Ach, ich sollte nach durchzechter Nacht nicht hier reinschneien. Aber ich machs trotzdem.
Also: Homöopathie wurde eine Wirksamkeit nachgewiesen. Wie Veldan hier zitiert hat, stammt diese Wirksamkeit wohl grösstenteils aus dem Placeboeffekt, verbunden mit der Tatsache, dass der Patient sich in seinem Problem ernstgenommen und behandelt fühlt. Es ist kein Hokuspokus. Psychologie ist eine Wissenschaft.
Aus diesem Grund verstehe ich die ganze Polemik auch nicht, weil die Anti-Homöopathie-Fraktion hier einerseits die Wirksamkeit überhaupt nicht bestreitet, genau weiss, dass es in Apotheken kein Medikament gibt, das "Placebo" drauf stehen hat und als günstigere Alternative zur Homöopathie zur Verfügung steht und zu allem Unfug auch noch Anekdoten der Gegenfraktion als Einzelfälle abtut und mit eigenen Anekdoten von Kindern auffährt, welche genauso subjektiv gefärbte Einzelfälle darstellen.
Ich denke nicht, dass Medikamente immer der richtige Weg sind:
Ich warte immer noch darauf, dass Medikamente ihre Wirksamkeit auf der Verpackung belegen müssen. Und das beispielsweise mit einem Prozentsatz. Warum? Weil kein Medikament je einen absoluten Anspruch auf Heilung versprechen kann. Es ist immer "nur" eine Wahrscheinlichkeit. Es gibt meines Wissens nach auch keine genauen Regeln darüber, wie stark diese Wahrscheinlichkeit vom Placeboeffekt abweichen muss, damit etwas als Medikament verkauft werden darf. Wir haben in unserer Gesellschaft diesbezüglich ein recht blindes Vertrauen, dabei sind die Validitäten der Medikamente (am Menschen) für die Zulassungsorgane unserer Länder und auch für Ärzte oft schwer ersichtlich (u.a. weil viele Medikamente durch Labors getestet wurden, welche von Pharmafirmen direkt bezahlt wurden; die diesbezüglichen Publikationen sind also wohl nicht immer ganz neutral). Grosse neutrale Studien sind langwierig und aufwändig und nur dann möglich, wenn man auch genügend Patienten hat, welche diese Krankheit haben und Behandlung erfahren (was bei neuen Medikamenten immer ein Risiko darstellt, das viele nicht eingehen wollen). Eine Gruppe, welche gar keine Behandlung erhält zum Vergleichen des wirklichen Nutzens gibt es bei vielen Studien gar nicht und wenn, dann nur, weil der Patient die Behandlung verweigert hat (was nicht mehr einem experimentell sauberen Ablauf entspricht, da keine Randomisierung). Langfristige Effekte sind noch schwerer zu ermitteln.
Medikamente weisen im Gegensatz zu Placebos oft unerwünschte Nebenwirkungen auf, wie Belastungen von Organen wie Leber oder Herz, Suchtpotential usw. Habe ich auch oft genug erlebt und mich gefragt, warum manche Ärzte so leichtsinnig riesige Dosen an Schmerzmitteln und Schlafmitteln verschreiben, welche die Patienten dann den Rest des Lebens schlucken, statt auch die möglichen negativen Effekte einzubeziehen und diese abzuwägen. Vielleicht gibt es ja Alternativen, welche das Problem ähnlich gut lösen. Vielleicht ist manchmal auch kein Medikament zu verschreiben die beste Lösung: Bettruhe dürfte viele kleine Krankheiten kurieren, für welche manche Hypochonder zum Arzt rennen. Oder nicht? Nein, wenn wir zum Arzt gehen, dann ERWARTEN wir, dass der Arzt genau weiss, was mit uns nicht stimmt und dass wir ein Mittel dagegen kriegen. Sonst fühlen wir uns nicht ernst genommen. Und genau hier kommt Homöopathie ins Spiel.
