bibelzitaten kann ich auch nichts anfangen, vor allem wenn sie in einem seltsamen Deutsch geschrieben sind. Jesus hätte genauso gut bloß eine funktioniernde "Gemeinschaftssekte" in dem Abschnitt fordern können und nichts mehr bzw. eben nicht etwas Politisches.

Ich weiß manchmal ist schwer zu etwas eine Statistik zu finden, aber ich habe folgendes in meinem Kopf, dass ich leider nicht durch einen bloßen Link belegen kann, aber das System sozialer Leistungen hat sich der Statistik nach nicht verschlechtert, sondern es hat das gleiche Niveau beibehalten. Die Statistik war allerdings nicht so neu und ich lasse mich gerne von einer anderen Statistik überzeugen, die belegen kann, dass z.B. das Rentensystem oder allgemein das Sozialversicherungssystem signifikant schlechter wurde in unserer heutigen Zeit.

Im letzten Abschnitt kommt auch viel Stammtisch vor, aber etwas will ich doch noch posten:

Was macht ein Monopolist ohne Nachfrager?

Ist es nicht wichtig dafür zu sorgen, dass man überhaupt potentielle Kunden hat?

Würden nicht auch geschickt platzierte Spenden an Arme aus Marketing-Sicht durchaus Vorteile für das Unternehmen bringen?

Das ist ein erstes spontanes Hinterfragen des ganzen.
 

David

Moderner Nomade
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Soweit ich das in Erinnerung habe sind die Sozialausgaben trotz der Agenda 2010 gestiegen, andererseits ist das Rentenniveau gesunken..

Was mich aktuell am meisten stört ist dass der Staat mich in eine private Altersvorsorge zwingen will, u.a. indem er diese beim Antrag auf ALG2 anders behandelt als normales Gesparte. Würde man ALG2 auch mit mehr Gepsartem bekommen, könnte ich mit dem Gesparten Hartz 4 einige Jahre lang soweit aufstocken, dass ich mich materiell kaum einschränken müsste. Zumindest was das Materielle angeht würde Arbeitslosigkeit damit auch ihren letzten Schrecken für mich verlieren.
Und dasselbe könnte ich natürlich auch später mit der Rente machen ohne dass eine Versicherung mir mein eigenes Geld zuteilen muss als wäre es ein Taschengeld.

Aber so wie es im Moment geregelt ist, wird man bestraft wenn man so spart, dass man noch selber über sein Geld verfügen kann. Das ist bei anderen Themen wie zB pflegebedürftigen Angehörigen ganz ähnlich: Wer sein Geld verprasst bekommt Hilfe, wer sein Geld so anlegt wie es der Staat für sinnvoll hält auch, aber wer selber die Kontrolle behalten möchte, wird bestraft. :rolleyes:


@Gala:
Demokratie ist aber keine Wirtschaftsform, über Wahlen und Abstimmungen kann man keine Arbeitsplätze besetzen, Produkte herstellen und vertreiben, Preise festsetzen usw.
Das müsste dann schon konkreter ausformulieren, wie schafft es zB die Demokratie statt der Marktwirtschaft, dass ich nachher im Supermarkt mein Mittagessen bekomme ?

Am Ende läuft das wahrscheinlich auf eine Planwirtschaft mit demokratischen Parlament und Regierung hinaus. Aber auch wenn sie demokratisch gewählt wurde, kann sie mit der Detailplanung der Wirtschaft genauso überfordert sein wie die Regierungen im ehemaligen Ostblock.

Wenn der materielle Lebensstandard bei uns stagniert kann das übrigens auch daran liegen, dass in den Schwellenländern hunderte Millionen Menschen mehr Wohlstand für sich erarbeitet haben (in der Regel nach marktwirtschaftlichen Reformen!), gleichzeitig die Weltbevölkerung steigt und die Ressourcen dadurch zunehmend knapper/teurer werden.

In diesem Umfeld ist u.U. mit der heutigen Technologie nicht viel mehr materieller Wohlstand für uns drinn, und es kann auch schon eine Leistung sein trotz dieser Rahmenbedingungen nur zu stagnieren und nicht komplett abzustürzen. Dieser Wohlstand muss jedes Jahr neu erwirtschaftet werden, nur weil wir heute reich sind, muss das in 10 Jahren nicht auch noch der Fall sein. Es gibt auch kein Gesetz das besagt, dass es uns jedes Jahr besser gehen muss, daran haben wir uns nur gewöhnt weil es uns ein paar Jahrzehnte lang immer besser ging.

EDIT:
"Freigeld" im Sinne von real (und wahrscheinlich auch bald nominal) negativen Zinsen haben wir doch schon. Aber statt das Geld den Unternehmen in Südeuropa als Kredit zur Verfügung zu stellen legen es die Banken lieber in Wertpapieren an und die Bürger nutzen die billigeren Privatkredite um Immobilien zu kaufen.
Wenns blöd läuft, bauen wir damit gerade die nächste Börsen- und Immobilienblase auf.

@Lord Snow:
Die Frage ist welche der Probleme wirklich nur der Marktwirtschaft zuzuschreiben sind und damit in einer anderen Wirtschaftsform nicht auftreten würden.