Versteht mich nicht falsch, die Medizin und „klassischen“ Medikamente sind toll und ich könnte mir unsere Gesellschaft nicht ohne sie vorstellen, aber auch in der „Schulmedizin“ (wie sie hier betitelt wurde) haben wir unsere goldenen Kälber, welche wir so nicht ganz so glänzend aufrecht erhalten könnten, wenn wir etwas genauer hinschauen
Aber ich persönlich sehe das nicht ganz so als ein „Entweder Schulmedizin oder Homöopathie“ an, wie das scheinbar viele hier tun, sondern als ein problemlos mögliches "und".
Momentan läuft es aus meiner Sicht so ab: Homöopathie ist eine Ergänzung zu den anderen möglichen Behandlungsmethoden. Ein Mediziner wägt also ab, welche Medikamente, homöopathische Mittel oder Behandlung er verschreiben soll um das Leid des Patienten zu mindern. Dabei wählt er dasjenige, von dem er aus wissenschaftlicher Sicht den grössten Nutzen (abzüglich potentiellem Schaden) erwartet. Kein Arzt würde bei einer Krankheit, bei welcher eine Operation oder ein Medikament grosse Heilungswahrscheinlichkeiten verspricht, freiwillig homöopathische Kügelchen verschreiben. Genau wie ein Arzt wenn jemand durch trockene Luft gereizte Augen hat hoffentlich keine Augen-OP ansetzt. Bei Bagatellfällen unterstützt das Placebo die Selbstheilung und ist mit grosser Wahrscheinlichkeit die kostengünstigste und beste Lösung für den Patienten. Wo liegt das Problem?
@Veldan, zu den drei Gründen möchte ich noch etwas sagen:
1.
Ethik: Medikamente können unerwünschte Wirkungen aufweisen, welche den Mehrnutzen gegenüber Placebos zunichtemachen. Medikamente und andere Behandlungsmassnahmen können und werden weit mehr Kosten verursachen (sowohl dem Patienten, wie auch dem Gesundheitssystem). In so einer Situation finde ich es bei Bagatellen unethisch etwas anderes, als ein Placebo zu verschreiben.
2. Die
Profitgier der Pharmafirmen betrifft alle Medikamente, die Marge dürfte bei den meisten Medikamenten aber weit höher liegen als bei homöopathischen Mitteln, weil dort kein medizinisches Patent vorliegt, welches einer einzigen Firma die Vormachtstellung erlaubt. Bei vielen anderen Medikamenten ist dies aber leider der Fall. Das dürfte Dir bekannt sein.
3.
Falsche Anwendung: Die Homöopathie ist dann völlig unbedenklich, wenn man sie bei medizinisch nicht besonders gravierenden Dingen anwendet. Dazu zähle ich beispielsweise ein wenig Fieber, die jährliche Grippe, gereizte Augen, leichte Schlafprobleme, leichte Verstimmungen usw. In solchen Fällen, wo jemand also sowieso keinen Arzt aufsuchen würde, bringt das Mittel also eine Unterstützung. Soweit ich weiss, sind Apotheker angehalten, den Kunden darauf hinzuweisen, wenn ein medizinischer Notfall vorliegt, der einen Arztbesuch dringend nahe legt. Verschreibt dagegen ein Arzt dieses Medikament, dann gehe ich schwer davon aus, dass dieser Arzt weiss, was er tut, genau wie ich hoffe, dass er weiss, was er tut, wenn er jemandem hochdosierte Schmerzmittel verschreibt, welche für gravierende Nebenwirkungen bekannt sind. Ich gehe mit Dir einig, dass es solche Fälle von falscher Anwendung gibt und dass diese nicht gut sind. Für mich sind das aber Einzelfälle, welche es in der Kundenberatung abzufangen gilt. Genau wie der Kauf und Konsum mancher nicht unproblematischer Medikamente während der Schwangerschaft, etc.
4.
Mystik und Magie: wir haben bereits festgestellt, dass Homöopathie wirkt. Es ist irrational diese Wirkung nun abzutun und so zu tun, es ginge hier um Magie. Unter dem Strich kann für manche Personen so eine Behandlung aus ärztlicher Sicht die beste Variante sein. Oder nicht?