Die zugrundliegenden 'natürlichen' (im Sinne von 'stofflichen') Probleme wie die Ressourcenknappheit und die Überbevölkerung verschwinden ja nicht wenn man die Wirtschaft anders organisiert.
 
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Ysrthgrathe

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@Gala @Lord Snow @David
Ich verstehe das Problem bei diesem Linder-Zitat nicht.
Linder spielt hier doch nur ziemlich billig und leicht zu erkennen ein "umgedrehtes" <i>kein wahrer Schotte</i>.
http://rationalwiki.org/wiki/No_True_Scotsman

Wahre Kapitalisten hassen den Markt und den Wettbewerb. Deswegen besteht die FDP nicht aus Kapitalisten.
Der Trick ist natürlich, dass niemand, der der FDP ihre kapitalistische Grundhaltung vorwirft, damit aussagen will, dort würde man den Markt hassen.
Das Äußerung von Linder geht also absichtlich völlig am Thema vorbei.

Die Aussage ist aber natürlich nicht falsch. Definitionen können eigentlich nicht falsch sein. Sie sind vielleicht unklar, ungeeignet, verwirrend und missverständlich, aber Unwahrheit kann man niemals vorwerfen.

Liberale sind also laut Lindner deswegen keine Kapitalisten, weil Kapitalisten nach Lindners Definition des Begriffes niemals liberal sind.
So trivial und nichtssagend ist die Sache.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Kapitalismus, das ist das tolle, muss man niemandem verordnen. Er funktioniert auch so. Das einzige, was in sozialistischen Ländern funktionierte, war der Schwarzmarkt. Und der hatte brutal kapitalistische Regeln.

Der Kapitalismus geht einfach davon aus, dass Menschen Eigentum haben. Das lernt jedes Kind auch ohne Indoktrination. MEINS. Man muss sogar erzieherisch gegen an gehen. "Du musst auch mal was abgeben".

Für mich ist es so, dass der Kapitalismus in der Natur des Menschen liegt. MEINS und HABEN WOLLEN. Das kann man nicht abschaffen. Man kann es nur zügeln, lenken, steuern.

Das ist das kongeniale der Sozialen Marktwirtschaft: Das MEINS und HABEN WOLLEN wird nicht verteufelt oder unterdrückt - es wird in den Dienst der Allgemeinheit gestellt.

Wenn du mehr haben willst als andere, musst du auch mehr abgeben. Aber: Es lohnt sich immer noch. Deins bleibt Deins. Das garantieren wir dir. Gesellschaften, die so funktionieren, sind die erfolgreichsten der Welt.

Am Gesamtsystem muss man immer wieder neu justieren: bleibt genug beim Einzelnen, hat die Gemeinschaft genug zum Verteilen, dass jeder satt wird. Das ist Gegenstand der Debatte.

Aber das System funktioniert, und wer ein anderes ausprobieren will, muss sich überlegen mit welcher Spezies es denn funktionieren soll. Der Mensch steht dafür freiwillig jedenfalls nicht zur Verfügung.

ZORA
 

David

Moderner Nomade
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Ich glaube, man könnte auch einfach von "Vertragsfreiheit" sprechen:
Sobalt zwei Menschen nach eigenem Ermessen Verträge schießen können und der Staat nur aufpasst dass sittenwidrige Verträge etc. ausgeschlossen sind, bekommen wir eine Marktwirtschaft.

Für alles Andere muss der Staat stärker eingreifen, wobei wir am Ende immer das Problem haben, dass die Politiker und Wähler die das entscheiden genau dieselben <i>Homo sapiens</i> sind, die auch in den Chefetagen der kapitalistischen Unternehmen ihr Unwesen treiben. D.h. die Schwächen, die Manager andere Leute mies behandeln lassen, finden sich auch bei Politikern.

Dieter Nuhr hat das mal schön gesagt, sinngemäß: Die armen Menschen sind ja nicht per se weniger gierig als die Reichen, sie sind erstmal nur weniger erfolgreich. ;)

@Y:
Ich halte ehrlich gesagt die Definition von "Kapitalismus" für entscheident:
Ist es das Schimpfwort für eine aus dem Ruder gelaufene Marktwirtschaft oder Teile davon, oder ist es deckungsgleich mit Marktwirtschaft ?
(Wozu es laut Wiki wohl verschiedene Ansichten gibt: http://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalismus#Kapitalismus_und_Marktwirtschaft )

Lindner wird wohl ersteres im Kopf gehabt haben, denn mit der zweiten Definition macht die Aussage keinen Sinn. Es sei denn, die FDP mutiert in ihrer Not zur nächsten sozialistischen Kleinstpartei. :D

Am Ende will die FDP ihr schlechtes Image loserden, darum geht es bei der Rede meiner Meinung nach im Kern. Wobei das eigentliche Problem sein könnte, in 4 Jahren überhaupt noch als Partei mit realistischen Chancen wahrgenommen zu werden.

PS.:
Das Politiker-Reden zu 95% " trivial und nichtssagend " sind, ist eigentlich auch schon wieder trivial. :D
Reporter: Was haben Sie nochmal zu Thema XY gesagt ?
Politiker: Nichts
Reporter: Natürlich, aber wie haben Sie es ausgedrückt ? ;)
 
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